FRANK MIELKE: EIN GESAMTSCHUL-NEUBAU HÄTTE UNSEREN HAUSHALT 65 JAHRE BELASTET

Kämmerer Frank Mielke (SPD) (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen- In der Diskussion um den Anbau der Gesamtschule an der Langen Horst wird vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Gilbert Gratzel in der Stadtverordnetenversammlung der Abriss und komplette Neubau ins Spiel gebracht. Dieser kostet nach seinen Schätzungen 20 bis 25 Millionen Euro, andere sprechen in der gleichen Stadtverordnetenversammlung von 30 Millionen. Eine Summe, die angesichts der oft mühsamen und kleinteiligen Sparbemühungen der zurückliegenden Jahre, gigantisch wirkt. Gratzel begründet seinen Vorschlag damit, dass Kredite aktuell „nichts kosten“. Grund genug bei Kämmerer Frank Mielke (SPD) nachzufragen.

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RuhrkanalNEWS: Herr Mielke, als Sie den Vorschlag eines Neubaus, mit der damit verbundenen Investitionssumme, hörten, ist Ihnen das Herz kurzfristig in die Hose gerutscht?
Frank Mielke: Nein, in die Hose gerutscht ist da nichts, aber ich habe mich gewundert, da die Diskussion in den vergangenen Jahren immer darum ging Schulden abzubauen. Natürlich haben wir auch immer Geld für Investitionen ausgegeben und das machen wir auch weiterhin. Dafür sind wir als Verwaltung ebenso da, wie die Stadtverordneten. Aber die Größenordnung, die gestern so leichtfertig in den Raum gestellt wurde, ist natürlich ein beachtliches Volumen. Und diese Summe bekommt man auch nicht, wie suggeriert wurde, kostenlos. Die Kredite die zur Zeit zinslos oder sogar mit einem kleinen Negativzins vergeben werden, sind kurzfristige Kassenkredite und keine langfristigen Investitionskredite.
RuhrkanalNEWS: Wie lange würde so ein Kredit denn den Haushalt belasten?
Frank Mielke: Schulen werden über 65 Jahre abgeschrieben. Aber realistisch ist es, eine solche Summe über 30 Jahre aufzunehmen. Das ist derzeit für etwa ein Prozent zu bekommen. Das klingt nicht viel, aber es muss ja eben auch die Tilgung gezahlt werden. Ein Investitionskredit ist ja nichts anderes als ein Ratenkauf. Wir schreiben diese Kredite über 65 Jahre ab, da wäre der Zinssatz wahrscheinlich noch etwas höher. Wenn die Stadtverordnetenversammlung also eine Neuverschuldung von 30 Millionen Euro beschlossen hätte, hätte das den Haushalt jedes Jahr mit 500.000 Euro mehr belastet, als der Kredit für die jetzt geplante Umbaumaßnahme. Mal abgesehen davon, sind 30 Millionen Euro mehr Geld, als wir im ganzen Jahr 2021 für Investitionen in ganz Hattingen zur Verfügung haben. Und diese Summe wäre in ein einziges Projekt geflossen.
RuhrkanalNEWS: Haben sich Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung vorher bei Ihnen nach den langfristigen Auswirkungen für den Haushalt erkundigt?
Frank Mielke: Ja, das haben einige Stadtverordnete gemacht. Das waren dann auch die, diesen Vorschlag in der Stadtverordnetenversammlung nicht thematisiert haben. Denn denen konnte ich auch erklären, dass die Tilgungen als konsumptive Ausgaben gezahlt werden müssen, die das Ergebnis direkt belasten. Wir hätten also, über die Abschreibungsdauer von 65 Jahren, diese zusätzliche Belastung, also über die jetzigen Planungen hinaus, von 500.000 Euro mitgeschleppt. Nochmal, wir müssen investieren in unserer Stadt. Wir müssen bauen und erhalten. Wir haben die Herausforderungen bei Kita, OGS, allen Schulen, eigentlich bei allen Gebäuden und Gütern die der Stadt gehören. Das kostet Geld und das ist Sinn und Zweck des Etats. Der Etat ist ja kein Selbstzweck zum Sparen, sondern er ist dafür da ihn auszugeben und Infrastruktur zu schaffen. Aber so wie ich mich auf der einen Seite nicht totsparen darf, darf ich mich auf der anderen Seite auch nicht übernehmen.
RuhrkanalNEWS: Haben Sie den Eindruck, dass der Vorschlag auch vor der Kanalnetzübertragung beim damaligen Schuldenstand gekommen wäre oder ist er auch ein bisschen der Ausdruck einer „Uns geht es wieder gut“-Haltung?
Frank Mielke: (lacht) Das ist natürlich jetzt natürlich sehr spekulativ. Vor der Kanalnetzübertragung hätte es ja auch heißen können „Wir haben so viele Schulden, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.“. Beide Sichtweisen halte ich für grundverkehrt.
RuhrkanalNEWS: Etwas untergegangen in der Diskussion ist ihre Mitteilung zum Entwurf des Jahresabschlusses. Wie froh sind Sie über dieses Ergebnis, das sich da ankündigt?
Frank Mielke: Wir haben zum fünften mal in Folge einen positiven Abschluss geschafft. Das hat es so, seit Gründung der neuen Stadt Hattingen im Jahr 1970, noch nie gegeben. Stolz bin ich darauf, dass wir dieses Ergebnis „echt“ erzielt haben, also ohne irgendwelche legale Buchungstricks, die uns die Landesregierung erlaubt hat, um Corona-Schäden über 50 Jahren abzuschreiben. Das ist uns gelungen, da wir frühzeitig reagieren konnten und reagiert haben. Wir haben dazu ein Corona-Controlling eingeführt. Geholfen hat uns auch, das muss man ehrlich zugeben, eine großzügige finanzielle Corona-Unterstützung durch Land und Bund. Allerdings gab es diese Unterstützung nur einmalig. Für das Jahr 2021 werden wir keine Unterstützung bekommen, wurde uns mitgeteilt. In 2020 hat uns die Erstattung der weggebrochenen Gewerbesteuer geholfen und eine Restzahlung aus den Mitteln des Stärkungspaktes. Das in Kombination mit eigenen Anstrengungen und vorsichtiger Haushaltsführung führt zu einem Überschuss von zur Zeit 150.000 Euro. Bei einem Gesamtetat von 170 Millionen wird allerdings auch deutlich, wie dünn das Eis nach wie vor ist.
RuhrkanalNEWS: Was passiert mit dem Überschuss, den die Stadt jetzt zum fünften mal in Folge erwirtschaftet hat?
Frank Mielke: Erstmal will ich ganz deutlich machen, dass wir über einen Entwurf reden, der auch noch nicht final ist. Aktuell deutet sich sogar an, dass der Abschluss einen etwa 300.000 Euro höheren Überschuss ausweisen wird, als in der Vorlage angegeben. Der fertige Entwurf wird geprüft und in der kommenden Stadtverordnetenversammlung höchstwahrscheinlich genehmigt. Der Überschuss geht in die Bilanz, verringert dort unser negatives städtisches Eigenkapital von zur Zeit 80 Millionen Euro. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir diesen kleinen aber wichtigen Überschuss nur dank der guten Arbeit der Beschäftigten, in den verschiedenen Abteilungen unserer Stadt, erwirtschaften konnten.
RuhrkanalNEWS: Vielen Dank für das Gespräch.