KOMMENTAR: DEMOKRATIE IST ANSTRENGEND

Der RuhrkanalNEWS-Kommentar (Grafik: RuhrkanalNEWS)

Schwindendes Vertrauen in politische Entscheidungsträger, Montagsmarschierer, Antisemitismus und langwierige Entscheidungsprozesse. Die Demokratie steht vor vielen Herausforderungen, totalitäre Staaten werden gerne als Vorbilder genannt. Dabei ist Demokratie die beste Staatsform, die wir kennen, findet RuhrkanalNEWS-Redakteur Frank Strohdiek, nicht erst seit dem Besuch von Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP).

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

„In China wäre die Brücke schon längst fertig, hier ist noch nicht mal die Baustelle richtig eingerichtet.“ Diesen Vorwurf höre ich immer wieder, wenn ich rund um Lüdenscheid unterwegs bin. Die inzwischen gesprengte Rahmedetalbrücke wird gerne als Symbol für das Versagen unserer Staatsform herangezogen. Und ja, wahrscheinlich würde in einem totalitären Staat bereits gebaut oder die Brücke wäre fertig. Aber unter welchen Bedingungen? Keine Rücksicht auf Anwohnerinnen und Anwohner, Naturschutz wird ignoriert und Arbeitende auf der Baustelle werden ausgebeutet. Das wäre der Preis, den wir alle, nicht nur beim Desaster rund um die Rahmedetalbrücke, bezahlen müssten, wenn totalitäre Verhältnisse in Deutschland herrschten. „Ja, aber Genua!“, kommt dann oft als Erwiderung, mit Verweis auf die dortige Brücke, die anders als die bei Lüdenscheid einstürzte und mehrere Menschen in den Tod riss.
Auch das ist nicht vergleichbar. Zum einen musste, so makaber es klingt, dort die Brücke nicht mehr gesprengt und abgerissen werden. Zum anderen wurde in Italien auf das berechtigte Bedürfnis der Anwohnenden nach Nachtruhe kaum Rücksicht genommen.

Die inzwischen gesprengte Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid (Archivfoto: RuhrkanalNEWS)


Dennoch sind Vorwürfe gegen die angeblich ineffiziente Demokratie selbst in der politischen Mitte etwas, was gerne mit einem zustimmenden Kopfnicken bestätigt wird. Dass in totalitären Staaten aber eben nicht nur Brücken schneller errichtet werden, sondern auch sonst nicht groß nach dem Bürgerwillen gefragt wird, wird geflissentlich ignoriert. Wenn es den Machthabern egal ist, wird unter Umständen gar nicht gebaut.

Hattingen benötigt mehr Widerstand gegen „Montagsschwurbler“ (Archivfoto: RuhrkanalNEWS)

Das ist etwas, was beispielsweise die von rechts unterwanderten Montagsmarschierer in Hattingen und anderen Städten auch nicht wahrhaben wollen. Sie wähnen sich in einer Diktatur, können aber gleichzeitig unter Polizeischutz gegen ebenjene demonstrieren. Währenddessen pöbeln viele der Teilnehmer in den sozialen Netzwerken unter jedem Bericht. Sie schwadronieren gerne über die „Lügenpresse“. Belege für die „Lügen“ liefern sie nie. Immerhin, sie lernen neue Wörter wie „Framing“, benutzen sie aber ohne zu verstehen, was sie bedeuten. Gegen Flüchtlinge hetzen geht in diesen Gruppen immer und seit Anfang Oktober 2023 ist Antisemitismus in diesen Kreisen auch wieder offen salonfähig geworden. Bei dem Thema verbünden sich stramm Rechte ohne Probleme mit den sonst viel geschmähten und verachteten Islamisten.

Im Zweifelsfall sind für diese Kreise alle Medien staatsgesteuert und finanziert. Das gilt für öffentlich-rechtliche Wellen ebenso wie für kleine Nachrichtenportale wie ruhrkanalNEWS. Das führt dazu, dass es in Hattingen und Sprockhövel Menschen gibt, die alles, was sie in ihrer Weltsicht bestätigt, für bare Münze nehmen. Selbst ein absurd überzeichnetes, erkennbar satirisches Werk wie „Ein Tag im Mainstream“ wird bis heute ernsthaft als Geständnis unserer Redaktion gewertet.

