Hattingen- Der Finanzstatus der Stadt ist bei jeder Stadtverordnetenversammlung ein wichtiger Tagesordnungspunkt. Auch wenn Kämmerer Frank Mielke (SPD) jedesmal betont, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, die sich schnell wieder ändern kann. In Corona-Zeiten ist diese Momentaufnahme allerdings ein wichtiger Orientierungspunkt, der Hinweise darauf gibt, wie die Stadt zum Jahresende dastehen wird.
Fassen wir es kurz zusammen: Es wird bitter! Nur wie bitter, das kann heute noch niemand seriös sagen. Das hängt auch davon ab, wie stark Land und Bund den Kommunen unter die Arme greifen. Und noch viel wichtiger, unter welchen Bedingungen (s.u.)
Frank Mielke stellt direkt zu Anfang klar, dass Themen wie Haushaltssperre oder Nachtragshaushalt noch nicht diskutiert werden und dass es dazu auch noch viel zu früh im Jahr ist. Aber es wird deutlich, der Haushalt gerät von zwei Seiten unter Druck. Zum einen durch Mindereinnahmen bei Steuern und Abgaben zum anderen durch Mehrausgaben im Rahmen der Corona-Vorsorge.
Gewerbesteuern brechen aktuell in Hattingen stark weg. Einige Unternehmen haben um Stundung gebeten, andere haben ihre Vorauszahlungen aufgrund aktueller Umsatzrückgänge stark reduzieren können. Allein hier beläuft sich der Einnahmerückgang für die Stadt auf 3,7 Millionen Euro. In der Parkraumbewirtschaftung liegen die Einnahmen aus Parkscheinautomaten und Parkhäusern momentan 150.000 Euro niedriger, als erwartet. Durch den Verzicht auf Kita-Gebühren wegen Schließung der Kindergärten hat die Stadt 500.000 Euro weniger eingenommen. “Ich hoffe aber, dass das Land davon die Hälfte übernimmt,” sagt Frank Mielke. “Aber auch eine viertelmillion Euro Mindereinnahmen sind eine Herausforderung.”
Die Mehrausgaben setzen sich aus Corona-bedingten zusätzlichen Personalkosten und Kosten für Schutzkleidung zusammen, dazu kommen erhöhte Reinigungs- und Desinfektionskosten für die Dienstkleidung bei Feuerwehr und Rettungsdienst. Das macht schon 200.000 Euro aus. Die Summe aus Mindererträgen und Mehrkosten beziffert der Kämmerer insgesamt mit 4,5 Millionen Euro.
Hinzu kommen möglicherweise weitere Kosten im Millionenhöhe für Sozialdienstleister, bei denen aktuell nicht klar ist, wer diese Mehrausgaben tragen muss. Wenn es ganz schlecht läuft wird davon ein großer Teil oder sogar alles im städtischen Etat abgeladen.
Kritik an Konzept-Planungen des Landes
“Kommen wir nun zu den Planungen des Landes, wie die Kommunen mit diesen finanziellen Belastungen durch Corona umgehen sollen”, leitet Frank Mielke zum letzten Teil seiner Ausführungen über. “Ich hoffe allerdings, das diese Planungen niemals umgesetzt werden.” Die Planungen des Landes sind demnach eine Mischung aus Buchungstricks und Belastung der nächsten Generationen. Zum einen möchte NRW ermöglichen, dass die Corona-Finanzschäden im Haushalt der Stadt isoliert auftauchen. Sie würden dann als Anlagevermögen gewertet und hätten den gleichen Stellenwert wie beispielsweise ein neues Schulgebäude.
Dieses Anlagevermögen würde dann, ebenfalls wie ein neues Schulgebäude, über viele Jahre abgeschrieben. Das “Corona-Anlagevermögen” dürfte, nach dem ersten Strategiepapier der Landesregierung, ab 2025 über 50(!) Jahre abgeschrieben werden. “Das würde bedeuten, dass wir die Schulden durch Corona über drei Generationen mitschleppen”, erklärt Frank Mielke. “Mal ganz abgesehen davon, gibt es momentan kaum Geldhäuser, die einen Kredit über einen so langen Zeitraum am Kommunen vergeben würden. Falls es überhaupt eins gibt.” Zu welchen Zinsen derartige Kredite kalkuliert werden müssten, könne demzufolge auch niemand sagen, aber sicher sei, die aktuelle Niedrigzinsphase lasse sich auf so einen Kredit nicht übertragen.
Anmerkung der Redaktion: Was bedeuten Schulden/Abschreibungen über 50 Jahre?
“Schulden über drei Generationen strecken!”, das war der empörte Aufschrei aus den Reihen der Stadtverordneten, als Frank Mielke das Strategiepapier des Landes vorstellte. Doch was bedeutet das Konkret. Stellen wir uns vor, es hätte bei der Ölkrise 1973 bereits ein kommunales Finanzmanagement wie heute gegeben. Die Schäden durch autofreie Sonntage, Einnahmeausfälle durch die Ölpreis-bedingten Gewerbesteuereinbrüche und höhere Ausgaben für zusätzliches Personal zur Kontrolle des Fahrverbotes wären in einen Sonderhaushalt geflossen. Dort hätte man damals das Anlagevermögen “Ölkrise” gebildet. Dann würde der städtischen Haushalt bis heute von der Rückzahlung belastet. In drei Jahren würden die Stadtverordneten aufatmen, dass dieser Posten endlich aus dem Haushalt verschwindet und nun wieder mehr Bewegungsspielraum zur Stadtentwicklung gegeben ist. Genau so ein Szenario möchte das Land in seinem ersten Strategiepapier nun den Städten und Gemeinden aufbürden.