WIRD DEUTSCHLAND WALDBRANDLAND?

Waldbrand in Elfringhausen (Archiv-Foto: Höffken)

Ennepe-Ruhr-Kreis – Die internationale Hilfsorganisation @fire, die sich seit 20 Jahren für die Bekämpfung von Großwaldbränden bundesweit und international spezialisiert hat, zieht am Ende der Waldbrandsaison für das Jahr 2022 ein Resümee und fordert zahlreiche Verbesserungen und Optimierungen bei den Bundesländern.

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Trotz der Größe und Anzahl der Brände in diesem Jahr ist Deutschland aufgrund des dichten Netzes an meist Freiwilligen Feuerwehren und dem hohen Engagement der Einsatzkräfte vor Ort noch vergleichsweise glimpflich davongekommen. Angesichts der Tendenz von immer heftigeren und öfter auftretenden Waldbränden ist es aus Sicht der unter anderem auf die nationale und internationale Vegetationsbrandbekämpfung spezialisierten Hilfsorganisation @fire dringend notwendig, die Fähigkeiten der Waldbrandbekämpfung aller Beteiligten zu verbessern und stärker zu vernetzen. „Großwaldbrände kennen keine Grenzen und keine Bürokratie“, so der @fire-Vorsitzende Jan Südmersen in seinem Resümee der Feuersaison 2022.

In diesem Sommer wurde @fire bei zahlreichen Großwaldbränden zur Unterstützung der regionalen Einsatzleitungen angefordert. Vor Ort hat die Hilfsorganisation Führungskräfte vor Ort beraten, Feuer mit wenig oder sogar ohne Wasser eingedämmt und bekämpft, schwierige Nachlöscharbeiten durchgeführt, den Einsatz in der Luft koordiniert und Spezialgeräte vermittelt. Mit der gelben Schutzkleidung waren die Spezialkräfte oft auffällige Farbtupfer an den Einsatzstellen.

Spezialisten von @fire schulten auch die Kräfte der Feuerwehr Hattingen (Foto: ruhrkanalNEWS)

@fire schulte auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr Hattingen

Das Thema Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung ist auch für die Feuerwehren im Ennepe-Ruhr-Kreis ein Thema. Es ist davon auszugehen, dass solche Einsatzlagen die Feuerwehren auch in den nächsten Jahren weiter beschäftigen werden. Aus diesem Grund hatte die Ausbildungsabteilung der Feuerwehr Hattingen in diesem Jahr eine ganz besondere Ausbildung für die haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräfte organisiert. Unter der Federführung von @fire werden bzw. wurden insgesamt 150 Einsatzkräfte im Bereich der Vegetationsbrandbekämpfung ausgebildet. Dazu war es gelungen, in Hattingen-Elfringhausen ein Feld als Übungsobjekt zu erhalten. RuhrkanalNEWS berichtete über diese Ausbildung, bei der es in den letzten drei Wochen des gesamten Schulungsblocks für die Einsatzkräfte aus Haupt- und Ehrenamt dann im wahrsten Sinne des Wortes „ins Feuer“ ging.

Am Laaker Weg in Elfringhausen stellten Pächter und Eigentümer ein abgeerntetes Feld als Übungsfläche zur Verfügung. An drei Samstagen wurden die Einsatzkräfte zunächst an fünf Stationen ausgebildet, bevor das Erlernte dann in einer gemeinsamen Abschlussübung an einer brennenden Fläche umgesetzt werden konnte.

Weiteren Handlungsbedarf erkannt

Im Jahr 2022 wurde @fire bei zahlreichen großen Waldbränden in ganz Deutschland angefordert. Aus ihren Erfahrungen haben die Waldbrand-Experten vier Themenbereiche identifiziert, in denen der dringendste Handlungsbedarf besteht.

1. Die Führung der Einsatzkräfte muss verbessert werden

Auch ein Großwaldbrand darf für die Brandbekämpfer kein interner Notfall sein. Dafür bedarf es einer guten Einsatzvorbereitung, einer praxisnahen Ausbildung von Führungskräften, welche dann in einer personell und technisch gut ausgestatteten Einsatzleitung auch wochenlange Einsätze steuern können. Dies ist aber in der Regel Aufgabe der Kreise, wovon viele dies aber personell nicht leisten können und deren Erfahrungs- und Ausbildungsstand bei den Führungskräften sehr unterschiedlich ist. Abhilfe könnten hier landesweite oder bundesweite Einheiten und Stäbe zur Führungsunterstützung leisten, wie dies bzw. in den USA der Fall ist. Das scheitert bislang am föderalen System und oft auch am Kirchturmdenken bei vielen Beteiligten. Es ist jetzt an der Zeit, die personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen Gesetze zu ändern, Abläufe und Ausbildung zu verbessern sowie solche Einheiten mit Unterstützung des Bundes und der Länder aufzustellen.

