KALASCHNIKOW-SCHÜSSE AUF DEN HATTINGER ZEITUNGSBOTEN – ZUM GLÜCK ÜBERLEBT

Der wegen versuchten Mordes Angeklagte (Mi.) neben seinen Verteidigern Rechtsanwalt Wandt und Rechtsanwalt Strüwe (li.) (Foto: Höffken)

Essen/Hattingen – Am heutigen zweiten Verhandlungstag (21. September 2023) sagte der 34-jährige Zeitungsbote aus Hattingen vor den Richtern der II. Großen Strafkammer beim Landgericht aus. Auf ihn war laut Anklageschrift am 11. März 2023 aus einer Kalaschnikow beim Zeitungsaustragen unvermittelt mehrmals geschossen wurde. Der 33-jährige Angeklagte schweigt weiterhin.

Die Anspannung vor seiner heutigen Aussage und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Hattinger davongetragen hat, waren diesem auch sechs Monate nach der Tat noch anzumerken. Für die Staatsanwaltschaft war es u.a. versuchter Mord.

Der durch den Anschlag verletzte Zeitungsbote Jan-Christopher Jarosch (li) mit seinem Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Salewski aus Hattingen. (Foto: Höffken)

Seine Schilderungen des erlebten alptraumhaften Tatablaufes vor den Richterinnen und Richtern des Schwurgerichtes waren präzise und erschienen authentisch, auch im Vergleich zu seinen direkt nach der Tat gemachten Aussagen gegenüber den Kräften der Polizei. Rechtsanwalt Salewski aus Hattingen unterstützte ihn als sein Rechtsbeistand, da der Zeitungsbote in diesem Prozess als Nebenkläger auftritt.

Diesen Samstagmorgen Anfang März wird der Zeitungsbote, der nach eigenen Angaben seit 13 Jahren Zeitungen ausliefert, nie vergessen. Aus Richtung Sprockhövel kommend wollte er morgens kurz nach drei Uhr in Holthausen von der Sprockhöveler Straße nach links in die Straße Am Schellenberg einbiegen, um dort seine Zeitungen zuzustellen.

In der schmalen Auffahrt zur Straße Am Schellenberg parkte ein heller BMW, der ihm die weitere Zufahrt zu den Häusern versperrte. „Ich sah einen Mann an der Fahrertür stehen, der dann um sein Auto herumging, ein Gewehr aus dem Auto nahm und mit diesem im Anschlag auf mich zukam“, sagte der Hattinger Zeitungsbote. Identifizieren kann er aufgrund der Dunkelheit in der Nacht der Tat den Täter nicht.

Dass diese Person kein Jäger war bemerkte er, als plötzlich aus diesem Gewehr, einer Kalaschnikow, wie sich später herausstellte, unvermittelt auf ihn geschossen wurde.

Schüsse auf Zeitungsboten: Zufahrt zur Straße, auf der sich die Tat ereignete. (Foto: Höffken)

Die erste Kugel flog durch die Scheibe des Kleinwagens des Zeitungsboten, knapp an seinem Kopf vorbei und schlug in dessen Finger ein. Unmittelbar wurde ein zweiter Schuss abgegeben, der die Autoscheibe traf. Dann soll noch weiter auf ihn geschossen worden sein. 6 Schüsse hatte der Zeitungsbote registriert.

Einschläge stellte die Polizei an der Heckscheibe, an der Kopfstütze, an der Fahrerseite, der Beifahrerseite, der B-Säule und am Anschnallgurt fest. Auch am Kofferraum des Kleinwagens fand die Polizei noch ein Einschussloch.

Der 33-jährige Hattinger erkannte nach dem ersten Schuss die Lebensgefahr, in der er sich unvermittelt befand. Er duckte sich in seinem Auto ein wenig und setzte seinen Wagen mit Tempo zurück, als der Täter mit der Kalaschnikow im Anschlag hinter ihm herlief.

