Hattingen – Auch wenn sich das Quartier „Rauendahl“ einer zunehmenden Beliebtheit als Wohnort für jüngere Menschen erfreut, so darf nicht vergessen werden, dass der demographische Wandel hier gleichermaßen seine Wirkung zeigt – die Zahl der älteren Menschen steigt – und zwar massiv.
Wie in vielen anderen Ortsteilen der Stadt Hattingen, können ältere Menschen im Rauendahl nicht als einheitliche Gruppe beschrieben werden. Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen an ein zufriedenes Leben sind vielschichtig und unterschiedlich – auch oder gerade im Alter. Jedoch eint die älteren Menschen der vorherrschende Wunsch nach einem langen und selbstbestimmten Leben im gewohnten Umfeld – sowohl bei Krankheit, Behinderung oder altersbedingten Einschränkungen und zwar, soweit es irgendwie möglich ist, bis zum Lebensende. Um den Interessen der älteren Menschen gerecht werden zu können, sind entsprechende Strukturen im Quartier notwendig. Dazu gehören neben der Wohnung ebenso verschiedenste Angebote der Versorgung im näheren Umfeld, die Begegnung mit anderen Menschen oder auch die Möglichkeit zur Teilhabe an Aktivitäten.
Da das Umfeld meist nicht entsprechend entwickelt und selten ausreichend an den Bedürfnissen sowie Fähigkeiten der älteren Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers orientiert ist, ist ein lebenslanger Verbleib in der Wohnung häufig nicht ohne Weiteres möglich. Diesen Umstand haben die Stadt Hattingen und die hwg eG Hattingen zum Anlass genommen, um ein durch das Land NRW gefördertes Projekt zur Gestaltung des Quartiers „Rauendahl“, angelehnt an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner, zu starten.
Im Rahmen dieser Maßnahme hat die Quartiersentwicklerin, Gabriele Krefting, am 01. September 2015 mit ihrer Arbeit im Quartier „Rauendahl“ begonnen und wird in den nächsten Wochen den engen Kontakt zu der Bevölkerung suchen. Geplant sind neben vielfältigen Veranstaltungen u.a. auch Interviews und Befragungen der im „Rauendahl“ lebenden Menschen – als Experten für die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch als Experten für die Ressourcen und Defizite des Quartiers.
Vier wesentliche Handlungsfelder des Projekts
Um das Bild von einem altengerechten Quartier Realität werden zu lassen, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen in sehr unterschiedlichen Bereichen notwendig.
Bisher umfasst der “Masterplan altengerechte Quartiere.NRW” des MGEPA (Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW) folgende vier Handlungsfelder, die sich gegenseitig ergänzen:
Gemeinschaft erleben. Gerade ältere Menschen sind oft einsam. Wenn der Freundes- und Bekanntenkreis kleiner wird, werden Nachbarschaften und Netzwerke immer wichtiger. Sie funktionieren aber genauso wenig wie Freundschaften “von alleine”. Sie müssen entstehen können, benötigen Pflege und brauchen Räume, um sich zu entfalten. Kulturelle Angebote, Begegnungsmöglichkeiten, Sport- und Bildungsangebote im Quartier tragen dazu bei. Aber es sind vor allem die Menschen selbst, die durch ihr Engagement die Gemeinschaft vor Ort möglich machen und lebenswerte Quartiere entstehen lassen.
Sich selbst zu versorgen – ein elementares Grundbedürfnis und existenzielle Notwendigkeit. Vielfach ist das heute aber gar nicht mehr so einfach. So haben unter anderem Entwicklungen im Einzelhandel wie z.B. das Verschwinden der “Tante-Emma-Läden” dazu geführt, dass eine selbstständige Versorgung mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs für ältere Menschen oft schwierig geworden ist. Das hat besonders dann negative Auswirkungen auf die Lebensqualität, wenn Menschen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Der Einkauf im Laden “um die Ecke” hat dazu oft für ältere Menschen neben der Versorgungsfunktion auch eine soziale Bedeutung: Man trifft sich und pflegt soziale Kontakte.
Wohnen zählt zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Dies gilt umso mehr für diejenigen älteren Menschen, deren Aktionsradius immer geringer wird und die zunehmend mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Trotz der Bedeutung der Wohnung gibt es gerade für ältere Menschen vielfältige Hindernisse in der Wohnung und im Wohnumfeld. Barrierearm oder gar barrierefrei sind die wenigsten Wohnungen und Freiflächen im Quartier. Das kann Menschen – jungen wie alten -, die auf Gehhilfen, Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind, das Leben schwer machen. Das gilt aber auch für ältere Menschen, die nicht mehr ganz so “trittsicher” sind oder Familien mit Kinderwagen. Ein Ziel altengerechter Quartiersentwicklung ist es, älteren Menschen den Verbleib in der eigenen Wohnung auch bei einsetzendem Unterstützungs- und Pflegebedarf zu ermöglichen. Zumindest könnte passgenauer “Ersatz” in der Nachbarschaft angeboten werden, z.B. eine sogenannte alternative Wohnform. Deren Zahl nimmt zwar insgesamt zu, es stehen aber noch längst nicht ausreichend altengerechte, betreute oder gemeinschaftliche Wohnungen für die steigende Nachfrage zur Verfügung.
Sich einbringen – Teilhabe im Alter. Das Reden und Tun rund um das Thema altengerechte Quartiere ist richtig und wichtig. Entscheidend ist aber, dass die Menschen, die unmittelbar von dem Thema betroffen sind, die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen. Die Summe der Erfahrungen und Fähigkeiten der Menschen ist ein großer Schatz, den unsere Gesellschaft dringend braucht. Es muss daher gelingen, auch älteren Menschen die Möglichkeiten zu geben, sich in Diskussionsprozesse einzubringen. Sie sollen entwickeln und entscheiden können, was in ihrem Quartier passiert. Aufgabe einer erfolgreichen Quartiersentwicklung ist es, solche Beteiligungsprozesse zu initiieren und durchzuführen. Es geht aber nicht nur um planerische und politische Teilhabe. Das Handlungsfeld ‘Sich einbringen’ hat viele Facetten, z.B.:
gemeinwesenorientiertes Engagement
Hilfe für die Nachbarin und den Nachbarn
handwerkliche Tätigkeiten
Training im lokalen Sportverein
Mitspielen in einer Theatergruppe
Mitwirkung beim Gottesdienst
Betreuung von Kindern
Vielfalt an Themen, Akteurinnen und Akteuren
Eine altengerechte Quartiersentwicklung verfolgt folgende Ziele:
Selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Umgebung auch bei Unterstützungs- oder Pflegebedürftigkeit möglich machen.
In den Quartieren lebendige Beziehungen zwischen den Generationen entstehen lassen oder bewahren.
Soziale Folgekosten durch wohnortnahe Prävention und Stärkung der haushaltsnahen Versorgung vermeiden.
Gesellschaftlichen Dialog über das Zusammenleben in einer solidarischen Gesellschaft unter den Bedingungen des demographischen Wandels fördern.