Hattingen – Was der Stadtrat seit Jahrzehnten anstrebt, wird am Gymnasium Holthausen längst mit Leben gefüllt: eine internationale Freundschaft, die Bestand hat. Seit 40 Jahren pflegt die Schule einen engen Austausch mit einer Partnerschule in Budapest – genauer gesagt im Stadtteil Csepel. Eine Verbindung, die mehr ist als ein netter Ausflug ins Ausland – hier treffen zwei Städte mit ähnlicher Geschichte aufeinander, verbunden durch ihre Vergangenheit und den Wunsch nach Verständigung.
Schüleraustausch mit Csepel verbindet Hattingen über Grenzen hinweg
Csepel und Hattingen: Zwei Orte, die auf den ersten Blick unterschiedlich wirken, sich bei näherem Hinsehen aber stark ähneln. Beide Industrieorte verloren Ende der 1980er-Jahre ihre wirtschaftliche Grundlage: In Hattingen schloss die Henrichshütte, in Csepel das gleichnamige Stahl-, Automobil- und Lkw-Werk. Der wirtschaftliche Umbruch wurde zur gemeinsamen Erfahrung – und zum Boden für eine nachhaltige Schulpartnerschaft.
Schüleraustausch mit Ungarn © RuhrkanalNEWS Holger Grosz
Abenteuer zwischen den Systemen
Der erste Schüleraustausch liegt nun 35 Jahre zurück. Damals reisten die Jugendlichen noch durch den Eisernen Vorhang – 22 Stunden Busfahrt mit strengen Kontrollen an den Grenzen des Warschauer Pakts. Später war der Zug die schnellere Alternative – 13 Stunden dauerte die Fahrt. Eine Geschichte aus jener Zeit ist bis heute legendär: Ein Schüler bemerkte im Zug, dass er seinen Pass vergessen hatte. An der Grenze versteckte er sich unter der Sitzbank, umringt von Mitschülern und musikalisch getarnt durch eine Gitarre – das Improvisationstalent der Gruppe siegte. In Budapest angekommen half schließlich die deutsche Botschaft mit einem Ersatzdokument.
Großer Empfang im Rathaus
Zum diesjährigen Besuch reisten über 40 Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte aus Csepel nach Hattingen. Geplant war ein Empfang im Büro des Bürgermeisters – doch der Platz reichte nicht. Spontan wurde in den großen Sitzungssaal des Rathauses umgezogen. Bürgermeister Dirk Glaser empfing die Gäste persönlich, stellte sich vor und beantwortete die Fragen der Jugendlichen – etwa, wie man eigentlich Bürgermeister sein kann, ohne einer Partei anzugehören. Glaser lobte die langjährige Initiative beider Schulen: „Was ihr seit 40 Jahren lebt, ist mehr als ein Austausch – das ist echte Partnerschaft. Etwas, das wir auf städtischer Ebene bisher nicht umsetzen konnten.“
Mehr als nur Unterricht
Die ungarischen Gäste wohnen bei ihren Austauschpartnern in Hattingen – ganz privat. Viele von ihnen lernen Deutsch, doch wenn es sprachlich mal hakt, helfen Englisch oder Übersetzungs-Apps. Verständigung findet statt – mit Händen, Füßen und einem offenen Herzen. Das Programm ist vielfältig: Neben Ausflügen in die Region gehört auch eine Führung über das ehemalige Hüttengelände zum festen Bestandteil, geleitet vom Hattinger Stadtführer Lars Friedrich.
Verbindungen, die bleiben
Der Austausch ist mehr als eine Tradition. Er ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Verständigung über Grenzen hinweg funktionieren kann – mit Offenheit, Neugier und Respekt. Und während Politiker noch über Partnerschaften verhandeln, zeigen Schülerinnen und Schüler ganz selbstverständlich, wie Europa zusammenwächst: von Mensch zu Mensch.