Bei jedem Bericht in den „Systemmedien“ kann nachvollzogen werden, mit wem die jeweiligen Journalistinnen und Journalisten gesprochen haben, woher ihre Informationen stammen. Verschwörungstheorektiker, rechte Extremisten und Verfassungsfeinde blasen dagegen ihre Behauptungen unbelegt in die Welt. Wenn sie widerlegt werden, ist es ihnen egal, sie setzen darauf, dass durch ständige Wiederholung schon irgendwas hängen bleibt und langsam aber sicher der Diskurs in ihre Richtung verschoben wird.

Gleichzeitig nennen diese Menschen Rassisten gerne „Zuwanderungskritiker“, bezeichnen Rechtsextremisten als konservativ, höchstens aber als „rechtspopulistisch“, egal, wie extremistisch, rassistisch oder gewalttätig sie sind.

Gedenkstein zur Pogromnacht am Synagogenplatz (Archivfoto: Strohdiek)

Wer sich nicht sicher ist, wie man sich bei Kriegen positionieren soll: Es gilt in der Ukraine, in Israel und bei jedem anderen Konflikt eine ganz einfache Regel. Sie lautet, flapsig, aber verständlich formuliert: „Wer zuerst schießt, ist das Arschloch.“ Das bedeutet beispielsweise für den aktuellen Konflikt, dass man natürlich den Staat Israel kritisieren darf. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass Parolen, die sein Existenzrecht in Frage stellen oder die Angehörige der Glaubensgemeinschaft bedrohen, antisemitisch und damit inakzeptabel sind.

Und nein, die ersten Juden, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins heutige Israel auswanderten, haben die Palästinenser nicht vertrieben. Sie haben, so wie es Auswanderer in aller Welt machen, Land gekauft, darauf Häuser gebaut und sich niedergelassen. Die Staatsgründung wurde von westlichen Staaten initiiert. Die oft geforderte Zweistaaten-Lösung ist bisher vor allem an der Hamas gescheitert.

Auf israelischer Seite gibt es, ebenso wie unter den Palästinensern und in angrenzenden Staaten, politische Extremistinnen und Extremisten, die kein Interesse am Frieden haben. In Deutschland gibt es Extremisten (m/w/d), die kein Interesse an einem demokratischen Staat haben. Diese Gruppen versprechen sich durch Krieg und/oder einen totalitären Staat für sich selbst einen Machtgewinn. Dafür versuchen sie Feindbilder aufzubauen, bei denen Personen entmenschlicht werden. Sie werden dann zu „den Politikern“ , „den (Finanz-) Eliten“ oder „der Lügenpresse“. Sie unterstellen, dass dort Menschen arbeiten, die irgendeinem geheimen Plan folgen. Dabei sind es Menschen, die in diesem Staat leben. Lokal-, Landes- und BundespolitikerInnen leben hier, sie müssen mit den Folgen ihrer Entscheidungen mehr oder weniger direkt klarkommen. Das macht sie nicht fehlerfrei, auch sie haben persönliche Interessen und manchmal treffen sie Entscheidungen, die sich als falsch erweisen.

Solidaritätsdemo mit Israel vor dem Rathaus (Archivfoto: RuhrkanalNEWS)

Darüber berichten Medien. Öffentlich und privat wird darüber diskutiert und oft werden Fehlentscheidungen korrigiert. Das unterscheidet eine Demokratie von totalitären Staaten. Dort werden Kritiker weggesperrt, gefoltert und im Extremfall ermordet (siehe Russland, Gaza, Syrien, Türkei usw.). Aber diese oft langwierigen Diskussionen und Entscheidungswege in unserem Staat sind anstrengend. Und am Ende kann jede Bürgerin und jeder Bürger die Beschlüsse noch gerichtlich überprüfen lassen. Übrigens auch Extremisten, die unsere Demokratie ablehnen. Gewinnen sie vor Gericht, ist es ein Grund zum Feiern, unterliegen sie, wird das als Beleg gewertet, dass es hierzulande nur politisch instrumentalisierte Rechtsprechung gibt. Auch das ist auf Dauer anstrengend, gehört zur Demokratie aber eben dazu.

Wir Demokraten sollten deshalb entschlossen denen entgegentreten, die unsere Staatsform zerstören wollen. Und vielleicht weniger über Kleinigkeiten schimpfen, sondern uns stattdessen über das viele Gute in unserem Land freuen.

