GEDANKEN UND ERINNERUNGEN ZUM NEUJAHRSFEST

RuhrkanalNEWS wünscht ein erfolgreiches neues Jahr (Symbolbild: RuhrkanalNEWS)

Hattingen- Den Namen „Silvester“ erhielt das Neujahrs­fest erst 1582 – damals wurde es nach einem gleich­na­migen Papst benannt. Unab­hängig davon hat das Feiern des Jahres­wech­sels vorchrist­liche Wurzeln. Durch Lärm und Aufruhr sollten die bösen Geister vertrieben werden. Zu diesem Zweck wurden auch schon Feuer ange­zündet, um Licht in das Dunkel zu bringen. Im Jahr 153 vor Christus wurde der Jahres­be­ginn vom 1. März auf den 1. Januar verschoben und seither verab­schieden wir uns in der Nacht vom 31. Dezember auf 1. Januar vom alten Jahr und begrüßen das Neue. Mit diesem Abschied und Neube­ginn geht oft eine Reflek­tion der aktu­ellen Situa­tion einher. Für was sind wir dankbar? Mit was möchten wir abschließen? Was wünschen wir uns für das kommende Jahr?

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Die Raunächte

Ein weiterer Aspekt, der in dieser Zeit mitschwingt, sind die soge­nannten Raunächte. Das germa­ni­sche Jahr wurde ursprüng­lich nach zwölf Voll­monden berechnet, unsere Jahres­rech­nung aber nach dem Sonnen­ka­lender. Für die Jahres­rech­nung ist ein Mond­jahr dann aber elf bezie­hungs­weise zwölf Tage zu kurz. Damit der Jahres­kreis­lauf nicht verrutscht und der Jahres­be­ginn immer zur glei­chen Zeit gefeiert werden kann, werden jedes Jahr elf bzw. zwölf zusätz­liche Tage ange­hängt, die auch als Raunächte bezeichnet werden. Auf diese Tage geht auch die Bezeich­nung ‚zwischen den Jahren‘ zurück. Die Raunächte werden typi­scher­weise zwischen Weih­nachten und Heilig Drei König (6. Januar) gefeiert, manche feiern sie aber auch schon ab der Winter­sonn­wende, also dem 21. Dezember. Den Raunächten wurde seit jeher eine beson­dere Bedeu­tung zuge­schrieben. Tatsäch­lich wurde auch davon ausge­gangen, dass in dieser Zeit nicht nur böse Geister, sondern auch die Seelen der Verstor­benen im Dies­seits wandeln können.

Zeit der Übergänge

Kultur­wis­sen­schaft­lich betrachtet kann die Zeit der Raunächte als limi­nale Phase bezeichnet werden – das alte Jahr ist noch nicht vorbei und das Neue hat noch nicht begonnen. Das Konzept der Limi­na­lität geht auf die Beschrei­bung der Überg­angs­riten von Arnold van Gennep zurück und wurde später vor allem von Victor Turner spezi­fi­ziert. Überg­angs­riten markieren laut Gennep alle Übergänge im mensch­li­chen Leben und werden durch Rituale als beson­ders markiert. Dazu gehören zum Beispiel Geburt, Initia­tion, Eheschlie­ßung, aber auch der Tod bezie­hungs­weise die Bestat­tung.

Auch die akute Trauer kann als limi­nale Phase bezeichnet werden. Die Tren­nung von der verstor­benen Person ist voll­zogen, die trau­ernden Menschen sind jedoch noch nicht in ihrem Leben ohne die verstor­bene Person ‚ange­kommen‘, sie befinden sich in einem Zwischen­zu­stand. Allein die Betrach­tung auf dieser Meta­ebene zeigt, dass der Jahres­wechsel für trau­ernde Menschen eine beson­dere Heraus­for­de­rung darstellen kann. Ein Blick auf die prak­ti­sche Ebene zeigt weitere Schwie­rig­keiten.

Jahreswechsel ohne die verstorbene Person

Wenn ein Mensch gestorben ist, und wir uns fragen, wie wir Silvester ohne die verstor­bene Person feiern sollen, bekommt nicht nur der Kurz­film ‚Dinner for one‘ eine ganz neue Bedeu­tung. Silvester ist ein Fest, das fröh­lich begangen wird. Die Menschen feiern begeis­tert in das neue Jahr hinein. Genau diese ausge­las­sene Feier­stim­mung kann trau­ernden Menschen aus verschie­denen Gründen zu schaffen machen. Manchen ist einfach nicht zum Feiern zumute, andere würden viel­leicht gerne feiern, haben aber ein schlechtes Gewissen, ohne die verstor­bene Person Spaß zu haben. Und wieder andere sind viel­leicht schlichtweg über­for­dert von der Frage, wie sie Silvester gerne verbringen würden.

