Eine Glosse von Dr. Anja Pielorz
Hattingen/Sprockhövel- Der meistgesagte Satz der letzten Tage lautete: Ostern 2020 ist anders. Wegen Corona natürlich. Einkaufen geht deutlich anders in den wenigen Geschäften, die überhaupt noch offen haben. Zunächst einmal muss man in den Laden reinkommen. Entweder geht es auf neuen, teils verschlungenen Pfaden, mit verbarrikadierten Einkaufswagen an den Eingängen, in den Konsumtempel oder es ist wie in alten DDR-Zeiten: Schlange stehen, um an ein begehrtes Produkt zu kommen. Das gilt insbesondere für Drogerieartikel – begehrtes Toilettenpapier beispielsweise. Wer sich nicht rechtzeitig mit „Happy-Po“, der Po-Dusche zuzüglich zwei neuer Duschköpfe und bekannt aus der Vox-Show „Höhle der Löwen“ eingedeckt hat oder gar ganz klassisch als Hamster unterwegs war, der muss jetzt kreativ sein. Selbst das Sitzen von Personen auf dem Bezahlband mit gehamstertem Klopapier war nicht erfolgreich – gnadenlos wurden die Rollen von der Security einkassiert. Ich bin online bei einem Partyservice gelandet. Partys gibt es im Moment ja nicht, aber ich kann dazu beitragen, dass der Mensch nicht Pleite macht – er hat nämlich bedrucktes Klopapier. „Shit happens“ ist ja nicht ganz so unpassend dieser Tage, optisch mit einem lustigen Kackhaufen verziert. Ja gut, er hat auch „just married“-Papier, aber so groß ist die Not dann doch noch nicht. Schon erstaunlich, was man alles so findet. Die Lieferung jedenfalls klappt prompt.
Für Lebensmittel bin ich (noch) persönlich unterwegs. Ich habe zwar Platz zuhause, aber ich bin kein Mensch mit gebunkerten Notvorräten. Also muss ich raus und einen Einkaufswagen ergattern. Schwierig, denn in Corona-Zeiten haben sich offensichtlich die Mehrgenerationen-Familien inklusive Risikogruppe vermehrt. Und weil jeder (!) einen Einkaufswagen mitnehmen muss (!), hat eben Mama einen, Papa einen, Oma einen und Kind einen. Und ich habe keinen. Gemeinsamer Einkauf mit der Tochter geht bei mir jetzt leider nicht. Bleibe ich also in der Sonne sitzen und Tochter kauft alleine ein. Dafür beobachte ich die Security. Höre die Diskussionen mit einem Radfahrer der Risikogruppe, der nur eben eine Sache einkaufen will und dafür doch keinen Einkaufswagen nutzen möchte. Ich sehe Menschen, die mit Mundschutz und Handschuhen aus dem Discounter stürzen, sich den Lappen vom Gesicht reißen und erstmal in Ruhe eine paffen. Das Gespräch kann ich leider nicht hören, vielleicht geht es aber um das Risiko von Lungenkrankheiten.
Tochter kommt zurück. Mit Einkauf und den Kopf schüttelnd. Fährt man mit dem Einkaufswagen in einen Lebensmittelgang hinein (ohne Sicht darauf, wer schon drin ist), dann ist es so, als ob uns Spanische Grippe, Pest, Pocken und Corona gleichzeitig heimsuchen. Die Menschen flitzen auseinander, drücken sich mit dem Gesicht zum Schwarzbrot am Regal entlang. Wer sich zufälligerweise im Geschäft mal an einem Bonbon im Mund verschluckt und husten muss, der weiß danach, wie sich Hexenprozesse angefühlt haben müssen. Sehr sinnig ist auch, mit dem Einkaufswagen zwar brav das Geschäft zu betreten, ihn dann aber – weil lästig – im Gang zu parken und flugs einige Teile in verschiedenen Gängen einzusammeln, um erst dann zum Gefährt zurückzukehren. Begleitet vom Ruf der Verkäuferin „Sie, nehmen Sie bitte Ihr Auto mit“ – und zur Kollegin gewandt: „Ich komme mir vor wie im Kindergarten.“
Ein Markt ist auch keine wirkliche Alternative. Mindestabstand ist schwierig und das Aggressionspotenzial ist höher. Viele Mathematiker sind unter uns, die mit Augenmaß ganz genau den Abstand einschätzen können. Zentimetergenau. Ich bin beeindruckt. Bin ja eher „Frau der Worte“ und nicht „Mann der Zahlen“. Ich glaube, ich gehe in meinen Bioladen. Da sind sowieso nie mehr als fünf Personen gleichzeitig drin