KOMMENTAR: DIE SACHE MIT DER EHRE

Der RuhrkanalNEWS-Kommentar (Grafik: RuhrkanalNEWS)

Ein Kommentar von Dr. Anja Pielorz anlässlich der Rückgabe eines Ehrenrings der Stadt Hattingen:
Das mit der Ehre ist so eine Sache. Man kann unehrenhaft aus dem Militär entlassen werden. Man kann die Ehre einer Frau bewahren oder nicht. In der Politik hielten die Nationalsozialisten einen Parteitag der Ehre ab. „Meine Ehre heißt Treue“ – stand auf den Gürtelschnallen der SS-Schergen. Millionen Ehrenzeichen wurden verliehen, vom Eisernen Kreuz über das „Tieffliegervernichtungsabzeichen“ bis zum „Mutterkreuz“ in Bronze, Silber oder Gold. Die Gier nach einem sichtbaren Orden der Ehre, endgültig ruiniert von den Nationalsozialisten, ist so alt wie die Menschheit und bahnte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg erneut ihren Weg in Zeichen von Ringen, Urkunden, Ehrenbürgerschaft.

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In Hattingen hat man den goldenen Ehrenring 2005 abgelegt. Nicht mehr zeitgemäß erschien die verliehene Auszeichnung dieser kommunalen Würde. Gewiss wollte man die Arbeit der- und diejenigen ehren, die sich für die Stadt verdient gemacht hatten, doch das güldene Zeichen an der Hand schlug zu hohe Wellen. 2014 erfolgte die Scheidung vom Kleinod und die Hochzeit mit der schnöden Urkunde auf bedrucktem Papier. Sie schien unproblematischer zu sein.

Doch auch der „Ehrenbürger“ hat längst nicht ausgedient. In Sprockhövel wird man am 18. Juni 2020 um 17.30 Uhr im Stadtrat darüber befinden. Im Dezember 2019 beantragte die CDU, sich mit dem Thema zu befassen und honorige Menschen mit dem Titel „Ehrenbürger“ auszuzeichnen.

Menschen, die sich um das Wohl der Stadt verdient gemacht haben: Nun ja, oft genug sind es langjährige Mandatsträger. Sie haben sicherlich viele Stunden ihres Lebens mit politischen Sitzungen und Auseinandersetzungen verbracht. Und dies freiwillig. Die Arbeit soll hier nicht geschmälert werden. Aber der ein oder andere erkennt und genießt auch seine Vorteile. Sie sind nicht unbedingt geldwerter Art. Aber es pinselt das eigene Ego, in vorderster Front an den Tischen zu sitzen und sich am Bekanntheitsgrad in der Stadt zu laben. Ein Geben und Nehmen, denn man sitzt zwar vorne, aber wird dafür nicht selten irgendwann vom Wahlvolk in die Pflicht genommen. Und so manches Ehrenamt oder Ehrenwort haben dann doch einen schalen Beigeschmack.

Manchmal sind es auch nicht nur Mandatsträger, die sich über eine Auszeichnung freuen dürfen: Verdienstkreuze jeder Art, Medaillen – der Wunsch des Menschen nach Anerkennung seiner Arbeit durch Auszeichnungen scheint groß zu sein. Dabei ist es nicht wichtig, ob die Auszeichnung teuer war, ob die Stadtkasse oder ein Mäzen den Griff ins Portemonnaie getätigt hat, der zudem oft steuerlich absetzbar ist. Nein, viel wichtiger ist, dass diese Ehre, die dem Menschen zugesprochen wird, auch von möglichst vielen anderen Menschen wahrgenommen wird. Die Ehre, für Stadt und Bürgerschaft ein Amt zu bekleiden, ist weniger als die halbe Miete, wenn zu wenig Mitmenschen das auch mitbekommen.

Doch ist das wirklich so? Da wären die vielen Aktiven in Bürgerinitiativen, in den Vereinen, in der Freiwilligen Feuerwehr, im Naturschutz, im Hospiz, die Grünen Damen, die vielen Helfer und Übersetzer für eine gelingende Integration, die Suppenküche und auch einige verdiente Kommunalpolitiker selbst. Es gibt sie, den ehrenwerten kommunalen Kitt dieser Gesellschaft und ich kenne – berufsbedingt – viele von ihnen. Die ganz große Mehrheit von ihnen will weder einen Ehrenring noch eine Urkunde noch eine Ehrenbürgerschaft. Sie fragen in ihrer Arbeit nicht danach, ob man sie ehren könnte. Sie bestimmen sich ihren Wert allein. Sie wissen um ihren ganz persönlichen Wert.

Was für mich zählt sind echte Menschen, die mit ihren Taten für die Belange der Stadt eintreten. Die es nicht nötig haben, ihr Engagement in die Welt zu posaunen – und trotzdem weiß man um ihre Wertigkeit. Nichtbezahlte Titel wie „Ehrenbürger“ sind schlicht unnötig. Sie mögen honorig sein – aber wer sie für sein eigenes Tun braucht, ruht in seiner Überzeugung für sein Engagement nicht in sich selbst.

Der Politik stünde es gut zu Gesicht, das Thema einfach zu beenden. Ein Stadtrat muss einzelnen Bürgern nichts verleihen. Aber er sollte seinen Bürgern etwas schenken: Vertrauen. „Die größte Ehre, die man einem Menschen antun kann ist die, dass man Vertrauen zu ihm habe“ (Martin Luther King).