WARUM DEMOS GEGEN RECHTSEXTREMISMUS WEITER WICHTIG SIND

Der RuhrkanalNEWS-Kommentar (Grafik: RuhrkanalNEWS)

Seitdem eine correctiv-Recherche aufdeckte, wie konkret, menschenverachtend und umfassend die Pläne sind, um politische Gegner, Menschen mit Migrationshintergrund und sonstige aus Sicht von Rechtsextremist:innen unnütze Personen abzuschieben oder sie anderen Repressalien auszusetzen, gehen täglich tausende Demokrat:innen auf die Straße. Wahlen werden in Deutschland zwar weiterhin glücklicherweise mit Stimmzetteln entschieden, aber die Demos gegen Rechtsextremismus bewirken trotzdem einen Umschwung. Wie wichtig das ist, beschreibt RuhrkanalNEWS-Redakteur Frank Strohdiek in seinem Kommentar.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Plötzlich merken es alle: Die, die sich in den letzten Jahren als „Wir sind das Volk“ gerierten, sind eine lautstarke Minderheit. Das lässt sich auch in Hattingen sehen. Die Montagsmarschierer, die seit inzwischen mehreren Jahren bevorzugt die Hattingerinnen und Hattinger in der Südstadt belästigen, sind weit weg davon, große Menschenmengen auf die Straße zu bringen. Zugeben würden sie das nie. Ihre zahlenmäßig überlegenen Gegenüber werden mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die Mehrheit der Bürger unserer Stadt sich an den Protesten ja nicht beteiligt habe. Dass die Montagsmarschierer von Anfang an zu einem nicht geringen Teil aus anderen Städten anreisten, um hier viel Lärm zu machen, verschweigen sie dabei selbstverständlich.

Überhaupt fallen die Teilnehmenden der montäglichen Veranstaltung durch immer neue, immer krudere Behauptungen auf. Einige sind ganz offensichtlich frei erfunden, andere haben ihren Ursprung in tatsächlich existierenden Veröffentlichungen. Aber wie es Populisten gerne machen, werden dann Dinge aus dem Zusammenhang gerissen, falsch interpretiert oder schlicht nicht verstanden. Ein beliebter Scheinvorwurf ist, dem politischen Gegner zu unterstellen, er betreibe „Framing“. Der Begriff wurde einer größeren Öffentlichkeit erstmalig bekannt, als ein internes Papier öffentlich-rechtlicher Sender veröffentlicht wurde, in dem es letztlich etwas simples wie eine „Sprachregelung“ ging, so wie es viele Unternehmen machen. Seitdem wird er gerne verwendet, um Gegnern unlautere Mittel zu unterstellen. Leider viel zu oft falsch. Aber egal, irgendwas wird schon hängen bleiben.

In Hattingen wird dem Bürgermeister von den Montagsmarschierern unterstellt, er verstoße gegen das Neutralitätsgebot, weil er sich aufseiten der Demokraten blicken lässt. Auch hier bleibt festzustellen, dass es das Neutralitätsgebot tatsächlich gibt, es aber nicht bedeutet, dass sich Bürgermeister:innen oder andere Beamt:innen nicht politisch positionieren dürfen. Weil es ja immer extremer werden muss, behaupten die Montagsmarschierenden inzwischen, dass Dirk Glaser den Holocaust leugne.
Gleichzeitig versuchen Montagsmarschierer und andere aus dem gleichen politischen Spektrum Begriffe neu zu besetzen. Das ist ihnen bei dem Wort „Querdenker“ bereits gelungen. War es früher positiv besetzt, ist es seit Beginn der Corona-Pandemie ein Synonym für Verschwörungstheoretiker:innen und Querulanten.

Montagsmarschierende haben nicht verstanden, was „Neutralitätsgebot“ bedeutet (Foto: RuhrkanalNEWS)

Auch in den Kreisen der Montagsmarschierenden ist angekommen, dass „Faschismus“ von den meisten Menschen in Deutschland negativ gesehen wird. Also bezeichnen rechtsextreme Kreise ihre Gegner gerne als „Linksfaschisten“. Das hat zwei Gründe: Einerseits werden kurzfristig die Gegner ebenfalls mit dem negativen Begriff bezeichnet, andererseits wird die Bezeichnung langfristig beliebig und unscharf.
Gleichzeitig ist auch von den Montagsmarschierern in sozialen Medien zu lesen, dass sie von der „marxistischen Merkelregierung“ schwadronieren, wenn sie eine zurückliegende politische Entscheidung kritisieren wollen.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Genau deshalb ist es wichtig, dass es Demonstrationen in Hattingen gibt, bei denen sich Demokratinnen und Demokraten gegen Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien positionieren. Das hat einerseits mit Aufklärung und der Sichtbarkeit zu tun, andererseits auch damit, dass die demokratische Mehrheit merkt, dass sie zwar meistens leiser, aber dennoch nicht allein ist. Das kann in den sogenannten sozialen Medien schon mal untergehen, wenn alleine bei X (ehemals Twitter) 50.000 russische Bots entdeckt wurden, die einzig dafür programmiert wurden, westliche Länder durch die Verbreitung von Fake-News zu destabilisieren. Sie vermitteln den Eindruck, dass Demokrat:innen in der Minderheit sind, da die Bots automatisiert ihren zersetzende Botschaften Tag und Nacht verbreiten und oft nicht sofort erkennbar ist, dass keine Menschen hinter den Profilen stecken. (Wie Populismus funktioniert hat die wunderbare Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer Show gut erklärt.)

Wie schwierig es ist, einmal in die Hände tendenziell undemokratischer Parteien geratene Staaten wieder in die Rechtsstaatlichkeit zu führen, lässt sich aktuell in Polen beobachten. Sollten in Ungarn wieder demokratische Kräfte die Wahlen gewinnen (was nicht in Sicht ist), werden sie auf ähnliche Schwierigkeiten stoßen. Was in Deutschland passieren würde, falls die AfD das Sagen hätte, haben hochrangige Vertreter immer wieder deutlich gesagt. Mit ihren Positionen ist die AfD inzwischen selbst europäischen Schwesterparteien wie der französischen „Rassemblement National“ zu extrem. Nicht grundlos wird die AfD in vielen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet und Teile der Partei gelten als „gesichert rechtsextrem“.

Wenn die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus dazu führen, die Grenze des Sagbaren wieder in Richtung Demokratie zu verschieben, wäre schon viel gewonnen. Wahrscheinlich werden sie maximal die Diskursverschiebung nach rechts stoppen. Knallharte Verfassungsfeinde sind durch demokratische Argumente sowieso nicht mehr zu erreichen. Trotzdem bleiben sie weiter wichtig.

1 Kommentar zu "WARUM DEMOS GEGEN RECHTSEXTREMISMUS WEITER WICHTIG SIND"

  1. Bernd Loewe | 20. Februar 2024 um 20:11 |

    Zitat aus dem Kommentar von Frank Strohdiek:

    „Wenn die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus dazu führen, die Grenze des Sagbaren wieder in Richtung Demokratie zu verschieben, wäre schon viel gewonnen. Wahrscheinlich werden sie maximal die Diskursverschiebung nach rechts stoppen. Knallharte Verfassungsfeinde sind durch demokratische Argumente sowieso nicht mehr zu erreichen.“

    100% Zustimmung!

Kommentare sind deaktiviert.