Ruhrgebiet- Nach fast sieben Monaten im Lockdown nimmt der Tourismus im Ruhrgebiet wieder Fahrt auf. Wie der Neustart gelingen kann, war am Mittwoch (2. Juni 2021) Thema beim gemeinsamen Tourismusforum der sechs Ruhr-IHKs. Rund 100 Branchenexperten diskutierten online unter anderem mit NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart über Trends und Perspektiven für den Ruhr-Tourismus.
„Corona stellt zwar eine Zäsur für die Tourismusbranche im Ruhrgebiet dar, sie startet aber nicht bei null“, erläuterte Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen. Jaeckel erinnerte daran, dass der Ruhr-Tourismus vor der Pandemie von Rekordjahr zu Rekordjahr geeilt ist. „Die Corona-Pandemie, so schwer sie Betriebe getroffen hat, hat auch den Blick der Deutschen auf Urlaubsziele im eigenen Land gerichtet und zukunftsweisende Entwicklungen vorangetrieben, allen voran die Digitalisierung“, so Jaeckel. Der Ruhr-Tourismus könne auf erprobten Angeboten und modernisierten Strukturen aufbauen und sich weiterentwickeln. Jaeckel: „Die Krise bietet daher eine große Chance“.
„Wir wollen mit Zuversicht nach vorne schauen und Perspektiven für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen schaffen“, sagte Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: „Das Land unterstützt den Tourismus gezielt dort, wo Bedarf besteht: Das erfolgreiche Programm der Digital-Coaches haben wir daher auch für Gastronomie und Hotellerie geöffnet. Damit bieten wir den Betrieben persönliche, kompetente und unbürokratische Hilfe bei dem digitalen Wandel an und stärken so die Zukunftsfähigkeit der Branche.“
Uwe Suberg, Betreiber mehrerer gastronomischer Betriebe in Recklinghausen, Marl und Haltern, schätzt, dass „der Deutschlandtourismus in den kommenden Monaten und auch in den nächsten Jahren stark nachgefragt sein wird“. Diese Chance müsse das Ruhrgebiet nutzen und das Marketing für die Tourismusregion schnell und professionell verstärken. Dafür müsse ein entsprechendes Budget bereitstehen, forderte Suberg.
In diese Richtung geht bereits die Ruhr Tourismus GmbH (RTG). Sie plant, den Neustart mit einer Kampagne zum Aktiv-Tourismus zu unterstützen, kündigte RTG-Geschäftsführer Axel Biermann an. In einem zweiten Schritt wird ab September der Städte- und Kulturtourismus in den Fokus gerückt.
Trotz aller Freude über die ersten Lockerungen rechnet Haakon Herbst, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Nordrhein, nicht mit einer Erholung über Nacht. Sein Blick geht insbesondere auf die Unternehmen, die mit langfristig geplanten Veranstaltungen wie Messen, Konzerten, Tagungen oder Kongressen ihr Geld verdienen. „Erst wenn diese Events wieder verlässlich durchgeführt werden können, können Caterer, Hotels oder Restaurants wieder eigenständig und dauerhaft überleben“, unterstrich er. Um die Anlaufzeit nach dem Ende der pandemischen Beschränkungen zu überstehen, brauche es daher ein langfristiges Finanzierungspaket, eine Art Konjunkturprogramm für die Branche.
Einig sind sich viele Experten darin, dass sich dem Tourismus im Ruhrgebiet insbesondere im Bereich der Digitalisierung große Chancen bieten. RTG-Geschäftsführer Biermann betonte: „Als digitale Modelldestination NRW wollen wir den touristischen Content für die Künstliche Intelligenz der großen Plattformen wie Google oder Amazon sichtbar machen. Denkbar ist auch die Entwicklung eines digitalen Reiseführers für die Region mit vielen interaktiven Features.“ Florian Bauhuber vom Netzwerk Tourismuszukunft appellierte: „Während der Corona-Krise wurden neue digitale Praktiken erlernt, neue Formen des Reisens ermöglicht und neue Märkte geschaffen. Nun gilt es, diese neuen Möglichkeiten mit Angeboten zu füllen.“
Mit gutem Beispiel vorangegangen sind unter anderem die KAD Kongresse und Events KG (Herten), die Frank Schwarz Gastro Group GmbH (Duisburg) und die Alma-Park GmbH (Gelsenkirchen). Diese Unternehmen berichteten, wie sie die Krise dazu genutzt haben, bestehende Geschäftsmodelle kreativ und nachhaltig weiterzuentwickeln.
Eine große Herausforderung sieht RTG-Geschäftsführer Bier-mann allerdings darin, das rückläufige Geschäft mit Messen, Tagungen oder Kongressen zu kompensieren. „Da das Potenzial des Freizeittourismus im Ruhrgebiet im Vergleich zu anderen Destinationen wie Berlin oder Hamburg allerdings noch nicht ausgeschöpft ist, bieten sich uns hier noch Wachstumschancen“, so Biermann. Wichtig sei, authentische Angebote zu entwickeln. Dem schloss sich Haakon Herbst an: „Im Tourismus darf es nicht um Kirchturmdenken gehen, hier muss sich alles um die Produkte drehen. Mit Themen wie Fußball, Radtouren und Industriekultur sind wir ganz weit vorne. Jetzt noch ein wenig mehr Mut an der einen oder anderen Stelle und der Wandel im Pott gelingt!“
Auch Markus Riepe vom Familienunternehmen der Riepe Privat Hotels mit Standorten in Dortmund, Herdecke, Lünen, Unna und Witten blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir wissen, dass das Ruhrgebiet wirklich grün ist, viele Sehenswürdigkeiten bietet und insbesondere der Rad-Tourismus an Lippe und Ruhr immer mehr Gäste anzieht“.
IHK-Hauptgeschäftsführer Jaeckel resümierte: „Die Zukunft des Tourismus im Ruhrgebiet wird digitaler. Wenn uns der Spagat zwischen Digitalisierung und Authentizität gelingt, können wir für unsere Besucherinnen und Besucher einen ganz großen Mehrwert schaffen und die Tourismuswirtschaft im Ruhrgebiet stärken.“