Hattingen – Wenn die Johannisstraße zum Entdeckerpfad wird, der Duft von Flammkuchen durchs Krämersdorf zieht und auf dem Kirchplatz die Töpfe dampfen, dann ist klar: Der Kulinarische Altstadtmarkt (KAM) ist zurück – und mit ihm eine ganze Reihe von Nebenplätzen, Nebenschauplätzen und Nebensinnen. Zwischen Handwerk, Käse, Kreativem und Kirchengeläut zeigt sich Hattingen an diesem Wochenende von seiner vielfältigsten Seite.
Franzosen, Flammkuchen und feine Gesten
Im Krämersdorf der Franzosenmarkt. Gefühlt etwas kleiner als früher, aber mit allem, was dazugehört. Brot mit krachender Kruste, luftgetrocknete Salami, kräftiger Käse, frisch gebackener Flammkuchen und Seifen, die nach Lavendel und Urlaub duften. Der Ölstand fehlte zwar, aber dafür wurde umso herzlicher kommuniziert. Wer schon mal versucht hat, mit Händen, Füßen und einem breiten Grinsen ein Baguette zu bestellen, weiß: Das ist keine Einkaufsszene – das ist eine Performance. Und man liebt sie entweder – oder versteht sie nicht.
Fotos/Slideshow © RuhrkanalNEWS Holger Grosz
Handwerk schrumpft – Fragezeichen inklusive
Etwas weniger euphorisch zeigt sich der Handwerkermarkt. Die Stände werden von Jahr zu Jahr weniger. Woran liegt’s? Standmieten? Lieferprobleme? Schlechte Parksituation für Händler? Fragen, die sich aufdrängen. Denn die, die da sind, kommen seit Jahren – und scheinen zufrieden. Am Samstag gibt’s dieses eine Zeitfenster, in dem die Läden geschlossen haben und nur noch die Marktstände auf sind – aber das hilft dem Handwerk leider nicht. Vielleicht der verkaufsoffene Sonntag? Abhängig vom Wetter. Mal sehen, was geht.
Der KAM in der Hitze des Tages
Auf dem Kirchplatz brutzelt nicht nur das Essen, sondern auch die Luft. Die Sonne meint mehr als gut, denn Schatten ist rar. Wer Glück hat, ergattert einen Tisch an der Hauswand oder unter einem Sonnenschirm. Am Nachmittag bleibt der ganz große Ansturm vielleicht deshalb aus – verständlich. Aber wenn die Sonne untergeht, wird das wieder ein Sommerabend wie gemalt.
Der Kreativmarkt – das echte Herzstück
Wirklich spannend wird’s aber ein paar Gassen weiter. In der Johannisstraße, sonst eher abseits des Trubels, zeigt sich das eigentliche Highlight dieses Wochenendes: der Kreativmarkt, organisiert von Nettes Hattingen. Letztes Jahr Premiere mit acht Ausstellern, diesmal schon 17 Stände – eine Verdopplung, die sich sehen lassen kann.
Hier gibt es nichts von der Stange. Kein Import, keine Fabrikware. Stattdessen handgemachter Schmuck, gestrickte Taschen, Papeterie, Unikate mit Seele. Da gibt es Teelichter, die erst beim Abbrennen ihren Spruch auf dem Kerzenboden preisgeben. Oder Taschen, die mit bloßen Händen gestrickt wurden – aus einem Wollfaden so dick wie ein Gartenschlauch. Wer sonst online auf „Etsy“ surft, findet hier das echte Leben dahinter: Gespräche mit den Machern, Ideen, Auftragsarbeiten, individuelle Stücke.
Fotos © RuhrkanalNEWS Holger Grosz
Bemerkenswert: Mitmachen ist ausdrücklich erlaubt. Am Stand der POTTEERY konnte man seine eigene Tasse bemalen – die gebrannte Variante gibt’s bald im Laden. Eine Hattinger Künstlerin zeigte ihre Werke und bot Workshops an. Die Ideenschmiede war dabei, ebenso wie eine Töpferei aus Köln. Und viele der umliegenden Läden haben mitgezogen. Die Johannisstraße wurde zum Erlebnisraum – zum kreativen Wohnzimmer der Stadt.
Natürlich: Das Wetter hat’s leider etwas zu gut gemeint. Hitze ist kein Kaufanreiz, schon gar nicht für sperrige Waren. Kleine Mitnahmeprodukte unter sieben Euro gingen deutlich besser als handgefertigte Taschen für 85,- Euro. Aber: Das gehört dazu. Viele der Aussteller machen das als Hobby, andere leben davon. Die Resonanz war durchwachsen – aber das Potenzial ist riesig.
Fazit: Die Stadt lebt – aber sie lebt anders
Der Altstadtmarkt ist mehr als ein Fressfest. Es gibt Seitenarme, stille Schätze, überraschende Ideen. Der Kreativmarkt zeigt, was passieren kann, wenn Herzblut auf Organisation trifft. Wenn eine Nebengasse zur Hauptattraktion wird. Wenn Begegnung mehr zählt als Budenzauber.
Und das Schöne dabei: Man merkt, dass sich etwas entwickelt. Still, leise – aber mit Zukunft.
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