GEFÄLSCHTES PCR-ERGEBNIS BESCHÄFTIGT ERSTMALS HATTINGER AMTSGERICHT

Das Gebäude des Amtsgerichtes Hattingen. (Foto: Höffken)

Hattingen – Für Richter Johannes Kimmeskamp und für den Vertreter der Staatsanwaltschaft war es das erste Verfahren, in dem es juristisch um „den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ ging.

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Angeklagte war ein Ehepaar aus Bochum, welches Mitte Dezember 2021 durch einen Boten in einer Hattinger Apotheke ein gefälschtes PCR-Ergebnis eines auswärtigen Labors vorlegen ließ, um anschließend vom Apotheker ein Genesenenzertifikat und einen QR-Code zu erhalten.

Bei der Prüfung des PCR-Ergebnisses kamen dem Apotheker sofort Zweifel, da gewisse „Plausibilitäten“ nicht gegeben waren. „In diesen Fällen halten wir Rücksprache mit dem Labor oder mit dem Arzt“, sagte der Apotheker zu ruhrkanalNEWS.

Genauso war es auch in diesem Fall. Das Labor bestätigte zeitnah die Unrichtigkeit der auf dem PCR-Test angegebenen Bearbeitungsnummer. Um abschließende Prüfungen durchzuführen, gab der Apotheker „technische Gründe“ an und bat den Boten des angeklagten Ehepaares, am nächsten Tag wiederzukommen.

Apotheker schaltete Polizei ein

Beim nächsten Vorsprechen kam dann die Polizei hinzu und fertigte eine Strafanzeige aus, die später zur Anklageerhebung führte. Die Angeklagte bemängelte, dass sie nicht einmal von den Anzeigensachbearbeitern der Hattinger Polizei zur Sache vernommen worden sei. Nun weist die angeklagte 54-jährige Ehefrau, die krankheitsbedingt seit 14 Jahren Frührentnerin ist, seit 30 Jahren diverse Einträge im Vorstrafenregister auf.

Ihre Einlassung zu den Anklagevorwürfen über ihren Anwalt klangen plausibel. Weil das Ehepaar eine Reise antreten wollte und positiv getestet war, wollten sich beide vorsichtshalber ein länger gültiges Genesenenzertifikat nach Abklingen der Quarantäne besorgen.

Bei telegram Rat gesucht

Da es im Herbst 2021 nach Aussagen der Angeklagten trotz ihrer zahlreichen Bemühungen unmöglich war, als positiv Schnellgetestete einen PCR-Spuck-Test zu bekommen, recherchierten sie auf der Social-media Plattform „telegram“ und gelangten Mitte November über einige Umwege an einen „Anbieter“ eines PCR-Tests. Ein Bote kam Mitte November 2021 zu den Angeklagten nach Hause, kassierte je Test 49 Euro in bar und holte den „Spuck-Test“ am nächsten Tag wieder ab, der dann später als „positiv“ bewertet wurde. Mit dieser Positiv-Bescheinigung ging dann der Bote des Ehepaares vier Wochen später, also nach Abklingen der Quarantäne, Mitte Dezember 2021, zu einer Hattinger Apotheke.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, warum die Angeklagte als schwer kranke Frau nicht ihren Hattinger Hausarzt konsultiert hätte, erwiderte diese, eine Arzthelferin der Praxis hätte ihr erklärt, ein Spucktest könne die Praxis nicht besorgen und als Positiv-Schnell-Getestete dürfe sie nicht in die Praxis kommen. Außerdem, so die Angeklagte, sei sie aufgrund ihres Krankheitsbildes hoch allergisch gegen einen Nasenabstrich, der bei ihr sofort Nasenbluten auslösen würde. Einen Abstrich aus dem Rachenraum durch ihren Hausarzt konnte sie sich nicht vorstellen und schließlich könne sie ja auch keinen Mund- und Nasenschutz tragen, da sonst ihr Krankheitsbild verschlimmert würde.    

Staatsanwalt plädierte auf „schuldig“

Am Ende der Beweisaufnahme sah der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Vorwürfe der Anklage bestätigt. Er plädierte an den Richter, gegen die vorbestrafe Angeklagte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen einkommensabhängig zu je 10 Euro, gegen ihren Ehemann eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro zu verhängen.

Rechtsanwalt beantragte Freispruch

Rechtsanwalt Düllberg, der die Angeklagte vertrat, widersprach dann dem Plädoyer des Staatsanwaltes energisch und ausführlich. Seine Mandantin gehöre einer diffusen vulnerablen Gruppe an, könne gesundheitlich keine Masken tragen und sich auch nicht impfen lassen. Die umfassende detailreiche Einlassung und Begründung seiner Mandantin, warum sie im hektischen Herbst 2021 nur über telegram die Chance gehabt hätte, an einen PCR-Spucktest zu gelangen, sei nicht widerlegt und auch nicht berücksichtigt worden. Seine Mandantin selbst habe alles unternommen, um ein seriöses PCR-Ergebnis zu erhalten.

Auch die vom Staatsanwalt angeführten Vermutungen seien überhaupt nicht belegt, weder recherchiert, noch bewiesen, zumal seine Mandantin auch von der Polizei Hattingen überhaupt nicht angehört worden sei.

Daher beantragte der Strafverteidiger, seine Mandantin aus tatsächlichen und aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

Urteil „Im Namen des Volkes“

„Die Angeklagten werden auf Kosten der Landeskasse, die auch ihre Kosten trägt, freigesprochen“, lautete dann das Urteil von Richter Kimmeskamp. In seiner Urteilsbegründung sah er den erforderlichen Vorsatz der Angeklagten für die angeklagte strafbare Handlung nicht bewiesen. Somit ein Freispruch aus „tatsächlichen“ Gründen, da alle ermittelten Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichten.

Oberstaatsanwältin Milk, Pressesprecherin der Essener Staatsanwaltschaft, kann laut Nachfrage von ruhrkanalNEWS erst in der kommenden Woche mitteilen, ob die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil des Hattinger Amtsgerichtes eingelegt hat.

RuhrkanalNews berichtet weiterhin.