Hattingen – Beim Amtsgericht wurde in dieser Woche wegen einer Nötigung und Beleidigung während einer Autofahrt verhandelt. Gegen einen bereits diesbezüglich erlassenen Strafbefehl war Widerspruch eingelegt worden.
Eine 63-Jährige aus Witten wurde von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, Ende Februar 2024 auf der Hüttenstraße eine aus Welper kommende Richtung Innenstadt fahrende Autofahrerin durch Abdrängen am Überholen gehindert und durch das Zeigen eines Mittelfingers beleidigt zu haben.
„Meine Mandantin macht von ihrem Schweigerecht Gebrauch, bestreitet allerdings die Tat“, sagte Strafverteidiger Rechtsanwalt Sentner in einer Erklärung zu Beginn der Beweisaufnahme.
Umfassender schilderte dann die Anzeigenerstatterin und Geschädigte das Geschehen, die noch während des Vorfalles aus dem Auto heraus die Polizei telefonisch verständigte und unmittelbar nach dem Vorfall bei der Polizeiwache eine Anzeige aufgab. „Wegen des mir unterwegs gezeigten Mittelfingers hätte ich allein keine Anzeige gestellt, aber die Situation, in die ich gebracht wurde, war brandgefährlich“, sagte die 38-jährige Zeugin aus.
Als diese aus Richtung Welper kommend an der Ampelanlage in Höhe der früheren Polizeiwache auf der Hüttenstraße anfuhr, wechselte sie kurze Zeit später auf die linke Fahrbahn, um das langsamer rechts vor ihr fahrende Auto zu überholen.
Dann will sie von der Autofahrerin, die sie im Gerichtssaal eindeutig und zu „100 Prozent“ als die Angeklagte identifizierte – „ich sah sie „face to face““ – , mehrmals so abgedrängt worden sein, dass sie fast gezwungen wurde, auf die Mittelinsel aufzufahren, damit auszuweichen um einer Kollision zu entgehen.
Die Verteidigung der Angeklagten ließ dann einen 64-jährigen Zeugen aussagen, der schilderte, dass nach seiner Erinnerung die Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat bei ihm geputzt haben müsste – und somit nicht die Täterin sein könne. Zudem habe er mitbekommen, dass eine andere junge Frau sich den Schlüssel ihres PKW von der Angeklagten bei ihm habe geben lassen. Genauere Details dazu konnte er trotz mehrfacher Nachfrage des Richters und des Staatsanwaltes allerdings nicht nennen.
Am Ende der Beweisaufnahme sah der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Anklagevorwürfe als erwiesen an, die für ihn glaubwürdige Zeugin/Geschädigte konnte nachhaltig und stringent schildern, wie es sich abgespielt hatte und konnte die Angeklagte als Täterin identifizieren. Die Aussage des 64-jährigen Zeugen stufte der Staatsanwalt als nicht glaubhaft ein, zumal er den von diesem geschilderten Putzrhythmus der Angeklagten beim Zeugen nicht auf den Tattag bezog.
Er plädierte dann, gegen die Angeklagte eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro, als 2.400 Euro wegen Nötigung und Beleidigung zu verhängen.
„Das kann ich nicht so recht nachvollziehen, was der Staatsanwalt zu den Aussagen des Zeugen gesagt hat“, erwiderte Strafverteidiger Sentner, verwies auf die Aussage seiner Mandantin, nicht gefahren zu sein und sah den für eine Verurteilung erforderlichen Tatnachweis nicht gegeben. Er plädierte daher auf Freispruch.
Richter Kimmeskamp verkündete dann sein Urteil „Im Namen des Volkes“ und verurteilte die 63-Jährige aus Witten wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Euro, also zu 1.800 Euro. Dieses entspricht auch der Höhe des ursprünglich erlassenen Strafbefehls.
Der Strafrichter bewertete die Aussage der Geschädigten als nachhaltig glaubwürdig und authentisch, die Aussage des 64-jährigen Zeugen als „wackelig“ und unwirklich.
Gegen das Urteil sind noch Rechtsmittel möglich.