RENTNER HAT VERTRAUEN IN DIE JUSTIZ ZURÜCKGEWONNEN

Heinrich Briel (re.) mit seinem Rechtsanwalt Ronald Mayer vor dem Amtsgericht Hattingen. (Foto: Höffken)

Hattingen/Sprockhövel – Eine 50-Jährige aus Sprockhövel wurde heute (10. Juni 2024) wegen Diebstahls verurteilt. Wenn das Urteil Rechtskraft erlangt, muss sie 30 Tagessätze zu je 30 Euro, also 900 Euro Strafe zahlen und dem Geschädigten Wertersatz von 330 Euro leisten.

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Die Tat ist als Diebstahl zu qualifizieren und ein „Augenblicksversagen“ ist anzunehmen, begründete Richter Kimmeskamp in seiner Urteilsbegründung die Verurteilung und das Strafmaß. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte vorher am Ende der Beweisaufnahme in ihrem Plädoyer für eine Verurteilung wegen Diebstahls plädiert und eine Strafe von 50 Tagessätzen zu je 20 Euro beantragt.

Rechtsanwalt Scharrmann, der Strafverteidiger der Angeklagten, sah das alles ganz anders, er sah eine deutliche Differenzierung bei unterschiedlichen Aussagen der Zeugen, bezweifelte manche Angaben der Hauptbelastungszeugin und plädierte am Ende auf Freispruch für seine Mandantin und auf Übernahme der Kosten durch die Landeskasse.

Der damals 78-jährige Heinrich Briel vor der Tankstelle, in der er seine Geldbörse liegen ließ. (Archiv-Foto: Höffken)
Amtsgericht Hattingen: Großer Sitzungssaal. (Foto: Höffken)

Aber von vorn – was war passiert?

Am 31. August 2022, also vor fast zwei Jahren, tankte der damals 78-Jährige kurz vor 22 Uhr an einer Tankstelle in Sprockhövel. Zum Bezahlen legte er seine Geldbörse auf die Theke und eine Zeitschrift darüber, die er noch kaufen wollte. Beim Verlassen der Tankstelle nahm er zwar die Zeitung mit, vergaß aber seine Geldbörse.

Als er dieses wenige Minuten später noch auf dem Tankstellengelände bemerkte, ging er zurück in den Verkaufsraum, aber seine Geldbörse war verschwunden. Schmerzlich für ihn auch, dass ihm 330 Euro aus der Geldbörse und Führerschein, Versicherungskarte und Personalausweis fehlen. „Allein die „Rennerei“ wegen Neubeantragung von Personalausweis und Führerschein war nervig“, sagte der heute 80-jährige bei seiner Aussage vor Gericht.

Eine Mitarbeiterin der Tankstelle schaute sich am Tage der Tat noch die Videoüberwachung an und will darauf gesehen haben, dass eine ihr bekannte Kundin die Geldbörse des Rentners an sich und mitgenommen hatte.  

Der Geschädigte erstattete daraufhin noch am selben Abend gegen 23:00 Uhr auf der Polizeiwache in Ennepetal Anzeige gegen Unbekannt. Die Polizeibeamtin, die die Anzeige aufnahm, telefonierte mit der Tankstellen-Mitarbeiterin, versäumte aber augenscheinlich, auf eine Sicherung der Video-Aufzeichnung zu bestehen oder diese zu veranlassen.

„Ich habe mir das Video mehrmals angesehen und auch noch einen Mitarbeiter hinzugezogen“, sagte die Tankstellen-Mitarbeiterin jetzt als Zeugin aus und identifizierte die Angeklagte als diejenige Person, die sie auf dem Video gesehen haben will, die die Geldbörse des Rentners an sich und mitnahm.

Verfahren dann einfach eingestellt

Ende Oktober 2022 wurde der Ermittlungsvorgang von der Polizei an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Und dann kam für den geschädigten Sprockhöveler die nicht zu verstehende Nachricht von der Staatsanwaltschaft. Anfang Februar 2023 teilte die den Fall bearbeitende Amtsanwältin mit, dass sie das Verfahren gegen die Tatverdächtige ohne Gerichtsverhandlung mit Zustimmung des zuständigen Amtsgerichtes ohne jedwede Auflage an die Tatverdächtige „eingestellt“ habe. Als Begründung gab die Amtsanwältin an, die Beschuldigte sei bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und es sei zu erwarten, dass diese durch das bisherige Verfahren „hinreichend beeindruckt“ und gewarnt sei. Unter diesen Umständen wäre das Verschulden als gering anzusehen.  

„Was ist denn das für eine Justiz und Gerichtsbarkeit, die so eine Entscheidung fällt“, empörte sich im letzten Jahr der betagte Sprockhöveler im Pressegespräch. Auf Nachfrage unserer Redaktion bei der Staatsanwaltschaft Essen wurde von der dortigen Pressestelle mitgeteilt, dass die Entscheidung so getroffen worden sei.

Der Rechtsbeistand des Rentners, Rechtsanwalt Ronald Mayer, legte dann im Namen seines Mandanten erfolgreich Rechtsmittel gegen die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft ein.

Vertrauen zurückgewonnen

Somit kam es dann heute (10. Juni 2024), fast zwei Jahre nach dem Tatgeschehen, zu einer Gerichtsverhandlung vor dem Hattinger Amtsgericht, bei dem die 50-jährige Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt wurde.

Auch wenn gegen das heutige Urteil noch Rechtsmittel eingelegt werden können, hat der inzwischen 80-jährige Rentner sein Vertrauen in die Justiz zurückgewonnen und zeigt sich darüber erfreut, dass in einem demokratischen Rechtsstaat auch bereits getroffene Justizentscheidungen korrigiert werden können. Diesbezügliche „Anstrengungen“ seien also lohnenswert.

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