VOR GERICHT LÜGT MAN ALS ZEUGE NICHT UNGESTRAFT

Amtsgericht Hattingen - Sitzordnung Saal 1. (Foto: Höffken)

Hattingen – Häusliche Gewalt war jetzt Gegenstand eines Strafprozesses beim Amtsgericht. Die Besonderheit dabei war, dass die Anzeigenerstatterin, gleichzeitig Geschädigte, kein Zeugnisverweigerungsrecht gegen ihren Mann hatte, da sie nach islamischem Recht zum Zeitpunkt der Tat verheiratet war, inzwischen aber auch nach islamischem Recht geschieden ist.

So dürfen Verlobte, Ehegatten und Angehörige dann die Aussage verweigern, wenn sie sich selbst oder einen nahen Angehörigen mit der Aussage belasten würden. Nahe Verwandte sind zum Beispiel Eltern, Großeltern, Kinder, Geschwister, Onkel oder Tante.

Im Januar und Februar 2023 gab es drei Handlungen häuslicher Gewalt in der Hattinger Innenstadt, die die 32-jährige misshandelte Frau bei der Polizei angezeigt hatte. In der damals noch gemeinsamen Wohnung hatte es zuerst Streit gegeben, der 39-jährige alkoholisierte Angeklagte drohte seiner damaligen Frau, ihr die beiden gemeinsamen Kinder wegzunehmen. Dann soll er sie laut Aussage der geschädigten Frau mehrfach mit dem Kopf gegen die Bettkante und die Wand geschlagen haben.

Auch bei ihrer späteren Vernehmung bei der Hattinger Kriminalpolizei unter Einschaltung eines Dolmetschers hatte sie die Misshandlungen im Detail geschildert. Jetzt vor Gericht, übersetzte der Dolmetscher eine vollkommen andere Aussage der misshandelten Frau. Mehrmals ermahnte Richter Kimmeskamp die Zeugin, die Wahrheit zu sagen, anderenfalls sie mit einer Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage rechnen müsste und die Strafe dafür ist nicht zu unterschätzen.

Eine Polizeibeamtin und ein Polizeibeamter schilderten dann als Zeugen unabhängig und detailreich voneinander, dass die Frau am Tage der Tat panikartig und aufgelöst wirkte. Die Frau soll an diesem Tage auch geschildert haben, dass ihr Mann gedroht hatte, sie und ihre Kinder zu töten. Die Anklagevorwürfe der Staatsanwaltschaft bestätigten sich auch durch die Aussagen der Polizeikräfte.

Angeklagter bereits einschlägig vorbestraft

Gegenüber diesen soll der 39-jährige Angeklagte, bereits wegen Körperverletzung zweifach vorbestraft, am Tage der Tat ausfallend geworden sein und zuerst dem Platzverweis und der Verweisung der Wohnung nicht nachgekommen sein. Erst später sei er mit lautem Getöse die Heggerstraße herunter gegangen.

„Er hat mich nicht geschlagen, ich habe bei der Polizei gesagt, es gab Probleme, aber er hat mich nicht geschlagen,“ sagte dann die Frau und der Dolmetscher übersetzte es entsprechend. „Sie schildern hier vor Gericht alles anders, als am Tage der Tat und kurze Zeit später mit Dolmetscher-Unterstützung bei der Polizei“, ermahnte der Richter wiederholt die Frau und gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass die Aussage den Angeklagten entlasten sollte.

Staatsanwaltschaft plädierte auf Freispruch

Am Ende der Beweisaufnahme kam die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass der Sachverhalt zweifelhaft und die Aussage der Geschädigten nicht glaubhaft sei. Eine Verurteilung könne aber aus tatsächlichen Gründen nicht erfolgen und daher beantragte sie einen Freispruch für den Angeklagten.

Rechtsanwalt Sentner schloss sich in seinem Plädoyer dem Antrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft auf Freispruch für seinen Mandanten an.

Strafrichter verkündete Freiheitsentzug ohne Bewährung

Strafrichter Kimmeskamp kam dann in seinem Urteil zu einem vollkommen anderen Ergebnis. Er verurteilte den 39-jährigen wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung. Da der Angeklagte aus einer früheren Tat auch noch unter Bewährung steht, muss dieser damit rechnen, dass auch diese Bewährungsstrafe widerrufen und weitere Monate Gefängnis auf ihn zukommen. „Jemand, der es nicht lernt, sich in der Bewährung straffrei zu führen, muss mit dem Widerruf und zusätzlichem Freiheitsentzug rechnen“, sagte der Richter.

Der vom Angeklagten misshandelten früheren Ehefrau droht jetzt ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage. „Sie wollten sicherlich den Frieden nicht gefährden, allerdings lässt sich das Gericht nicht auf eine falsche Fährte führen“, sagte der Strafrichter.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.