2 Kommentare zu "KOMMENTAR: DEMOKRATIE IST ANSTRENGEND"

  1. Thomas Marx | 10. November 2023 um 8:26 |

    Grundsätzlich nicht verkehrt, nur leider hinkt der Vergleich mit der Lüdenscheider Brücke.
    Über China braucht man nicht lange zu diskutieren, genauso nicht über Brasilien. Aber das Beispiel Genua ist mal ganz schlecht. Ich würde schwören, das die Lüdenscheider 2 Jahre Bautätigkeit incl Nachtabreit lieber hätten als 5 Jahre gemütliches rumgebuddel. WEiterhin hat man sich in Genua allen behördlichen Zwängen entledigt um nicht im bürokratischen Dickicht zu verkommen und schnellstmöglichen Erfolg vorweisen zu können.
    Fahren Sie mal in die Niederlande und schauen sich dort mal Baumassnahmen im Straßenverkehr an, da wird jedem Deutschen schwindelig. Und das liegt nicht daran das man dort nur Sand schüppen muss.

  2. Martina Janßen-Schönfelder | 10. November 2023 um 16:36 |

    Ein großer Topf in den Begriffe wie Demokratie, Antisemitismus, Montagsmarschierer und eine für mein Verständnis sehr entlarvende Sicht auf das Thema Israel hinein geworfen wurden. Dann hat der Koch ein wenig lapidar herum gerührt und fertig ist das Süppchen ohne Pfeffer und Salz, aber mit jeder Menge gammeligem Gemüse!
    Dabei fängt der Koch sogleich damit an, seinen Anspruch über die Funktionsweise der Demokratie mit den Montagsmarschierern zu verknüpfen und bemerkt nicht, dass er sich selbst widerspricht! Eine Demokratie lebt durch den Diskurs und den Streit mit Argumenten! Ist es nicht undemokratisch den politischen Gegner in der Form wie es heutzutage geschieht sozial und menschlich auszugrenzen, lächerlich zu machen und zu stigmatisieren?
    Zugegeben, die letzten Monate war für mich auch nicht zu erkennen, was man mit diesen Montags-Demos erreichen möchte, denn das Hauptziel war ja mal der Widerstand gegen eine Zwangsimpfung. Aber so ist das in einer Demokratie und wenn die Leute ihre Unzufriedenheit mit den Gegebenheiten nur auf diese Weise äußern können, dann sollte die Politik sich fragen, was man eventuell falsch gemacht hat.
    Ich selbst empfinde diese Art der Demos gerade in Bezug auf den Konflikt im Nahen Osten als extrem unpassend. Hier wäre ein ruhiger Schweigemarsch durch die Stadt mit Kerzen und ohne Trommeln angemessen und auch die Vermengung mit anderen Forderungen halte ich für wenig sinnvoll. Zudem ist eine Kritik am Staat Israel, wie es der Kommentator meint, zum jetzigen Zeitpunkt genau so unpassend und so macht er sich gemein mit den Muslimen und Palästinensern, die gerade auf unseren Straße ihren Hass und ihre teilweise miserable Bildung in Bezug auf den geschichtlichen Kontext heraus schreien, Menschen bespucken und sich widerwärtig verhalten.
    Die Hinweise auf Begrifflichkeiten über Linke und Rechte zeigen mir, dass der Kommentator immer noch in diesen alten Kategorien denkt, denn sie sind nach meiner Ansicht längst überholt. So wie „Linke“ sich teilweise extrem israelfeindlich und antisemitisch positionieren, gibt es „Rechte“, die den Juden in Deutschland näher stehen als so mancher Sozialdemokrat! Rechtsextrem ist man heute schon, wenn man auf die Probleme mit muslimischen Einwanderern hinweist, die sich weder an unsere Gesetze noch an unsere Werte gebunden fühlen. Ob man das langsame Aufwachen unserer Politik über diese Tatsache nun ernst nimmt oder nicht: Wer unsere Demokratie schützen möchte, der sollte doch so ehrlich sein und Alle!!!! Probleme benennen.
    Und auch in Ländern ohne Diktatur wird schneller und auch besser gebaut! Menschenskind recherchiert hier mal ordentlich: Es liegt an übergriffigen EU-Verordnungen, europaweiten Auschreibungen . KLagemöglichkeiten der unterlegenen Bieterfirmen und unseren aufgeblasenen Genehmigungsverfahren!
    Und wie wenige Leute sich hier für die Interessen der Juden einsetzen, das ist einfach nur erbärmlich! Sprockhövel war da besser aufgestellt.

Kommentare sind deaktiviert.