Hattingen – Donnerstag, 5. Mai 2025, 7:30 Uhr. Für viele Menschen aus der Medienwelt eine Zeit, zu der normalerweise nur der Wecker bimmelt – aber an diesem Morgen ist alles anders. An der Gemeinschaftsgrundschule Heggerfeld liegt Vorfreude in der Luft. Das Projekt „brotZeit“ wurde offiziell vorgestellt – ein Herzensprojekt, das nicht nur den Magen, sondern auch die Seele wärmt, denn im Mittelpunkt steht: Frühstück & Menschen.
Ein Projekt, das Menschen verbindet
„brotZeit e.V.“ – das klingt nüchtern. Dahinter aber steckt ein Anliegen, das zutiefst menschlich ist. Gegründet wurde der Verein vor 16 Jahren von Uschi Glas. Aus Fassungslosigkeit darüber, dass im reichen München jedes fünfte Kind ohne Frühstück zur Schule geht. Diese Erkenntnis war kein Zeitungsartikel, den man überfliegt. Sie war ein Weckruf – und sie wurde zur Bewegung.
Heute ist „brotZeit“ an Schulen in ganz Deutschland aktiv. Und seit kurzem auch in Hattingen. An der GGS Heggerfeld gab es von der ersten Idee bis zur ersten Scheibe Brot fast zwei Jahre Vorbereitungszeit. Zwei Jahre voller Gespräche, Bürokratie, Raumpläne, Kühlschrankfragen und einem Hausmeister, der kurzerhand seine Werkstatt räumte. Im urigen Gewölbekeller musste der Putz erneuert werden, damit er lebensmittelkonform ist – alles Dinge, die auf keinem Hochglanz-Flyer stehen, aber ohne die es nicht geht.
„brotZeit e.V.“ © RuhrkanalNEWS Holger Grosz
Bürokratie trifft Herzblut
Die Liste der zu beteiligenden Behörden war lang – Ordnungsamt, Gesundheitsamt, Veterinäramt, Feuerwehr, Schulamt. Es wäre zum Verzweifeln, wenn nicht Menschen wie Frau Nölle von „brotZeit“ dabei wären. Mit Energie, Herz und einem unerschütterlichen Willen, etwas zu bewegen. Sie koordiniert das Projekt in gleich neun Städten – und sagt über Hattingen: „Nirgends war die Resonanz so groß wie hier.“
Gesucht wurden zehn Ehrenamtliche. Vierzig meldeten sich. Eine Quote, von der jede Initiative nur träumen kann. Die Stadt Hattingen spendierte Geschirr. Die Kühlgeräte kamen vom Verein. Die Lebensmittel liefert Lidl – alle 14 Tage frisch aus dem Großlager in Grevenbroich. Ein ganzer Lkw, der neun Schulen an einem Tag anfährt. Das ist nicht nur Logistik, das ist gelebte Verantwortung.
Frühstück ist mehr als nur Essen
Seit vier Woche bekommen die Kinder der Heggerfeldschule jeden Morgen ein kostenloses Frühstück. Ab 7:00 Uhr sind zwei Ehrenamtliche vor Ort und decken das Buffet. Um 7:30 Uhr öffnen sich die Türen – manchmal auch ein paar Minuten früher, wenn die ersten Kinder schon neugierig anklopfen.
Es gibt Brot, Aufschnitt, Obst, Saft und einen Müslitisch. Die Kinder schmieren sich ihre Brote selbst – wer’s noch nicht kann, lernt es eben. Brotzeit ist kein Catering. Es ist eine Schule im Kleinen. Für Selbstständigkeit, Rücksicht, Gemeinschaft. Es wird gelacht, gequatscht, geteilt. Es wird nicht kontrolliert, wer wie viel isst – es zählt das Dabeisein.
Ein Schüler sagte ganz offen: „Ich frühstücke zuhause. Ich komm nur zum Quatschen mit meinen Freunden.“ Ehrlicher kann man den Wert dieses Angebots nicht beschreiben.
Nicht alles läuft rund – aber vieles läuft besser
Trotz aller Freude gibt es auch Schatten. Das neue OGS-Gesetz ab 2026 wirft Fragen auf. Dürfen „brotZeit“-Frühstücke in OGS-Räumen stattfinden? Was, wenn Kinder aus unterschiedlichen Betreuungsformen nicht gemeinsam frühstücken dürfen? Die Angst: Ausgerechnet ein soziales Projekt könnte durch ein anderes behindert werden. Dabei geht es doch um das Gegenteil – ums Zusammenführen, nicht ums Trennen.
Aber heute dominieren die positiven Eindrücke. Die Kinder waren fröhlich, höflich, interessiert. Kein Lärm, kein Chaos, keine kleinen Paschas, wie manche Klischees es gerne zeichnen. Einfach Kinder, die sich freuen, dass jemand an sie gedacht hat.
Frühstück mit Zukunft
„brotZeit“ ist mehr als ein Brötchen auf dem Teller. Es ist ein Zeichen. Dafür, dass niemand leer ausgehen muss – weder beim Essen noch bei der Aufmerksamkeit. Es ist ein Ort, an dem Kinder mit gestärktem Bauch und gestärktem Selbstwert in den Tag starten. Und es ist ein Dankeschön an all die Ehrenamtlichen, die früh aufstehen, um anderen einen guten Morgen zu bereiten.
Ein großes Projekt im Kleinen. Mitten in Hattingen. Und mit ganz viel Herz. Chapeau!