KRITIK AN PERSONALFÜHRUNG – BRANDSCHUTZBEDARFSPLAN VERABSCHIEDET

Das Hattinger Rathaus (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen- Bevor die letzte und für das kommende Jahr 2023 entscheidende Stadtverordnetenversammlung von den Politker:innen bestritten wird, haben Bürgerinnen und Bürger das Wort. Sie können sich mit Fragen, Anregungen und Hinweisen an die Verwaltung wenden. Das ist gute demokratische Tradition, die aber manchmal etwas aus dem Ruder läuft. Allein dass Bürgermeister Dirk Glaser (parteilos) die Redezeit auf fünf Minuten begrenzen muss, spricht Bände. Einige(!) Bürger:innen nutzen die Gelegenheit, um politische Statements abzugeben, was streng genommen in diesem Rahmen nicht gestattet ist. Am Ende präsentieren sie einen langen Fragenkatalog, häufig mit Suggestivfragen gespickt und verlangen schriftliche Antworten. Das bringt Gilbert Gratzel (FDP) direkt auf die Palme. „Diese Fragenkataloge sind eine Unverschämtheit, sie dienen dazu, die Verwaltung mit Arbeit zu überhäufen, in einer Situation, in der alle Mitarbeitenden sowieso schon an der Belastungsgrenze sind.“ Dafür bekommt er zustimmendes Nicken allen Anwesenden Stadtverordneten. Bürgermeister Dirk Glaser lässt deshalb die Fragen mündlich beantworten.

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Anschließend wird als erstes die Tagesordnung so geändert, dass die Beschlüsse zur Feuerwehr (Wache Nord, Brandschutzbedarfsplan, Anschaffung von Schutzkleidung) am Anfang gefasst werden. Zahlreiche Feuerwehrleute, die extra wegen dieser Tops gekommen sind, können deshalb früher wieder gehen, als sie erwartet haben. Wie sich bereits in den Ausschüssen angedeutet hat, werden die Punkte ohne größere Aussprache beschlossen. Es ergeht ein Prüfauftrag an die Verwaltung, ob im neuen Gebäude ein Stabsraum eingerichtet werden kann. So würde im Katastrophenfall eine weitere Einsatzzentrale geschaffen. Unabhängige (Not-)Stromversorgung inklusive.

Mehr oder weniger deutliche Kritik an Personalführung

Dann folgt das, was Politiker:innen gerne als den politischen Höhepunkt ihrer Arbeit bezeichnen. Die jährliche Haushaltsrede, die traditionell zur Generalabrechnung mit der Gesamtsituation genutzt wird. Den Auftakt macht Melanie Witte-Lonsing (SPD) als Vorsitzende der größten Fraktion. In ihrer Rede übt sie deutliche Kritik an den Personalführungsqualitäten des Bürgermeisters und kann das mit einer Umfrage des Personalrats unter den Beschäftigten der Stadt untermauern. Die Redner der anderen Parteien sind in ihren Vorwürfen nicht so deutlich wie die SPD-Fraktionschefin, stoßen aber ins gleiche Horn. (RuhrkanalNEWS hat die Redemanuskripte weiter unten verlinkt, lediglich Gilbert Gratzel (FDP) sprach frei und kann demzufolge kein Manuskript zur Verfügung stellen)

Einig sind sich alle Parteienvertreter:innen in der Bewertung der finanziellen Situation der Stadt. Der Buchungstrick, Corona- und Kriegsschäden als Investitionen zu verbuchen, wird von allen als skandalös empfunden. „Ich mache seit 1999 Kommunalpolitik, in der Zeit ist jeder Haushalt mit Annahmen und kameralistischen Finanztricks versehen gewesen“, so der FDP-Fraktionsvorsitzende. „Aber das, was uns hier präsentiert wird, ist eine Unverschämtheit.“ Dieser Vorwurf richtet sich allerdings ausdrücklich nicht an den Kämmerer und sein Team, sondern an Bund und Land, die die Kommunen zu derartigen, als unseriös empfundenen Praktiken zwingen. Alle Redner:innen verweisen darauf, dass ab 2025 jeder Haushalt bereits mit einer Million Euro belastet ist, bevor die Planungen überhaupt begonnen haben. Grund sind die bis dahin in Hattingen aufgelaufenen Corona- und Kriegs-„investitionen“ von rund 50 Millionen Euro, die über 50 Jahre abgeschrieben, sprich bezahlt werden müssen.

Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum die Parteienvertreten auf den Hinweis des Kämmerers reagiert haben und fast unisono weitere Gewerbeansiedlungen befürworten. Nur so lassen sich nennenswerte Einnahmen generieren, die die zusätzlichen Haushaltsbelastungen, wenn schon nicht ausgleichen, aber doch minimieren können. Denn derzeit gehen die Planungen von sinkenden Haushaltsüberschüssen aus, die nach aktueller Berechnung in wenigen Jahren nur noch 48.000 Euro betragen. Ein Wert, der erfahrungsgemäß auch bei bester Haushaltsführung bis zum Jahresende pulverisiert ist.

Hier sind die Redemanuskripte, es gilt bei allen das gesprochene Wort:
Melanie Witte Lonsing (SPD)
Gerd Nörenberg (CDU)
Oliver Degener (B90/DG)
Martin Wagner (DIE FRAKTION)