BEWÄHRUNGSSTRAFE FÜR BETREIBER EINES BTM-BUNKERS IN HATTINGEN

Amtsgericht Hattingen (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen – Beim Schöffengericht wurde heute (10. April 2024) Geschichte geschrieben. Angeklagt waren ein Hattinger und seine Frau, in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus am Rande der Hattinger Innenstadt einen Betäubungsmittel-Bunker unterhalten zu haben. Bei der Strafzumessung wurde von den Richterinnen und Richtern später u.a. erstmals das neue Konsumcannabisgesetz angewandt.

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Staatsanwalt Kocherscheidt beschuldigte bei der Verlesung der Anklageschrift den 46-jährigen Angeklagten aus Hattingen, im Zeitraum August 2021 bis Oktober 2022 Betäubungsmittel besessen und damit gehandelt zu haben. Weiterhin soll der Angeklagte, um im Rahmen einer MPU-Prüfung seine Fahrerlaubnis zurück zu erlangen, eine gefälschte Erste-Hilfe-Bescheinigung verwendet haben.

Strafverteidigerin Rechtsanwältin Michaelis gab nach der Verlesung der Anklageschrift eine Erklärung ihres Mandanten ab. Darin wurde der Besitz von Betäubungsmitteln und ein Kokain-Konsum für den Eigenbedarf eingeräumt, aber auch die Weitergabe bzw. der Handel mit den Betäubungsmitteln an Freunde und Bekannte. Auch die Verwendung der gefälschten Erste-Hilfe-Bescheinigung wurde bestätigt.

Beeindruckende Wohnungsdurchsuchung nach Ermittlungsersuchen

Die ermittelnde Kriminalkommissarin des KK1 aus Schwelm schilderte dann als Zeugin, wie die Spezialisten des KK1 nach einem Ermittlungsersuchen des LKA aus Österreich tätig wurden. Nach damaligen Erkenntnissen der österreichischen Behörden war ein Täter aus Österreich in acht Fällen mit Betäubungsmitteln aus Hattingen „versorgt“ worden.

Nachdem Mitte Juli 2022 ein gerichtlicher Beschluss zur Wohnungsdurchsuchung des Hattingers erlassen war, erfolgte Ende Oktober 2022 eine Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in Hattingen. Die zeitlich verspätete Durchführung dieser polizeilichen Maßnahme wurde auf Nachfrage hin mit personellem Engpass beim KK1, zahlreich zu bearbeitenden Fällen und entsprechender Vorbereitungszeit für die Durchsuchung begründet.

Dafür war dann das Ergebnis der in der Wohnung vorgefundenen Betäubungsmittel für die eingesetzten sechs Beamtinnen und Beamten „nicht alltäglich”.

Nachdem der Zugang in das Mehrfamilienhaus durch eine offenstehende Haustür möglich war, verschafften sich die Einsatzkräfte „zerstörungsfreien Zugang“ auch zur Wohnung, da kein Bewohner und nur ein Haustier angetroffen wurde.

Hinter den Socken lagen Banknoten-Bündel

„Hinter den Socken im Schlafzimmer fanden wir Geld, unter dem Bett lag in einem Kissen Marihuana und in einem Alu-Koffer lagen weitere Zutaten,“ sagte die Kriminalbeamtin aus.

In einer Gefrierkombination lag neben dem Gemüse Kokain-Pulver sowie Amphetamin-Paste, im Wohnzimmer fand man weiteres Bargeld und Marihuana, insgesamt wurden die Beamten an fünf Örtlichkeiten in der Wohnung „fündig“. Auch ein Zettel mit einer Anschrift in Österreich wurde in der Wohnung gefunden. An Bargeld wurden dann insgesamt 55.127 Euro aus der Wohnung sichergestellt.

Der 46-jährige Angeklagte schilderte im Gerichtssaal, das Bargeld sei nicht Erlös seiner BTM-Verkäufe, sondern stamme aus dem Verkauf seiner Goldmünzen bei einem Hattinger Goldhändler.

„Mein Mandant hat doch die Anklage eingeräumt, zu der Anschrift in Österreich möchten wir uns nicht einlassen“, sagte Rechtsanwältin Michaelis, nachdem Staatsanwalt Kocherscheidt danach gefragt hatte.

Die Verlesung des Wirkstoffgutachtens des Landeskriminalamtes von Januar 2023 über die sichergestellten Betäubungsmittel und deren Wirkungsgrad erforderte Grundkenntnisse der Chemie. Fazit daraus war, dass die vorgefundenen Wirkstoffe das fünf-, 17-fache und 55 -fache einer normalen Menge von Betäubungsmittelwirkstoffen überschritten hatten. Auch das Narkose- und Betäubungsmittel Ketamin war in der Wohnung aufgefunden worden.

Der angeklagte Hattinger schilderte dann, wie er durch persönliche Schicksalsschläge und Verlust seiner Fahrerlaubnis letztendlich BTM-Konsument wurde. Erst nach der “beeindruckenden Wohnungsdurchsuchung” der Polizei sei er von den Drogen abgekommen und habe auch seinen Freundes- und Bekanntenkreis gewechselt.

„Mit seiner derzeitigen Ehefrau sei er seit 2016 zusammen und diese habe zwar den Besitz von BTM in der gemeinsamen Wohnung geduldet, sie sei aber ansonsten an keinen entsprechenden Handlungen beteiligt gewesen,“ so der Angeklagte.

„Deal oder No-Deal“

Im Rahmen der Beweisaufnahme deutete dann Rechtsanwältin Michaelis an, ihr Mandant würde auf die Rückgabe des sichergestellten Bargeldes von 55.127 Euro verzichten, wenn die Hoffnung bestände, dass er nicht ins Gefängnis müsste. Seine Sozialprognose sei gut, er hätte einen verantwortungsvollen Beruf, verdiene gut und wolle beides nicht riskieren.

Staatsanwalt Kocherscheidt plädierte dann in seinem Plädoyer an das Schöffengericht, gegen den Angeklagten wegen Besitz und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zu verhängen, diese für drei Jahre zur Bewährung auszusetzen und dem Hattinger einkommensabhängig eine Geldbuße von 6.000 Euro aufzuerlegen.

Für die mitangeklagte nicht berufstätige Ehefrau plädierte er für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 2 Monaten zur Bewährung ausgesetzt und Ableistung von 100 Sozialstunden.

Strafverteidigerin Michaelis beantragte unter Berücksichtigung aller für und gegen ihren Mandanten sprechenden Fakten eine Bewährungsstrafe im Ermessen des Gerichtes.

Bewährungsstrafe, Geldauflage und Freispruch

Rechtsanwalt Paßmann, der die mitangeklagte Ehefrau verteidigte, beantragte für seine Mandantin Freispruch, da alle Faken der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung für eine Verurteilung wegen BTM-Mitbesitzes nicht ausreichten.

Nach längerer Beratung verkündete Richter Kimmeskamp dann das Urteil des Schöffengerichtes und verhängte gegen den 46-jährigen aus Hattingen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Weiterhin muss dieser 6.000 Euro in monatlichen Raten an das Café Sprungbrett in Hattingen als Bewährungsauflage zahlen. Die Ehefrau des Angeklagten wurde auf Kosten der Landeskasse freigesprochen. Das bei der Durchsuchung sichergestellte Bargeld bleibt eingezogen.