VORWURF: KÖRPERVERLETZUNG BEI KLASSENFAHRT – KEINE KONSEQUENZEN FÜR TÄTER?

Gesamtschule Hattingen (Foto: Strohdiek)

Hattingen- Semih Ö. sitzt immer noch mit sichtbaren Spuren im Gesicht auf der heimischen Couch. Der 15-jährige Schüler der Gesamtschule Welper war mit seiner Klasse für einen mehrtägigen Ausflug in den Heidepark Soltau gefahren, dort mit zwei weiteren Jungs in einem Zimmer untergebracht. Die drei machen das, was Jungs in diesem Alter schon mal machen. Sie geben sich gegenseitig mehr oder weniger witzige Spitznamen, immer wieder neu und nur intern. Sie wechseln zu schnell, als dass sie sich zu einer üblichen Bezeichnung innerhalb der Klasse durchsetzen können. „Natürlich haben wir uns dabei im Spaß auch abwertende Namen gegeben“, sagt Semih. „Aber das fanden wir eben lustig und haben darüber gelacht.“

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Aber dann bekommt ein Schüler einen „Spitznamen“, der ihm ganz offensichtlich sehr gegen den Strich geht. Ansatzlos schlägt er zu und prügelt auf Semih ein, so berichtet es seine Mutter Sahanim G., die beim Interview dabei ist. Die Bilanz der Attacke ist verheerend: Die Augenhöhle ist gebrochen, der Augapfel abgesunken, eine ausgekugelte Schulter steht ebenfalls im ärztlichen Protokoll und außerdem diverse Blutergüsse und Abschürfungen.

Semih Ö. mit seiner operierten Augenverletzung im Krankenhaus (Foto: privat)

Die herbeigerufenen Polizisten erstatten Anzeige wegen Körperverletzung und sorgen für den Transport in Krankenhaus. „Vor dort haben wir ihn später abgeholt und sind mit hier erneut zum Arzt gegangen. Daraufhin war er vier Tage stationär in Behandlung“, berichtet die Mutter.

Was die Familie traurig macht, ist, dass sich bis heute von der Schule niemand offiziell erkundigt hat, wie es Semih geht. Eine Lehrerin habe privat, über WhatsApp, Kontakt zu Sahanim G., sie sei die Einzige, die nachfragte, berichten beide. Richtig erbost wird die Mutter, wenn sie berichtet, dass nach ihrer Kenntnis der Täter keine Konsequenzen zu befürchten hat. „Uns wurde gesagt, dass der Schulabschluss des Kontrahenten Vorrang vor einer Bestrafung habe“, sagt Sahanim G.. „Aber was ist mit unserem Sohn, der jeden Tag in der Schule dem Täter über den Weg läuft? Zählen seine psychische Belastung und sein Schulabschluss, der darunter leiden könnte, nichts?“

Inzwischen ist nach einer weiteren ärztlichen Untersuchung klar geworden, dass die Schulterverletzung schwerwiegender ist als zunächst angenommen. Sie muss operiert werden, es steht ein erneuter Krankenhausaufenthalt für Semih an. Nicht nur deshalb hat Sahanim G. Kontakt Hilfe bei einem Anwalt gesucht. Sie will so Einsicht in die Polizeiakten bekommen und gegebenenfalls im Namen ihres Sohnes Schmerzensgeld fordern.

Bezirksregierung sieht keine Versäumnisse der Schule

RuhrkanalNEWS hat selbstverständlich sowohl die bei der Gesamtschule um eine Stellungnahme zu den geäußerten Vorwürfen gebeten als auch die Bezirksregierung als Schulaufsichtsbehörde. Die Redaktion wollte von der Schulleitung wissen, wie die Schilderungen von Semih und seiner Mutter bewertet werden und wie Prügelei schulintern behandelt wird. Die Schulleiterin antwortet nicht auf die schriftlich gestellten Fragen und verweist mit einem Satz an die Bezirksregierung als Schulaufsichtsbehörde.

Dort hat ruhrkanalNEWS zeitgleich nachgefragt. Nach Auskunft der zuständigen Fachabteilung ist der Vorfall bekannt und die Gesamtschule Hattingen wurde beraten, wie sie die Attacke aufarbeiten kann. Die Art der Bestrafung wird demnach nicht einheitlich festgelegt, sondern muss den jeweiligen Schulregeln entsprechen. Im konkreten Fall wurde der Täter von der weiteren Klassenfahrt ausgeschlossen. Außerdem muss er die „Lerngruppe wechseln“. Das heißt, Opfer und Täter gehen nicht mehr in die gleiche Klasse. Nach Angaben der Bezirksregierung „haben sich Vertreter bzw. Vertreterinnen der Gesamtschule Hattingen in diesem Fall laut Aussage der Schule mehrfach nach dem Gesundheitszustand des verletzten Schülers erkundigt.“ Dies sei allerdings nicht vorgeschrieben und freiwillig. Die Schule unterliege nur „der Pflicht zur Überwachung der Schulpflicht anhand von ärztlichen Attesten, falls die Teilnahme am Unterricht aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.“

Semih wird nach Auskunft der Bezirksregierung umfassend betreut, sobald er wieder am Unterricht teilnehmen kann. „Die Schule ergreift organisatorische und pädagogische Maßnahmen, um die Rückkehr des verletzten Schülers in den Unterrichtsalltag zu begleiten. Die Art dieser Maßnahmen liegen in der Zuständigkeit der Schule, der Klassenleitung und der Schulsozialpädagogen und werden gemeinsam abgestimmt. Im vorliegenden Fall sind regelmäßige unterstützende Gespräche sowie die Beschulung der beiden Schüler in unterschiedlichen Lerngruppen bis zum Ende des Schuljahrs (10. Klasse) vorgesehen. Ziel aller schulischen Anstrengungen ist das Erreichen von guten fachlichen und sozialen Kompetenzen sowie eines dem individuellen Leistungsniveau entsprechenden Abschlusses. Die Schulaufsicht sowie die schulpsychologische Beratungsstelle stehen in beratender Form bei Bedarf zur Verfügung“, heißt es in der Stellungnahme der Bezirksregierung.

1 Kommentar zu "VORWURF: KÖRPERVERLETZUNG BEI KLASSENFAHRT – KEINE KONSEQUENZEN FÜR TÄTER?"

  1. Einfach nur traurig, bin mir ganz sicher Hieße der semih „Florian“ dan hätte die schule weitreichende Konsequenzen angeordnet

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