ERZIEHUNG ZWISCHEN REALER UND VIRTUELLER WELT

Jörg Winterscheid (Foto: Pielorz)

Hattingen- Von den virtuellen Medien geht ein starker Reiz aus, der insbesondere mit Kindern und Jugendlichen immer wieder zu Diskussionen führt. Dadurch entstehen im familiären Alltag nicht selten Spannungen und Konflikte. Das Ziel muss es jedoch sein, eine Balance zu finden zwischen der realen und der virtuellen Welt. Jörg Winterscheid, Heilpädagogische Ambulanz, gibt Antworten auf die Frage, wie das Verhältnis der beiden Welten zueinander aussehen sollte und wie man Kindern das ziemlich gut erklären kann.

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„Hilfreich ist dabei ein Film mit dem Titel ,Zwischen den Welten‘ von Astrid und Wilfried Brüning. Passend dazu gibt es ein Bilderbuch mit dem Titel ,Schlaumacherbuch‘. Und darum geht es: Die Autoren haben für Kinder verständlich dargestellt, wie ihre fantastischen Gehirnzellen funktionieren oder eben auch nicht. Mit Bildern und Fotos zeigen sie, dass es im Gehirn Neuronen gibt und wie sich diese entwickeln. Sie müssen, um überleben zu können, gefüttert werden und das machen Kinder mit ihren fünf Sinnen – Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen. So werden die Neuronen zu Wissensmachern. Am besten ist es, wenn dabei alle Sinne beteiligt sind. Forscher haben festgestellt, dass wir Lernstoff am besten durch eigenes Tun und eigenständiges Erklären behalten. Zählen lerne ich beispielsweise besser mit Nudeln als am Tablet, weil ich bei den Nudeln alle fünf Sinne brauche, während ich am Computer nur zwei Sinne, nämlich Sehen und (Zu)Hören benötige“, erklärt Jörg Winterscheid, der in seinem heilpädagogischen Alltag viele Kinder und Jugendliche durch ihre Lebensabschnitte begleitet.

„Wenn wir die Neuronen nicht bedienen, so die Aussage des Kinderbuches, dann verkümmern diese. Wenn wir aber die Neuronen regelmäßig füttern, werden sie alle zu Wissensmachern und vernetzen sich diese, dann sind sie Schlaumacher. Je mehr es von ihnen gibt, desto besser kommt das Kind im Leben zurecht. Im Buch wird das Beispiel einer Kirsche benutzt. Die Kirsche erfassen wir durch alle unsere Sinne. Und die brauchen wir auch, um sie beispielsweise von einer Erdbeere oder einem roten Punkt zu unterscheiden. Wir vermitteln den Kindern, dass es wichtiger ist, mit fünf Sinnen in der realen Welt zu lernen als nur mit zwei Sinnen in der digitalen Welt. Andererseits soll die digitale Welt keinesfalls verteufelt werden. Die Mediennutzung, beispielweise am Computer mit Lernprogrammen, hat natürlich ihren berechtigten Platz und ist vom passiven Medienkonsum wie Fernsehen oder Video zu unterscheiden. Mit Hilfe des Buches können auch Eltern nachvollziehen: Ein kleines Kind beginnt mit dem Greifen nach etwas. Es folgt das Begreifen mit allen fünf Sinnen von etwas und erst danach kommt die Stufe des Verstehens. Wir erwarten oft sehr früh von unseren Kindern, dass sie doch das verstehen müssen, was wir ihnen schon oft gesagt haben. Doch das ist im Kleinkindalter noch gar nicht möglich und daher sollen und müssen kleine Kinder lernen, ein NEIN zu akzeptieren. Verstehen kommt von Verstand und dieser entwickelt sich im Laufe des Alters. Nicht umsonst hat sich der Gesetzgeber bei der Strafmündigkeit und der Schuldfähigkeit auf das Alter von 14 Jahren festgelegt. Jüngere Kinder können die Folgen ihrer Handlungen in der Regel noch nicht abschätzen. Sie verstehen sie einfach noch nicht.“

Wie so oft im Leben kommt es auch im Verhältnis der realen und virtuellen Welt auf die richtige Mischung an. Die Zeit in der virtuellen Welt sollte nicht verboten, aber begrenzt werden. „Hier sind sich Wissenschaftler allerdings nicht einig, welche Zeitvorgaben richtig sind. Brüning empfiehlt bis zu einem Alter von sechs Jahren ein Verhältnis von 40 Minuten reale Welt mit zehn Minuten virtueller Welt. Je älter die Kinder werden, desto kürzer können die Zeiten in der realen Welt im Verhältnis zur virtuellen Welt werden. Für 18jährige beispielsweise werden zwanzig Minuten reale Welt zu zehn Minuten virtuelle Welt ins Verhältnis gesetzt. Es gibt allerdings auch Meinungen, beispielsweise von Serge Tisseron, der für unter Dreijährige überhaupt keinen Bildschirm für sinnvoll hält. Ein Handy wird erst ab neun Jahren für sinnvoll gehalten. Ich finde es wichtig, dass Eltern verstehen, dass Erziehung grundsätzlich eine Beziehung ist. Dazu gehört beispielsweise eine Vorbildfunktion, aber auch das Setzen von Regeln und Konsequenzen. Erziehung beinhaltet ein Abwägen von Situationen im Alltag, in denen ich beispielsweise mit einem Kind schon partnerschaftlich diskutieren kann oder in denen ein klares NEIN notwendig ist“, so Winterscheid.

Hier hat er selbst mit seinem Elternratgeber „Der Elterntrainer“, Edition Paashass Verlag, Tipps und Anregungen zusammengestellt. Wer sich zum Umgang mit digitalen Medien informieren möchte, findet im Netz weitere Informationen.

Kontakt:
Heilpädagogische Ambulanz Jörg Winterscheid
Hattingen (Verwaltung), Zum Ludwigstal 27a, 45527 Hattingen
Essen: Steelerstraße 354, 45138 Essen; Witten: Steinstraße 4, 58452 Witten
Telefon: 02324 – 38806
Mobil: 0171 – 5315883
Fax: 02324 – 38809
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