„AUF SIE MIT GEBRÜLL“ – HAZNAIN KAZIM MIT SEINEM BUCH IN HATTINGEN

Haznain Kazim in Hattingen (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen- Haznain Kazim wirkt fast schüchtern, als er im RuhrkanalNEWS Studio steht. Wir sind verabredet zu einem Interview. Das Gespräch vor der Kamera führt ausnahmsweise kein Redaktionsmitglied, sondern Martina Przygodda. Sie ist Organisatorin und Macherin der Initiative „Ein KICK für Hattingen“ und hat den bekannten Journalisten und Buchautoren nach Hattingen eingeladen. Auf einer gemeinsamen Veranstaltung von „Demokratie Leben“ und der „Partnerschaft für Demokratie Hattingen“ hat Kazim am Abend vorher aus seinem Buch „Auf sie mit Gebrüll“ gelesen und anschließend mit dem Publikum diskutiert. (Herausgeber: Penguin Verlag; Originalausgabe Edition (10. Februar 2020); Sprache: Deutsch Broschiert, 208 Seiten; ISBN-10: 3328104933; ISBN-13: 978-3328104933)

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Haznain Kazim stellt sich als „Norddeutscher Jung“ vor, der in Hollern-Twielenfleeth südlich von Hamburg aufgewachsen ist. Das hört man auch am anklingenden Dialekt seiner Heimat. Die Eltern des ehemaligen Spiegel-Journalisten stammen aus Indien, sie wanderten mit Haznain Kazims Großeltern nach Pakistan aus und von da ging es nach Norddeutschland. Diese Familiengeschichte ist der Grund, warum der 48-Jährige bis heute immer wieder fremdenfeindliche Hassbotschaften bis hin zur Androhung körperlicher Gewalt erhält. Dabei ist die Kindheit von herzlichen Nachbarn geprägt. „Meine Eltern haben die Nachbarn eingeladen, die Nachbarn haben uns eingeladen und irgendwann gehörten wir zur Gemeinschaft“, fasst er die Situation zusammen. „Dabei gab es mit Sicherheit auch Menschen, die uns nicht mochten, aber davon habe ich nichts gemerkt.“

Inzwischen ist die Stimmung eine andere, das liegt vor allem an den sogenannten sozialen Medien, in denen Menschen hemmungslos ihrem Hass und ihren Vorurteilen freien Lauf lassen. „Und irgendwann werden aus Worte Taten“, lautet die Erkenntnis des Journalisten. „Dabei geht es mir gar nicht darum, dass Menschen eine andere Meinung haben, als ich und mich kritisieren. Das ist das Wesen unserer offenen Gesellschaft und Kritik ist richtig und wichtig.“ Aber immer öfter geht es gar nicht um den Inhalt seiner Texte, sondern darum dass er als angeblicher „Ausländer“ sich zu Themen in Deutschland äußert.

Haznain Kazim im Interview mit Martina Przygodda bei RuhrkanalNEWS

„Diesen Menschen geht es nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung. Sie wollen erreichen, dass Gewaltandrohungen bis hin zur Morddrohung, dazu führen, dass ich mich zurückziehe und schweige“, ist sich Haznain Kazim sicher. „Aber wer schweigt, wird unsichtbar und das kommt gar nicht infrage!“ Er entscheidet sich, in die Offensive zu gehen. Diskussionen nimmt er an, schreibt Mails mit seinen Kritikern. Die Mails mit selbst ernannten „richtigen Deutschen“ werden sogar veröffentlicht. Im Buch „Post von Karlheinz“ sind Schriftwechsel veröffentlicht, bei denen den Lesenden das Lachen im Halse stecken bleibt. Man schwankt zwischen Fassungslosigkeit über anmaßend, arrogante Zuschriften und Sarkasmus angesichts, mit Verlaub, strunzdoofen Rassistenkommentaren.(„Post von Karlheinz“; Herausgeber: Penguin Verlag; Originalausgabe Edition (25. April 2018); Sprache: Deutsch; Taschenbuch, 272 Seiten; ISBN-10: 3328102728; ISBN-13: 978-3328102724)

Haznain Kazim lebt inzwischen mit seiner Familie in Wien, hier trifft er meistens auf weltoffene, tolerante Menschen, die dennoch beim ersten Treffen mit ihm oft irritiert sind. Er spricht mit seiner norddeutschen Einfärbung und ist dennoch weit entfernt von allen Klischees des blonden Nordseestrandbewohners mit blauen Augen. „Oft werde ich dann gefragt, woher ich stamme. Dann nenne ich Hollern-Twielenfleeth . Und je nachdem was für eine Nachfrage dann kommt, entscheide ich, ob sich eine weitere Unterhaltung lohnt oder nicht“, sagt er lächelnd. Und schiebt nach, dass er, im Gegensatz zu vielen anderen Menschen mit Migrationshintergrund, die Frage auch gar nicht schlimm findet. „Ich stelle sie ja auch. Letztens im Zug hatte ich daraufhin eine interessante Unterhaltung mit einer älteren Dame. Aber ich merke eben auch, wann die Frage aus echtem Interesse gestellt wird und wann sie nur provozieren soll.“

Als sich Haznain Kazim nach einer knappen dreiviertel Stunde vom RuhrkanalNEWS-Studio aufmacht, um seine S-Bahn zu erwischen, geht ein kurzweiliges Gespräch mit einem sympathischen Mann zu Ende. Martina Przygodda begleitet ihn zum Bahnhof, doch bevor beide aufbrechen, nimmt sie ihm das Versprechen ab, noch mal nach Hattingen zu kommen. Das sagt der norddeutsche Jung spontan und gerne zu, vor allem, weil er beim nächsten Besuch die Hattinger Altststadt etwas intensiver und länger besichtigen will.

Haznain Kazim über seine ersten Eindrücke von Hattingen