MEHRFACH VORBESTRAFTER ERHÄLT BEWÄHRUNG

Amtsgericht Hattingen (Foto: Höffken)

Hattingen – Am heutigen Tag nach den Osterferien (17. April 2023) begann die erste Hauptverhandlung vor dem Strafrichter mit einer Verspätung. Der vorgesehene Vertreter der Staatsanwaltschaft konnte unfallbedingt nicht erscheinen, eine Vertreterin musste sich auf den Weg von Essen nach Hattingen machen. Die zahlreich als Zeugen geladenen Polizeikräfte mussten sich bis zu ihrer Anhörung gedulden.

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Im Flur vor dem Gerichtssaal wirkte die Stimmung „sehr sachlich“, schließlich erinnerten sich die Beamtinnen und Beamten an das Verhalten des abseits sitzenden Angeklagten, der im Rahmen einer Ingewahrsamnahme im letzten Jahr den Beamtinnen und Beamten gedroht hatte, sie zu vernichten, zu erschiessen oder zu vergewaltigen. Auch ihren Job würden sie los, soll der zum Ereigniszeitpunkt stark alkoholisierte Angeklagte gedroht haben.

Angeklagter gab keine Einlassung ab

Dieser, ein 30-jähriger aus Hattingen, erklärte durch seine Strafverteidigerin direkt zu Beginn der verspätet begonnen Hauptverhandlung, dass er keine Einlassung zur Sache abgeben würde.

Zwei Taten aus April und Juni 2022 waren angeklagt. Seine als Zeugin geladene frühere Lebenspartnerin, Opfer häuslicher Gewalt, war der Vorladung zum Gericht nicht gefolgt. Ein Ordnungsgeld, wie sonst üblich, wurde gegen diese nicht verhängt.

Die Ingewahrsamnahme des Angeklagten im letzten Jahr hatte eine Vorgeschichte. Mitte April 2022 soll er seine damalige Partnerin im Rahmen häuslicher Gewalt mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben. Auf einem Spielplatz soll er außerdem randaliert und dem Platzverweis der Polizeikräfte nicht nachgekommen sein. Als nach einem verbalen Streit des Angeklagten mit seinem Schwager eine Nachbarin die Polizei alarmierte um eine weitere Eskalation auszuschließen, wurde die Polizei zum wiederholten Male zur Anschrift des Angeklagten gerufen.

Um die Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten und um weitere Einsätze zu vermeiden, beschlossen dann die Polizeikräfte, den alkoholisierten und grölenden Mann mit in das Polizeigewahrsam zu nehmen. Dieser ließ sich zuerst noch widerstandslos die Handfesseln anlegen. Seine Widerstandshandlungen begannen, als er in den Polizeiwagen einsteigen sollte. Er randalierte, leistete Widerstand, beleidigte die Polizeikräfte und versuchte einen Beamten ins Gesicht zu treten. Nur unter Anwendung spezieller Polizeigriffe konnte der Proband „transportfähig“ gemacht werden.

Das Theater soll dann im Polizeigewahrsam erst richtig losgegangen sein, nachdem ihm eine Blutprobe entnommen worden war. Er zerriss die Wolldecke im Polizeigewahrsam, stopfe diese in die Toilette, erzeugte dann damit eine Überschwemmung der ganzen Zelle, trat vor die Klingel und löste bei der Wachhabenden dadurch Dauerklingeln aus, urinierte in der Zelle und soll mit Kot rumgeschmiert haben. Die Auswertung der bei beiden Taten dem Angeklagten entnommenen Blutproben ergab jeweils Werte von über zwei Promille Blutalkoholgehalt.

Zu seiner persönlichen Situation erklärte der Hattinger, er sei selbstständig gewesen, habe alles „vor die Wand gefahren“, sei jetzt arbeitslos und habe auch keinen Führerschein mehr. Seine frühere Partnerin habe sich von ihm getrennt. Seine Anwältin betonte, dass es keinen gezielten Tritt ihres doch bei der Tat stark alkoholisierten Mandanten bei dem Transport in das Polizeigewahrsam gegen einen Beamten gegeben habe.

Justizwachtmeister präsentierten Haftbefehl

Da die frühere Partnerin des Hattingers der Vorladung als Zeugin unentschuldigt nicht nachgekommen war, hatte Richter Kimmeskamp mit der Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Strafverteidigerin gerade einen Fortsetzungstermin für Anfang Mai vereinbart, als die Türe zum Gerichtssaal aufging und drei Kräfte der Justizwachtmeisterei in den Saal kamen. Das rote Schriftstück in ihren Händen sagte aus, sie hatten einen Haftbefehl gegen den Angeklagten zu vollstrecken.

Der Grund war, dass dieser eine Geldstrafe aus einem vorherigen Verfahren nicht bezahlt haben soll. Dazu erklärte der Angeklagte, er habe eine Ratenzahlung vereinbart und auch damit begonnen.

Richter, Staatsanwältin und Anwältin des Angeklagten vereinbarten nach einer kurzen nichtöffentlichen Beratung, das Verfahren ohne Fortsetzungstermin doch weiterzuführen, da die Geldstrafe aus dem Haftbefehl mit in das aktuell zu fällende Urteil einbezogen werden konnte.

Bewährung trotz kritischer Sozialprognose

Plötzlich räumte der Angeklagte die Ohrfeige gegen seine frühere Partnerin ein. Richter Kimmeskamp verlas dann die mehrfachen Einträge der Vorstrafen des Angeklagten aus dem Bundeszentralregister wie gefährliche Körperverletzung, Computerbetrug und räuberischer Diebstahl. Auch auf drei Jahre Jugendstrafe kann der Hattinger schon zurückblicken.

In ihrem Plädoyer beantragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft für die aktuell angeklagten Taten der Körperletzung, Bedrohung, Beleidigung und der Widerstandshandlungen unter Einbeziehung der Geldforderung aus dem Haftbefehl, gegen den 30-jährigen zum Tatzeitpunkt stark alkoholisierten und als Folge daraus vermindert schuldfähigen Hattinger eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten zu verhängen und diese für drei Jahre zur Bewährung auszusetzen.

Diesem Strafmaß schloss sich sowohl die Anwältin des Angeklagten als auch Richter Kimmeskamp in seinem Urteil an. Verhält sich der Angeklagte jetzt drei Jahre straffrei und folgt allen Weisungen, muss er nicht ins Gefängnis. Das Urteil erlangte noch im Gerichtssaal Rechtskraft.