ANGEKLAGTE GING EINFACH NACH HAUSE

Das Gebäude des Amtsgerichtes Hattingen. (Foto: Höffken)

Hattingen – Zu einer nicht alltäglichen Situation kam es heute im Amtsgericht. Richter Kimmeskamp und zwei Justizwachtmeister „eilten“ hinter einer 36-jährigen Angeklagten her, die in einer kleinen Gerichtspause entgegen der Weisung des Gerichtes und ihres Strafverteidigers beschlossen hatte, sich nicht weiter ihrem Prozess zu stellen, sondern spontan nach Hause zu gehen.

An der Ampel an der August-Bebel-Straße gelang es den schnell alarmierten Wachtmeistern, die Angeklagte „zu überzeugen“ wieder mit in das Gericht zurück zu gehen. Dort brachte man diese dann vorübergehend in die Arrestzelle im Untergeschoß, bis die Hauptverhandlung fortgesetzt wurde.

Dolmetscherin übersetzte – Angeklagte unter gesetzlicher Betreuung

Körperverletzung, Nötigung und Diebstahl warf die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zu Beginn der öffentlichen Hauptverhandlung der achtmal vorbestrafen Frau vor, die von einer Dolmetscherin bei ihrer Verständigung unterstützt wurde.

Mit einem Regenschirm soll die Frau im Juli 2022 auf dem Marktplatz in Welper auf einen Mann eingeschlagen haben, der sich als leiblicher Vater der Tochter der Angeklagten herausstellte. Im Juni 2022 war sie in einem Hattinger Lebensmittelmarkt dabei erwischt worden, wie sie zwei Brote im geringfügigen Wert von 3,96 € ohne zu bezahlen in ihre Handtasche gesteckt hatte.

Die Angeklagte steht seit Jahren unter gesetzlicher Betreuung und lebt von öffentlicher Unterstützung. Kontakt mit ihrem gesetzlichen Betreuer hält sie nicht. Obwohl sie Mutter einer kleinen Tochter ist, betonte sie nachhaltig und starr im Gericht, sie würde alleine leben und auch den Mann, auf den sie eingeschlagen hatte, würde sie nicht kennen. Die Tochter der Angeklagten lebt bei einer Pflegefamilie.

Die nach einer kleinen Gerichtspause verspätet eintreffenden Zeugen schilderten die körperliche Attacke der Angeklagten gegen den Mann. „Die haben sich im Beisein des kleinen Mädchens zuerst angeschrien, dann schlug die Frau mit einem Regenschirm auf den Mann ein, der später die Polizei informierte. Der geschlagene Mann machte keine Anstalten, die Frau im Gegenzug zu attackieren“, sagte ein Zeuge aus.

Der als Zeuge geladene „geschlagene Mann“ hatte die heutige Trecker-Demo als Grund angegeben, erst verspätet beim Gericht zu erscheinen. Als er am Ende der Gerichtsverhandlung immer noch nicht im Gericht erschienen war, verhängte Richter Kimmeskamp gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro, ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft.

Staatsanwältin: 10 Monate Haft ohne Bewährung

Am Ende ihres Plädoyers beantragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beim Strafrichter, unter Berücksichtigung aller für und gegen die vermindert schuldfähige Angeklagte sprechenden Fakten gegen diese eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung zu verhängen und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Strafverteidiger: Haft vollkommen unangemessen

Rechtsanwalt Salewski betonte als Verteidiger die „niederschwelligen“ Delikte seiner Mandantin und hielt eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung für vollkommen unangemessen. Bei der Attacke mit dem Regenschirm sei auch der Mann nicht verletzt worden. Er betonte die Schwierigkeiten der Angeklagten, mit ihrem Leben zurecht zu kommen und bat letztendlich das Gericht um ein mildes Urteil.

Dieses lautete dann auf Zahlung von 150 Tagessätzen zu je 10 Euro, also mit einer Geldstrafe von 1.500 Euro statt 10 Monaten Haft ohne Bewährung.

Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

1 Kommentar zu "ANGEKLAGTE GING EINFACH NACH HAUSE"

  1. „Dolmetscherin übersetzte – Angeklagte unter gesetzlicher Betreuung“

    War ja klar

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