NACH SCHICKSALSSCHLAG: MARKUS BERG FINDET IM JOBCENTER PERSPEKTIVE

Markus Berg an seinem Arbeitsplatz im Jobcenter EN in Schwelm: "Ich komme jeden Tag mit Freude zur Arbeit." (Foto: EN Kreis)

Ennepe-Ruhr-Kreis- „Nie wieder laufen, nie wieder arbeiten“: Als Markus Berg im Alter von 26 Jahren einen Schlaganfall erleidet, ist die Prognose der Ärzte brutal. Doch der junge Mann kämpft – mit Erfolg. Seit neun Jahren arbeitet der heute 41-Jährige beim Jobcenter EN und pendelt dafür täglich von Bochum nach Schwelm.

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Ansprüche prüfen und berechnen, Gelder auszahlen, Fragen beantworten. Die Aufgaben, die Berg im Arbeitsalltag bewältigen muss, sind durchaus komplex. „Die Bürgerinnen und Bürger haben oft ähnliche Fragen – aber im Detail ist jeder Fall doch wieder anders“, sagt er.

„Ich bekomme ein Kind, was ändert sich dadurch?“ „Darf ich umziehen?“ „Was muss ich beachten, wenn ich mit meinem Partner zusammenziehe?“ „Wieviel darf ich dazuverdienen?“ Und vor allem: „Wann kommt mein Geld?“ In den 20 Stunden telefonischer Erreichbarkeit, die Berg pro Woche anbietet, sind das die TOP 5 der Anfragen. Er muss dann beispielsweise prüfen, ob die neue Wohnung angemessen ist, inwiefern sich der Anspruch durch ein Kind oder einen Partner ändert.

Dafür arbeitet Berg eng mit den Integrationscoaches des Jobcenters EN zusammen, die die Gesamtsituation der Leistungsbeziehenden kennen und versuchen, sie in Arbeit zu vermitteln. Auch mit anderen Behörden – Elterngeldstelle, Wohngeldstelle, BAföG-Amt, Agentur für Arbeit, Rentenversicherung, andere Jobcenter – steht er häufig in Kontakt. Hier klärt er beispielsweise, ob noch Forderungen aus Darlehen oder ähnlichem gegenüber einem Bürger offen sind.

Dass der Bochumer heute einer Vollzeitstelle nachgeht, all diese Tätigkeiten ausüben kann, ist alles andere als selbstverständlich. In seinem Leben gibt es ein Vorher und ein Nachher.

Vorher, da studiert Berg Jura, läuft Marathon, absolviert sein Referendariat am Landgericht und in Kanada. Sechs Wochen hat der angehende Jurist noch Zeit, um für sein zweites Staatsexamen zu lernen, da reißt – ohne jegliche erkennbare Vorwarnung – seine Aorta. Es kommt zu einem Verschluss der Gefäße, die sein Gehirn versorgen, er erleidet einen Schlaganfall.

Die Ärzte im Krankenhaus kämpfen um sein Leben, schaffen es, die Verstopfung zu lösen. Der junge Mann überlebt, aber er ist halbseitig gelähmt und die Mediziner geben eine harte Prognose ab. Sein Gehirn sei zu lange unterversorgt gewesen, er werde nie wieder laufen und auch nie wieder arbeiten können. Das Nachher beginnt.

Berg will das nicht akzeptieren, will sein altes Leben zurück. Er kämpft, gibt täglich alles in der Physiotherapie, schafft tatsächlich – nach vier Monaten – seine ersten Schritte. Sie sind anstrengend, mühselig, aber ein Anfang. Das Gefühl in seiner linken Körperhälfte kehrt immer weiter zurück, nur der Arm bleibt funktionslos. Anderthalb Jahre nach dem Schlaganfall kann er wieder ohne Stock laufen, wenn auch nicht uneingeschränkt. Zurückgeblieben ist eine Fußheberschwäche, bedingt durch die Schädigung des zentralen Nervensystems.

Auch beruflich will Berg an das Vorher anschließen, der Prognose der Ärzte eine Absage erteilen. Nach zwei Jahren meldet er sich an, um das zweite Staatsexamen nachzuholen – und scheitert. Er muss feststellen, dass auch seine Konzentrationsfähigkeit, seine Leistungsfähigkeit gelitten hat, den Traum von der Arbeit als Jurist gibt er auf.

Doch Verzweifeln ist nicht Bergs Art. „Ich habe nach einer Tätigkeit gesucht, bei der ich von meinem Studium profitieren kann und mich für einen Verwaltungslehrgang für den Mittleren Dienst entschieden“, erzählt er. Nach einer befristeten Anstellung bei der Agentur für Arbeit fängt er vor neun Jahren beim Jobcenter EN an.

Da er als 100-prozentig schwerbehindert gilt, nicht voll leistungsfähig ist, unterstützt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die Beschäftigung, leistet eine Ausgleichszahlung. Denn Berg arbeitet zwar in Vollzeit, kann in den 39 Stunden aber nicht dieselbe Anzahl von Fällen bearbeiten wie andere Kollegen.

„Ich komme jeden Tag mit Freude zur Arbeit“, sagt Berg – und wer ihn dabei ansieht, weiß, dass das stimmt. „Es ist eine sinnvolle Arbeit. Wenn jemand nachgewiesen hat, dass er bedürftig ist, dann ist es richtig, dass geholfen wird.“ Und dann gibt es diese Momente, die ihn besonders glücklich machen. „Es kommt vor, dass Bürger anrufen und sagen ´Herr Berg, ich habe Arbeit gefunden. Ich möchte mich für Ihre Unterstützung bedanken´ oder ´Herr Berg, Sie gehen immer ans Telefon, sind immer nett´. Das ist eine tolle Bestätigung. Deshalb mache ich das hier gerne, deshalb weiß ich, dass ich hier richtig bin.“