STADTTEIL WELPER AUFHÜBSCHEN UND GEMEINDEAMT ERHALTEN

v.l. Ingrid Berkermann, Martina Kampmann und Petra Füth, Mitglieder der Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Gemeindeamtes Welper, vor dem Gebäude. Foto: Pielorz

Hattingen- „Dies ist ein wichtiger Markstein auf dem Wege fortschreitender Aufwärtsentwicklung in der Geschichte der Industriegemeinde Welper.“ Die Freude war der Begleiter der Worte vom Welperaner Gemeindevorstehers Ludwig Jahn am 20. Januar 1928 – dem Tag, als das Gemeindeamt an der Thingstraße / Ecke Im Welperfeld, eröffnet wurde. Architektonisch vorbildlich passe sich der Bau ins Stadtbild ein, hieß es. Verantwortlich für den Entwurf zeichnete der Essener Architekt Prof. Georg Metzendorf, bekannt geworden auch als Erbauer der Gartenstadt Hüttenau und der Essener Siedlung Margarethenhöhe. Mit dem Gemeindeamt bekam Welper einen neuen Mittelpunkt, der die beiden Ortsteile Haidchen und Hüttenau verbinden sollte. Knapp über 6000 Einwohner zählte die Gemeinde zu dieser Zeit. Heute sind es zwar ein paar Einwohner mehr, noch größer ist aber das Problem um das Gemeindeamt. Aus dem Markstein der Geschichte ist ein Sanierungsfall geworden. Einige halten das Gebäude für abbruchreif. Ein Verkauf des städtischen Grundstücks mit Gebäude steht im Raum. Die Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Gemeindeamtes in Welper will das nicht hinnehmen. Sie kämpft aber nicht nur für den Erhalt des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes.

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Petra Füth, Martina Kampmann, Ingrid Berkermann und Wolfgang Feuerstein sind aktive Mitglieder der Interessengemeinschaft. Rund ein Dutzend Aktive, aber rund sechsmal so viele Unterstützer gibt es. „Unser Ziel ist es, das Gebäude im Sinne der Nachhaltigkeit zu erhalten. Im Stadtumbau West ist dieses Projekt quasi gar nicht vorhanden. Die Stadt Hattingen möchte es gerne verkaufen, aber wir Welperaner wollen es erhalten. Für uns ist das Haus ein großes Stück Identität und Teil eines lebendigen Gemeindeleben. In Zukunft wünschen wir uns hier einen kulturellen Treffpunkt. Im oberen Bereich des Hauses können wir uns eine medizinische Nutzung ebenso vorstellen wie Büroräume oder Wohnungen.“ Die Interessengemeinschaft soll der Stadt ein Nutzungskonzept vorlegen, doch das ist nicht so einfach. Schließlich sind die Aktiven „nur“ ehrenamtliche Bürger und brauchen dazu Fachleute. Ein Architekturbüro beispielsweise. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft, zu denen übrigens auch Vertreter der politischen Parteien gehören, befürchten den Wegfall ihrer gefühlten zentralen Mitte. Bewusst ist ihnen, dass für eine Sanierung Geld in die Hand genommen werden muss. Viel Geld. Eine Million Euro ist wohl eher eine untere Grenze – aber Fördertöpfe gibt es ja genug. Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, war auch schon da und hat Fördermöglichkeiten in Aussicht gestellt. Die Bausubstanz – 2013 zog das Stadtarchiv aus den Räumen aus, weil die Kellerräume feucht waren – wirft Fragen auf. Doch: Im Gebäude leben in der oberen Etage Flüchtlingsfamilien. Das, so meint die Interessengemeinschaft, sei ja nur zu verantworten, wenn das Gebäude eben noch gut nutzbar sei.  

Petra Füth, Wolfgang Feuerstein und Martina Kampmann auf dem Marktplatz am überquellenden Müllbehälter. Foto: Pielorz

Das Integrative Handlungskonzept der Stadt Hattingen sieht vor, dass alte Gebäude eine kreative Umnutzung erfahren sollen. Das will die Interessengemeinschaft auch für „ihr“ Gemeindeamt erreichen. Aber sie tut noch viel mehr für den Stadtteil. So bepflanzten die Mitglieder der Interessengemeinschaft aus eigener Tasche 27 städtische Blumenkübel. Sie sammelten bei tropischer Hitze 15 Säcke Müll und Grünabfall und haben auch sonst ein waches Auge. Auch mit Förderanträgen haben sie es probiert. Zum Beispiel für die Bepflanzung der Kübel, für neue Sitzkissen im Gemeindeamt, welches vor der Corona-Pandemie von mehreren Gruppen täglich als Treffpunkt genutzt wurde und für eine Einweihungsbegegnung beim von der Stadt reparierten Brunnen an der Ecke Thingstraße/Marxstraße. Erfolgreich waren die Bemühungen nach den Worten der Vertreter der Interessengemeinschaft nicht. „Der Antrag auf Projektförderung, Mittel zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements ist kompliziert – so wie er auch schon formuliert ist. Die Stuhlkissen wurden schon im Vorfeld mit der Begründung abgelehnt, in einigen Jahren bekämen wir ja einen neuen Bürgertreff. Da brauchen wir jetzt keine neuen Stuhlkissen mehr. Und bei dem Treffen am Brunnen hatten wir so viele Auflagen, das hätten wir allein gar nicht machen können. Also haben wir es gelassen und das mit den Blumen einfach selbst in die Hand genommen – gemeinsam mit Spenden der Welperaner Bürger.“ Kompliziert ist auch in Corona-Zeiten die Nutzung des Gemeindeamtes für Gruppen. Waren es sonst mehrere am Tag, darf es jetzt nur noch eine Gruppe pro Tag sein. „Die Stadt desinfiziert nur einmal am Tag. Und privates Desinfizieren durch die Gruppe ist nicht erlaubt“, sagen die Vertreter. 

Ein anderes Thema ist der reichlich vorhandene Müll und der auf dem Marktplatz überquellende Müllbehälter. Es gibt nämlich nur einen und der wird aus Sicht der Interessengemeinschaft entschieden zu selten geleert und sei überhaupt zu wenig. Schließlich gäbe es jetzt noch mehr Müll – verursacht durch die Einwegprodukte der Masken, Handschuhe und Desinfektionstücher. Zum bürgerschaftlichen Engagement gehört in Welper das aktive Einmischen und ein gewisser Widerstand, auch gegen manche Ideen der Stadt. Das Ziel dürfte wieder alle vereinen: Welper soll attraktiver werden und mit dem Stadtumbau ist man da schon auf einem guten Weg.