Hattingen/Bochum- Vor fünf Jahren kamen sechs junge Frauen aus Hattingen und Bochum zusammen, um gemeinsam Kunst zu schaffen. Johanna Sowka, Rahel Kira Hebestreit, Franca Zajac, Charlot Kühn, Lea Hottel und Lisa Schäfer lernten sich während ihres Studiums der Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum kennen. Doch schnell wurde ihnen klar: Nur über Kunst zu reden reicht nicht. Während der Corona-Pandemie gründeten sie das Kaleidoskop Kollektiv – und der Name ist Programm.
Performatives Anatomietheater: Das Kaleidoskop Kollektiv
Das Kaleidoskop Kollektiv experimentiert mit Postdramatik, Performance, Collage, Film, Theater, Sound, Feminismus und urbanen Räumen. Ihre Arbeiten sind multimedial, collagiert und geprägt von der ästhetischen Funktionsweise eines Kaleidoskops: stetig veränderbar, immer wieder neu zusammengesetzt. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen, die sich oft in den persönlichen Erfahrungen der Frauen materialisieren. Ihr erstes Bühnenstück Exi[s]t befasste sich mit dem Wunsch nach Eskapismus – dem Drang, einfach abzutauchen. Doch es muss sich nicht immer um eine klassische Bühne handeln. So entwickelten sie für das Festival Kulturlinie ein Audiostück, das Klanglandschaften mit urbanem Raum verschmelzen ließ und das bahnfahrende Publikum auf eine akustische Reise mitnahm.
Ihre liebsten Spielorte?
Die, die keine sind – und die, die dazu werden könnten. Immer wieder stellen sie sich die Frage: Was kann alles Kunst sein? Und noch wichtiger: Wie kann Kunst für alle zugänglich werden? Mit feministischer Energie macht das Kaleidoskop Kollektiv Krach im Ruhrgebiet.
Doch kollektives Arbeiten ist nicht immer einfach – vor allem das Arbeiten unter Freundinnen birgt viele Herausforderungen. Jede Entscheidung wird gemeinsam getroffen: von Thema und Regie über Requisiten und Kostüme bis hin zu Text, Sound und Öffentlichkeitsarbeit. Das bedeutet intensive Diskussionen, Aushandlungsprozesse und manchmal auch Reibung. Erst mit der Zeit haben sich Strukturen und Arbeitsweisen entwickelt, die das gemeinsame Schaffen erleichtern. Heute schöpfen die Frauen aus den unterschiedlichen Fähigkeiten jeder Einzelnen – und doch bleibt jeder kreative Prozess ein ständiges Überlegen, Ausprobieren, Scheitern, Verwerfen und Neuanfangen.
Auf Fördergelder angewiesen
Auch das Überleben in der freien Kunstszene ist eine Herausforderung. Das Kaleidoskop Kollektiv ist – wie so viele freie Gruppen – auf Fördergelder angewiesen, die zunehmend schwerer zu bekommen sind. Spielstätten und Theaterhäuser, die Räume zur Verfügung stellen, sind essenziell, aber oft knapp, vor allem wenn es mit einem Antrag nicht geklappt hat. Umso bedeutsamer war die Gelegenheit, ihre neue Inszenierung Anatomie des Monströsen 2024 am Schauspielhaus Bochum uraufführen zu können – ein Meilenstein für das Kollektiv.
„Viktor Frankenstein leidet…“
Ausgehend von Mary Shelleys Frankenstein setzt sich das performative Bühnenstück Anatomie des Monströsen mit der Angst vor dem „Anderen“ auseinander – mit Körpern, an denen sich gesellschaftliche Normen, Ängste und Zuschreibungen materialisieren. Viktor Frankenstein leidet. Er leidet, weil er Leben geschaffen hat. Ein verdammtes Leben. Und er leidet, weil er keine Frau schaffen kann. Frankenstein handelt von einer Wissenschaftsangst und von der Frage eines monstermäßigen Fabrikats. Was wäre, wenn Frankensteins Monster eine Frau gewesen wäre? Oder viel schlimmer: Was wäre, wenn Frankenstein selbst eine Frau gewesen wäre? Wie entstehen Monster? Und wie entsteht die Furcht vor ihnen? In einer hybriden Szenerie zwischen Anatomietheater, Zaubershow und feministischer Fabrikhalle nehmen die Performerinnen Körperbilder auseinander – buchstäblich. In sechs Kapiteln wird zerlegt, zerhackt, gehäutet und neu zusammengesetzt. Schaufensterpuppen und Performerinnenkörper werden zum Schauplatz eines Experiments: Kann live ein Monster erschaffen werden? Und wer trägt die Verantwortung?
Performatives Bühnenstück Termin
Erleben Sie das Kaleidoskop Kollektiv mit dem Stück Anatomie des Monströsen am Samstag, 19. April 2025 um 19:30 Uhr im ZEITMAULtheater Bochum. Tickets können im Netz unter Spielplan reserviert werden.
Anatomie des Monströsen (Foto: Kaleidoskop Kollektiv)