LESERBRIEF: FRAGEN AN STEFAN LENK

Symbolfoto Leserbrief (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen- Offener Brief von Thomas Griesohn-Pflieger, an Stefan Lenk der trotz lokaler Proteste an seinen Bemühungen festhält, einen REWE-Markt im Stadtteil Winz-Baak zu installieren. (Leserbriefe müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen)

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Sehr geehrter Herr Lenk, 
wir kennen uns nicht persönlich, wenngleich wir seit Jahrzehnten eine Geschäftsbeziehung haben. Einige zehntausend Euro hat meine Familie für Lebensmittel in Ihren Rewe-Märkten in Blankenstein und Welper gelassen. Seit einigen Jahren verfolgen wir Ihre Bemühungen einen solchen Mark auch in Winz-Baak zu installieren. Andere Investoren haben sich dort mit ähnlichen Projekten im Laufe der letzten zehn Jahren zurückgezogen. Es gab und gibt dort Widerstand und Proteste der lokalen Bevölkerung aber auch in der Stadtgesellschaft und von zwei Fraktionen des Stadtrats gibt es Ablehnung gegen Ihr Investment an diesem Standort. Nun scheinen aber fast alle baurechtlichen Ampeln grün zu leuchten und, auch wenn es möglicherweise weitere Verzögerungen geben wird, sieht es so aus, dass Sie der einzige Mensch sind, der das Bauvorhaben noch stoppen kann.
Es gibt eine Liste von Kritikpunkten an dem Projekt. Sie werden Sie vielleicht kennen, öffentlich Stellung haben Sie meines Wissens dazu noch nicht genommen. Ich teile viele der kritischen Einschätzungen. Besonders zwei Punkte, die das Thema auch gut zusammenfassen, möchte ich erwähnen. Zum einen verstärken die Auswirkungen von Bodenversiegelung und Baumrodungen die Auswirkungen der Klimakatastrophe und zum anderen zerstören sie Lebensräume von Pflanzen, Tieren und Pilzen. Von den Auswirkungen auf die anwohnenden Menschen möchte ich hier nicht sprechen. Beides – Auswirkungen auf das Klima auch auf die klimatischen Verhältnisse vor Ort und der Verlust von Lebewesen und Lebensräumen – verstärkt einander.

Viele Wissenschaftlicher sehen unseren Planeten in einer sehr kritischen Phase. Leider haben sie, wie wir heute wissen, schon vor 50 Jahren recht gehabt als sie die Grenzen des Wachstums aufzeigten und eindringlich vor einem „Weiter so“ warnten. Heute müssten sie nicht mehr warnen, weil wir die Auswirkungen sehen und fühlen und erleiden. Viele Menschen sterben an ihnen. 
Wir alle sind gefordert unsere Einstellungen zu ändern, weniger und bewusster zu konsumieren, Böden zu entsiegeln, den Verbrauch von Lebensräumen zu stoppen. Ich bin aufgerufen und Sie auch. 
Das Argument, dass der Verlust von Lebewesen in Winz-Baak anderswo ausgeglichen werden kann, ist lächerlich. Das wissen wir alle, trotzdem wird damit immer noch argumentiert. Sicher, man wird vielleicht den gesetzlichen Anforderungen gerecht, wenn man die vorgeschriebenen „Ausgleichsmaßnahmen“ durchführt, aber den vernichteten Lebensraum stellt man damit nicht wieder her. Trotzdem wird immer so getan. Damit lügen sich Planer*innen, Architekt*innen, Bauherr*innen, öffentliche Verwaltungen und Politiker*innen öffentlich was in die Tasche, ohne sich zu schämen.
Ich habe von Ihnen (und den vielen anderen Investoren, die ich in Hattingen habe auftreten sehen) noch kein Wort des Mitgefühls, des Bedauerns oder der Trauer zu der schleichenden Vernichtung von Lebensmöglichkeiten gehört.
Die ökologische Situation ist so zugespitzt, dass wir so nicht weiter machen dürfen. Wir haben keinen Spielraum mehr. Das ist bekannt, wissenschaftlich belegt und auch Alltagserfahrung. Und wenn wir es dennoch tun, verlassen wir den Boden von jeder Moral und Verantwortung für unsere Nachkommen. So wie die Generation vor meiner und meine Generation ihre Nachkommen verraten haben, weil sie auf Komfort und Konsum setzten, obwohl sie damit den Planeten gefährden, ihren Kindern und Enkeln Entfaltungsmöglichkeiten nehmen und ihre Gesundheit riskieren. Schon jetzt bemerken wir die wirtschaftlichen Veränderungen in sinkenden Aktienkursen, schwindendem Unternehmer*innen-Optimismus, Kapitalflucht in Realwerte, Kriege um rar werdende Rohstoffe, Fluchtbewegungen rund um den Globus, …
Herr Lenk, nehmen Sie Ihre persönliche Verantwortung ernst, verzichten Sie auf die Naturzerstörung in Winz-Baak. Wenn Sie unbedingt investieren müssen, kaufen Sie Boden und lassen ihn einfach in Ruhe. Er wird mithilfe von Millionen Lebewesen CO2 speichern, Luft und Wasser reinigen und speichern. Er wird Ihnen und uns Freude und Hoffnung machen und gesundes Wachstum zeigen.
Es ist noch nicht zu spät.
Thomas Griesohn-Pflieger