Essen/Hattingen – Vor der XVI. Großen Strafkammer beim Landgericht in Essen begann heute (05. Juli 2023) der Prozess gegen einen 45-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, mit einem großen Küchenmesser viermal auf seine Ehefrau in Hattingen eingestochen zu haben.
Der Angeklagte, durch eine Simultan-Dolmetscherin unterstützt, gestand bereits zu Beginn des ersten Verhandlungstages unter Tränen seine Tat. Mitte Dezember 2021 hatte er im Laufe einer Auseinandersetzung mit einem großen Küchenmesser in der gemeinsamen Wohnung in Hattingen mehrmals auf seine Ehefrau eingestochen.
„Mein Mandant räumt die gegen ihn vorgetragenen Vorwürfe vollumfänglich ein“, sagte Strafverteidiger Rechtsanwalt Salewski dazu im Namen seines Mandanten, nachdem Staatsanwältin Haering die Anklageschrift verlesen hatte.
Szenen einer Ehe – Eifersucht und Kontrolle
Seit 2004 lebt der Angeklagte in Deutschland. Mit seiner Ehefrau hat er mehrere Kinder. Zwei als Zeugen geladene Jugendliche, beides Kinder des Angeklagten, machten heute von dem ihnen zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch und sagten aus. Insbesondere die Aussage eines Jugendlichen, der die Tat miterleben musste, berührte die Gerichtsparteien und Zuhörer emotional.
Behutsam ließ sich dabei der Vorsitzende Richter Dr. Kliegel von dem jugendlichen Sohn des Angeklagten die Vorkommnisse schildern und bemühte sich auch während des ersten Verhandlungstages, eine gewisse Struktur in die umfangreichen Einlassungen des Angeklagten, der immer wieder in Tränen ausbrach, zu bekommen.
In der Ehe des Angeklagten ging es schon seit längerem turbulent zu. Immer wieder kam es zu gegenseitigen Vorwürfen und verbalen Auseinandersetzungen, die sich durch die räumlichen Beschränkungen während der Corona-Phase noch verschärften.
Eine psychische Erkrankung der Ehefrau verbunden mit Depressionen und den durch die Ehefrau gewonnen Erkenntnissen, dass man bei mehreren Kindern nicht mehr die „gewohnte Freiheit“ genießen kann, verschärften das Miteinander in der Familie. „Ich vermisste den „Spaß am Leben“ und war nur noch für die Kinder und für den Haushalt zuständig“, sagte die Ehefrau vor Gericht aus.
Erschütternd war zu hören, dass sie vor Jahren bereits gedroht hatte, ihren Kindern etwas anzutun, falls ihr Ehemann sie verlassen würde. Dieser hatte nämlich in Erfahrung gebracht, dass sie die ehelichen Treue nicht eingehalten hatte. Eines ihrer Kinder soll sie in das Badezimmer gezogen und dem Kind dort ein Messer an den Hals gehalten haben.
Lebensgefährlich verletzt
Nach einem gemeinsamen Urlaub im Herbst eskalierte es dann Mitte Dezember 2021. Die Ehefrau fühlte sich von dem Angeklagten, der ihr zwar den Seitensprung vor Jahren verziehen haben will, immer noch überwacht und kontrolliert. Dieser wiederum fühlte sich durch seine Ehefrau provoziert und hat dann im Rahmen einer zuerst verbalen Auseinandersetzung viermal mit einem 20 cm langen Küchenmesser im Beisein einiger seiner Kinder auf seine Ehefrau eingestochen. Vorher soll sich bei ihm die Vermutung bestätigt haben, dass seine Frau einen neuen Freund habe, eine eigene Wohnung anmieten und sich von ihm trennen wollte.
„Herr Richter, ich weiß, dass ich meine Frau verletzt habe, aber ich wollte es nicht“, sagte der Angeklagte unter Tränen, der nach Zeugenaussagen nach der Tat vollkommen „neben sich gestanden haben soll“.
Die Ehefrau, die inzwischen mit einem neuen Partner zusammen lebt, erlitt zwei Stichverletzungen am Oberschenkel und zwei weitere Stichverletzungen am Oberarm mit Folge einer akut lebensgefährlichen Verletzung der Lunge. Eine Notoperation rettete ihr das Leben. Noch heute leidet sie unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tat.
Strafverteidiger Salewski legte der Staatsanwältin und den Richtern einen Zahlungsnachweis vor, der beinhaltete, dass der Angeklagte bereits einen Geldbetrag im Zusammenhang mit einem Täter-Opfer-Ausgleich an seine von ihm inzwischen getrenntlebende Ehefrau überwiesen hat.
„Ich will keine Rache und auch nicht, dass er ins Gefängnis muss, ich will einfach nur meine Ruhe haben“, sagte die Ehefrau des 45-Jährigen, die als Nebenklägerin auftritt und ergänzte, „mit der Untersuchungshaft ist er gestraft genug und die Kinder müssen ja auch betreut werden”.
Mit einem Urteil ist Mitte Juli zu rechnen. Der Angeklagte hofft, dass die Richterinnen und Richter der Großen Strafkammer dann ein Strafmaß verkünden, dass eine Aussetzung zur Bewährung zulässt.