An einem Fest, dass norma­ler­weise gemeinsam gefeiert wird, kann die Lücke, die ein Mensch hinter­lassen hat, beson­ders spürbar werden. Doch es kann schwierig sein, sich etwas zu entziehen, an dem alle teil­nehmen. Zu begründen, warum Silvester nicht gefeiert wird, kann uns in Erklä­rungsnot bringen. Gleich­zeitig fühlt sich ein Mensch, der an einem Fest alleine ist, dass übli­cher­weise alle gemeinsam feiern, viel­leicht beson­ders alleine.

Zusätz­lich erschwe­rend wirkt die Meta­phorik, die den Jahres­wechsel begleitet. Das vergan­gene Jahr zu reflek­tieren, etwas zu verab­schieden und loszu­lassen, während das neue Jahr begeis­tert begrüßt wird, kann für trau­ernde Menschen ein gefähr­li­cher Trig­ger­punkt oder zumin­dest eine große Heraus­for­de­rung sein, denn vor derselben Aufgabe stehen sie in Bezug auf ihre Trauer, nur dass sich hier Begeis­te­rung eher fehl am Platz anfühlt. Was wünscht man sich für ein Jahr ohne die verstor­bene Person?

RuhrkanalNEWS möchte in diesen Zeiten auch an zwei herausragende Hattinger Persönlichkeiten erinnern, die 2023 gestorben sind.

Martin Rösner († 3. September 2023)
Friedhelm „Fiete“ Berkermann († 23. November 2023)

Jahreswechsel bedürfnisorientiert planen

Aufgrund der beson­deren Heraus­for­de­rungen für trau­ernde Menschen, die die Zeit zwischen den Jahren und Silvester im Spezi­ellen mit sich bringen, ist es wichtig, sich bereits im Vorfeld Gedanken zu machen. Dies gilt sowohl für die trau­ernden Menschen selbst als auch für ihr soziales Umfeld. Ein erster Schritt ist das entspre­chende Bewusst­sein. Für trau­ernde Menschen ist es wichtig, dass sie ihrer Intui­tion vertrauen und sich nicht unter Druck setzen lassen. Fällt eine Entschei­dung schwer, kann es ratsam sein, einen Plan B zu haben. Um Konflikt­si­tua­tionen zu vermeiden, kann es helfen, im Vorfeld abzu­spre­chen, dass es in Ordnung ist, eine Party früher zu verlassen. Und gibt es eine Person, die einen begleiten kann, wenn man das möchte? Oder: Wer kann da sein, wenn ich es alleine doch nicht aushalte?

Schritt für Schritt ins neue Jahr. Am besten ist es, sich nicht zu viel auf einmal vorzu­nehmen, sich nicht zu über­for­dern, sondern die Zeit zwischen den Jahren in kleine Schritte aufzu­teilen. Dann ist es möglich, für jeden geschafften Schritt dankbar zu sein. Das wiederum kann Mut gene­rieren für die weiteren Schritte. 

Zeit für Trauer und Erinnerung

Darüber hinaus kann die Zeit rund um den Jahres­wechsel auch bewusst genutzt werden, um sich mit der Trauer und den Erin­ne­rungen zu beschäf­tigen. Hier hilft Bewe­gung – nur wenn der Körper sich bewegt, kann der Geist sich bewegen – oder die krea­tive Ausein­an­der­set­zung mit der Trauer und den Erin­ne­rungen. Viel­leicht stimmt es ja, und die Verstor­benen sind uns zwischen den Jahren beson­ders nahe? Bei einem Grab­be­such können wir dem nach­spüren. Ein kleines Ritual am Grab bietet sich an. Viel­leicht kann ein Stern­werfer Licht ins Dunkel bringen? Über die Feier­tage sind viele Gräber beson­ders schön geschmückt. Bei einem Spazier­gang über den Friedhof lässt sich so einiges entde­cken. So viele Gräber, so viele verstor­bene Menschen. Trau­ernde Menschen fühlen sich oft alleine. Hier können sie spüren, dass sie eben­dies mit ihrem Schicksal nicht sind. Der Friedhof reprä­sen­tiert eine Gemein­schaft – die Gemein­schaft der Lebenden und die Gemein­schaft der Verstor­benen.