SCHÜSSE AUF ZEITUNGSBOTEN MIT KALASCHNIKOW – URTEIL IN KÜRZE

Der wegen versuchten Mordes Angeklagte (Mi.) neben seinen Verteidigern Rechtsanwalt Wandt und Rechtsanwalt Strüwe (li.) (Foto: Höffken)

Essen/Hattingen – Solche Szenen kennt man eigentlich nur aus Action-Filmen: Ein Mann legt in Todesangst den Rückwärtsgang ein, duckt sich, hat nur noch eine Hand am Lenkrad. Gleichzeitig schlagen immer wieder Kugeln in sein Auto ein. Genau das ist am 11. März 2023 in Hattingen-Holthausen passiert. Nach neun Verhandlungstagen wird jetzt am 23. Januar 2024 mit dem Ende des Verfahrens und mit dem Urteilsspruch der fünf Richter:innen der zweiten Großen Strafkammer gerechnet.

Nach bisherigen Erkenntnissen soll damals ein 33-Jähriger mit einer Kalaschnikow auf einen 34-jährigen WAZ-Zeitungsboten geschossen haben. Seit Anfang September 2023 steht der Angeklagte aus Oberhausen in Essen vor Gericht – und schweigt.

Der durch den Anschlag verletzte Zeitungsbote Jan-Christopher Jarosch (li) mit seinem Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Salewski aus Hattingen. (Foto: Höffken)

Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt.

Diesen Samstagmorgen Anfang März wird der Zeitungsbote, der nach eigenen Angaben seit 13 Jahren Zeitungen ausliefert, nie vergessen. Aus Richtung Sprockhövel kommend wollte er morgens kurz nach drei Uhr in Holthausen von der Sprockhöveler Straße nach links in die Straße Am Schellenberg einbiegen, um dort seine Zeitungen zuzustellen.

In der schmalen Auffahrt zur Straße Am Schellenberg parkte ein heller BMW, der ihm die weitere Zufahrt zu den Häusern versperrte. „Ich sah einen Mann an der Fahrertür stehen, der dann um sein Auto herumging, ein Gewehr aus dem Auto nahm und mit diesem im Anschlag auf mich zukam“, sagte der Hattinger Zeitungsbote. Identifizieren kann er aufgrund der Dunkelheit in der Nacht der Tat den Täter nicht. Dass diese Person kein Jäger war bemerkte er, als plötzlich aus diesem Gewehr, einer Kalaschnikow, wie sich später herausstellte, unvermittelt auf ihn geschossen wurde.

Die erste Kugel flog durch die Scheibe des Kleinwagens des Zeitungsboten, knapp an seinem Kopf vorbei und schlug in dessen Finger ein. Unmittelbar wurde ein zweiter Schuss abgegeben, der die Autoscheibe traf. Dann soll noch weiter auf ihn geschossen worden sein. 6 Schüsse hatte der Zeitungsbote registriert. Einschläge stellte die Polizei an der Heckscheibe, an der Kopfstütze, an der Fahrerseite, der Beifahrerseite, der B-Säule und am Anschnallgurt fest. Auch am Kofferraum des Kleinwagens fand die Polizei noch ein Einschussloch.

Zeitungsbote in Lebensgefahr

Der 33-jährige Hattinger erkannte nach dem ersten Schuss die Lebensgefahr, in der er sich unvermittelt befand. Er duckte sich in seinem Auto ein wenig und setzte seinen Wagen mit Tempo zurück, als der Täter mit der Kalaschnikow im Anschlag hinter ihm herlief. Er flüchtete in seinem Kleinwagen Richtung Sprockhövel und informierte dann in Höhe der Schultenbuschstraße in Sprockhövel die Polizei, die kurze Zeit später eintraf. Mit einem Rettungswagen wurde der verletzte 34-Jährige Bote in das EVK eingeliefert, aufgrund der Art seiner Verletzungen unmittelbar ins Bergmannsheil nach Bochum verlegt, wo er sofort operiert wurde.

Schüsse auf Zeitungsboten: Zufahrt zur Straße, auf der sich die Tat ereignete. (Foto: Höffken)

Neben einer Trümmerfraktur und den Schussverletzungen, die er an seinen Fingern und an der Schulter davontrug, erlitt er ein Knalltrauma, einen Tinnitus und leidet bis heute noch an den Folgen dieser brutalen Tat auf ihn. Dass er diesen Anschlag überlebt hat, grenzt allein an ein Wunder.

Dreimal musste er noch im Bergmannsheil operiert werden, der aktuelle Heilungsprozess gestaltet sich nicht störungsfrei, er ist immer noch in Behandlung. Seit dem Anschlag auf ihn ist er krankgeschrieben und hofft, dass die fachärztliche Betreuung ihm dabei hilft, die erlittenen Verletzungen auszukurieren.

Am heutigen achten Verhandlungstag (09. Januar 2024) wurden drei von den Verteidigern des Angeklagten gestellte Beweisanträge vom Vorsitzenden der II. Großen Strafkammer nach längerer Beratung zurückgewiesen und die Zurückweisung begründet. Dann wurde ein umfangreiches Gutachten des Landeskriminalamtes zu den sichergestellten Schuss-Spuren verlesen.

Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach Absitzen der möglichen Freiheitsstrafe

Angeklagter und Verteidiger erhielten dann noch vom Vorsitzenden Richter Schmitt den rechtlichen Hinweis, dass im Rahmen einer möglichen Verurteilung auch ein Vorbehalt der Unterbringung des 33-jährigen Angeklagten nach seiner Strafhaft in der Sicherungsverwahrung möglich sein könnte.

Am 23. Januar 2024 wird der öffentliche Strafprozess fortgesetzt. An diesem Tag ist auch mit den Plädoyers und mit der Verkündung des Urteils zu rechnen.