Er flüchtete in seinem Kleinwagen Richtung Sprockhövel und informierte dann in Höhe der Schultenbuschstraße in Sprockhövel die Polizei, die kurze Zeit später eintraf. Mit einem Rettungswagen wurde der verletzte 34-Jährige Bote in das EVK eingeliefert, aufgrund der Art seiner Verletzungen unmittelbar ins Bergmannsheil nach Bochum verlegt, wo er sofort operiert wurde.

Neben einer Trümmerfraktur und den Schussverletzungen, die er an seinen Fingern und an der Schulter davontrug, erlitt er ein Knalltrauma, einen Tinnitus und leidet bis heute noch an den psychischen Folgen dieser brutalen Tat auf ihn. Dass er diesen Anschlag überlebt hat, grenzt allein an ein Wunder.

Dreimal musste er noch im Bergmannsheil operiert werden, der aktuelle Heilungsprozess gestaltet sich nicht störungsfrei, eine weitere Operation droht dem 34-jährigen Hattinger. Seit dem Anschlag auf ihn ist er krankgeschrieben und hofft, dass die fachärztliche Betreuung ihm dabei hilft, die erlittenen Verletzungen auszukurieren.

Kleinwagen des Opfers nicht mehr zu reparieren

„Mein Kleinwagen ist durch diese Schüsse und Einschläge nicht mehr zu reparieren“, sagte der Hattinger betroffen zu ruhrkanalNEWS. Da er Krankengeld bezieht, ist er aktuell auf den „Fahrdienst“ seiner Familie angewiesen. Sein Arbeitgeber hat ihn bisher nicht unterstützt, einen neuen Kleinwagen zu bekommen.

Unmittelbar nach der Tat setzte die Polizei die „Mordkommission Bote“ ein, die bereits am frühen Morgen nach dem Anschlag die Tatort- und Ermittlungsarbeit mit hochmodernen „Einsatzmitteln“ aufnahm. Mit Drohneneinsatz, Sicherung von Schuhprofilen und blutsuspekten Anhaftungen auf der Fahrbahn gelang dann den Ermittlungskräften ein erfolgreicher Ermittlungsansatz, als diese am Tatort auch noch drei zurückgelassene Handys und ein Tablet fanden, auswerteten und sicherstellten.

Schon kurze Zeit später wurde die Wohnung des Angeklagten in Oberhausen durchsucht und dieser am Folgetag durch ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in Berlin festgenommen. Die überregionale Zusammenmarbeit der Polizei funktionierte.

Der 33-jährige Angeklagte ist bereits mehrfach vorbestraft. Unter anderem wurde er im Juli 2013 vom Landgericht Duisburg rechtskräftig wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt.

Brisanter Brief aufgetaucht

Und ganz am Ende des heutigen zweiten Verhandlungstages gab es dann noch eine Überraschung, als der Vorsitzende Richter Schmitt darüber informierte, dass ein Brief des Angeklagten aus der JVA an einen weitläufig mit ihm bekannten Polizeibeamten ausgewertet wurde.

Darin soll der Angeklagte angekündigt haben, dass bei einer möglichen Einlassung durch ihn umfangreiche Details aus dem Waffenhandel und dem Schmuggel und Verkauf mit Kriegswaffen ans Licht kommen würden.

Anfang Oktober wird der Prozess fortgesetzt. Mit einem Urteil ist Ende Dezember zu rechnen.

1 Kommentar zu "KALASCHNIKOW-SCHÜSSE AUF DEN HATTINGER ZEITUNGSBOTEN – ZUM GLÜCK ÜBERLEBT"

  1. Da ist der arme Kerl wohl unbeabsichtigt in ein größeres Ding hineingeraten. Der Polizei wünscht man weiterhin so gute, präzise Erfolge bei der Ermittlungsarbeit.

Kommentare sind deaktiviert.