2. Die Koordination der Brandbekämpfer muss verbessert werden

Aufgrund der verschiedenen Zuständigkeiten und der zahlreichen Beteiligten müssen in einem Führungsstab oft erst unterschiedlichen Standpunkte und Befindlichkeiten von Politik und Verwaltung, Führungskräften der Polizei, Bundespolizei, Forstbehörden, Bundeswehr, THW, privaten Hilfsorganisationen sowie Waldeigentümern, Spontanhelfern und diversen Experten diskutiert, ausgeglichen und in Richtung einer guten Zusammenarbeit verarbeitet werden. Dabei ist es für den Einsatzerfolg völlig unerheblich, welche Organisation oder Behörde vertreten wird – es kommt eigentlich nur darauf an, welche Funktionen zu besetzen sind.

Im Endeffekt funktioniert das dann nach einiger Zeit irgendwie und mit Goodwill aller Beteiligten, aber das ist natürlich keine personenunabhängige, sichere und resiliente Grundlage für die kommenden Katastrophen. Hier müssen die Zusammensetzung der Stäbe und die Arbeitsabläufe verbessert und so standardisiert werden.

3. Der Werkzeugkasten der Brandbekämpfer muss erweitert werden

Die große Stärke der Feuerwehren in Deutschland ist, dass sie im internationalen Vergleich flächendeckend sehr viel schneller und schlagkräftiger bei Waldbränden mit einer großen Anzahl von Löschfahrzeugen tätig werden können. Damit wird fast immer vermieden, dass aus kleinen Waldbränden Große werden, aber gleichzeitig ist auch das ein Problem: Wenn man nur einen Hammer als Werkzeug hat, sieht jedes Problem aus wie ein Nagel. Für eine effektive Waldbrandbekämpfung braucht es eben nicht nur Feuerwehrautos, sondern auch Hubschrauber, Fußtrupps, Vor- und später auch Gegenfeuer, schwere Bulldozer. Diese speziellen Ressourcen sind zurzeit gar nicht für den Katastrophenschutz vorhanden, sondern müssen von diversen Behörden angefordert oder aus der Privatwirtschaft organisiert werden. Es ist jetzt an der Zeit, dass für den überregionalen Einsatz der Katastrophenschutz auf Bundes- und Landesebene eigene spezielle Einheiten aufstellt.

4. Löschflugzeuge – sehen gut aus, aber…

Der Einsatzleiter einer südeuropäischen Feuerwehr muss lediglich einen Funkspruch absetzen, wenn er einen Löschhubschrauber (oder ein Löschflugzeug) benötigt. Ein Einsatzleiter in Deutschland benötigt dazu oft einen komplizierten und zeitraubenden Verwaltungsvorgang mit Fax und Telefonaten, Wecken von Bereitschaftsdiensten, schriftlichen Genehmigungen, etc. – je nach Bundesland. Es würde die Brandbekämpfung aus der Luft deutlich verbessern, wenn diese bürokratischen Hürden abgebaut und Hubschrauber schneller zur Verfügung stehen würden. Doch zurzeit fokussiert sich die öffentliche Diskussion sehr stark auf Löschflugzeuge. Diese produzieren allerdings nur sehr teuren Regen, wenn auch sie nicht schnell genug vor Ort sind und auch taktisch nicht sinnvoll geführt und eingesetzt werden.

Für den Einsatz von Luftfahrzeugen ist daher deren schneller Einsatz und sichere Verfügbarkeit zu verbessern sowie für die reibungslose Einbettung in die Einsatzkräfte vor Ort zu sorgen – egal ob Hubschrauber oder Flugzeug.

Erfahrungen im In- und Ausland

Aktuell verfügt @fire über 400 ausgebildete Einsatzkräfte, die neben einer guten körperlichen Fitness, eine ergänzende Ausbildung sowie vielfach über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen im In- und Ausland verfügen. Daher ist @fire derzeit in Deutschland die einzige Organisation, die die Führung und Koordination im taktisch richtigen Einsatz von Luftfahrzeugen aller Typen bieten kann. Darüber hinaus beteiligt sich @fire seit vielen Jahren mit verschiedenen Fachleuten an der Mitarbeit in deutschen Fachgremien, vom Normenausschuss Löschfahrzeuge, über den Arbeitskreis Waldbrand im Deutschen Feuerwehrverband (DFV) bis hin zur länderoffenen Arbeitsgruppe nationaler Waldbrandschutz.

Darüber hinaus wurden durch @fire im präventiven Bereich bislang über 200 Feuerwehren in den Besonderheiten der Waldbrandbekämpfung fortgebildet. Übrigens: Alle Tätigkeiten von @fire im Bereich der Waldbrandbekämpfung erfolgen durch seine Mitglieder rein ehrenamtlich und unabhängig von staatlicher Unterstützung.