HATTINGEN „POSTKOLONIAL“

Pickelhaube vor Rathaus (Foto: HATTINGEN ZU FUSS)

Hattingen- Was verbindet eine Stadt wie Hattingen mit dem Kolonialismus? Eine Stadt ohne Hafen, in dem Güter aus den Kolonien ankommen und ohne große Firmen, die ihren Aufstieg den Kolonien verdanken. Dieser Frage geht die neue Hattingen zu Fuss-Stadtführung „Hattingen postkolonial“ nach, die ab Mitte Mai 2023 buchbar ist.

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Stadtführer Lars Friedrich (54): „Tatsächlich hat Hattingen auch eine koloniale Vergangenheit: Hattinger Kaufmannsfamilien finanzierten ihren Wohlstand mit Waren aus dem globalen Süden, Hattinger Bürger organisierten sich in der Deutschen Kolonialgesellschaft oder kämpften in den Kolonien.“ Und in den Kolonialwarenläden deckten sich Hattinger Hausfrauen mit exotischen Produkten ein, die schnell vom täglichen Speiseplan nicht mehr wegzudenken waren.

Erinnerungsorte mit Geschichte

„Noch heute erinnern in Hattingen Straßennamen an Akteure des wilhelminischen Kolonialismus wie an Reichskanzler Bismarck oder an Kriegsminister Roon“, ergänzt Friedrich. Bei seiner neuen Stadtführung setzen sich die Teilnehmenden an zahlreichen Erinnerungsorten mit der Geschichte des Kolonialismus als Teil der Hattinger Stadtgeschichte kritisch auseinander und werfen einen Blick auf den alltäglichen Neokolonialismus unserer Zeit.

Pickelhaube vor Rathaus (Foto: HATTINGEN ZU FUSS)

Die kolonialen Produkte sind bekannt: In Hattingen wurde Baumwolle aus Niederländisch-Guayana versponnen, Eisenerz aus Französisch-Nordafrika verhüttet oder mit Kaffee, Tee, Kakao, Tabak, Kautschuk und Baumwolle aus Übersee gehandelt. Auch die Nutznießer der Kolonialpolitik sind bekannt: die Familien Gethmann und Hill, „Hildebrandt Kaffee“-Gründer Otto Berghoff und Nazi-Politiker Wilhelm Schepmann. Selbst die wilhelminische Kolonial-Begeisterung ist dokumentiert: 1891 wurde die Hattinger Abteilung der „Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG)“ gegründet, der 1911 ein eigener Frauenbund und eine Jugendgruppe folgten. Lars Friedrich: „Während viele Hattingerinnen und Hattinger am Handel mit Waren aus dem globalen Süden verdienen, verteidigt der Hattinger Wilhelm Olf als Marinesoldat die Interessen des Kaiserreiches in der chinesisches Kolonie Kiautschou.“ 1914 geriet der spätere Hüttenarbeiter dort nach der Belagerung von Tsingtau in chinesische Kriegsgefangenschaft.

Die Stadtführung „Hattingen postkolonial“ dokumentiert aber nicht nur die Spuren des Kolonialismus in Hattingen. Lars Friedrich: „Dialogisch entdecken die Teilnehmenden auch den in vielen Bereichen unseres heutigen Lebens nachweisbaren Neokolonialismus, denn noch immer profitieren wir ökonomisch, politisch und kulturell von den Strukturen der Unterdrückung und Ausbeutung, die vor 1919 geschaffen wurden.“ So geht es bei dieser Tour auch nicht um klassische Sehenswürdigkeiten, sondern um politische Bildung im Stadtraum.

Die 90-minütige Hattingen zu Fuss-Stadtführung ist für Schulklassen ab Jahrgangsstufe 8 und für Gruppen bis 25 Personen hier buchbar.