AUF ZUM „MASKENBALL“

Bürger halten sich an die "Masken-Pflicht" (Foto: Pielorz)

Ennepe-Ruhr-Kreis- Die Landesregierung NRW hat eine Maskenpflicht beschlossen. Mund und Nase müssen im Öffentlichen Personennahverkehr, beim Einkaufen sowie bei Dienstleistungen jeder Art textil bedeckt sein. Ich war am ersten Tag dieser Pflicht in verschiedenen Städten im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs. Eine Reportage über einen ganz besonderen Maskenball.

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Zunächst einmal vorweg: Die Verordnung der Landesregierung wird umgesetzt. Ja, mehr noch: Sie wird übereifrig umgesetzt. Denn von einer Verhüllungspflicht im öffentlichen Raum war und ist nicht die Rede. Doch genau das habe ich im Erscheinungsbild in den Städten als Regel erlebt. 

Ich starte meine Tour in Gevelsberg. Fußgänger sind sparsam unterwegs, Autofahrer umso mehr. Es ist voll auf den Straßen und – tatsächlich – man muss sich einen Parkplatz suchen. Mir begegnen Polizei (im Auto ohne Maske) und Ordnungsamt fußläufig auf Streife (mit Maske). Die Fußgänger hasten in ein Geschäft, erledigen notwendige Einkäufe. Und dann gibt es zwei Gruppen: Die einen ziehen nach dem Verlassen des Geschäftes sofort die Maske herunter, die anderen laufen über die ganze Mittelstraße mit Maske. Erstere beobachte ich längere Zeit – Maske auf, in ein Geschäft, raus aus dem Geschäft und Maske wieder runter – das mehrfach und kontaminiert ist alles, was geht. Na ja. Diejenigen, die die Masken auf Mund und Nase lassen, bekommen zunehmend Schnappatmung. Der ein oder andere ist puterrot im Gesicht. Es ist warm draußen und vielleicht kommt Bluthochdruck dazu. Was auffällt: unter textiler Abdeckung für Mund und Nase versteht die Politik ausdrücklich auch Schal und Tuch. Steht auch so in der Verordnung des Landes, scheint aber im Gehirn der meisten Menschen nicht angekommen zu sein. Denn auf solche Personen treffe ich kaum. Ein paar jüngere Menschen machen es, sonst – Fehlanzeige. 

Erstaunlich ist auch: Es gibt ja einen Mangel an Atemschutzmasken. Aber ich sehe nur: fast alle haben welche. In der Regel in weiß – also gekauft. „Phantom der Oper“ lässt grüßen – na, gut, das Phantom verdeckte seine Gesichtshälfte längsseits, wir sind ja auf Querformat angewiesen, um Mund und Nase zu bedecken. Machen auch alle. Ein echtes Phantom habe ich nicht gesehen. Das ist also verstanden worden. Ab und zu dann doch ein bunter Tupfer mit Selbstgenähtem in teilweise abenteuerlichem Design. Törtchen, Muffins. Wer es witzig findet, okay. Traurig sind eher Fragen in den elektronischen Medien, ob man jemanden kenne, der passend zum Design von Einschulungstornister und Turnrucksack eine Maske nähen könnte.

Auch in Hattingen halten sich Passanten an die „Masken-Pflicht“ (Foto: Pielorz)

Ennepetal, Schwelm, Hattingen – überall das gleiche Bild. Notwendiges erledigen und nix wie weg. Ich weiß auch nicht, warum die Menschen im öffentlichen Raum Masken tragen – der Mindestabstand ist kein Problem. Gefordert sind 1,5 Meter, aber überall sehe ich Schilder, auf denen zwei Meter eingefordert werden. Fast erscheinen die Maßnahmen wie ein gegenseitiges Sich-Überbieten – bloß in was? Sicherheit? Die Lust an der Selbstkasteiung? Ich weiß es nicht. Psychologen sagen, Selbstkasteiung (also sich selbst etwas zufügen) lindere schlechtes Gewissen. Dann hätten wir eine Debatte über Schuld und Sühne, über Gesellschaft und Ethik, über Kapitalismus und darüber, dass wir eben nicht alle gleich sind und auch niemals werden. Im Moment scheinen wir allerdings schon überfordert mit der Diskussion von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dass dem Schutz von Leben in der Corona-Krise nicht alles unterzuordnen sei. Mag vielleicht auch kein Zufall sein, dass es gerade der durch ein politisches Attentat in den Rollstuhl gezwungene Schäuble ist, der diese Debatte lostritt. 

Um beim Thema Maske nicht falsch verstanden zu werden: Auch ich bedecke selbstverständlich in den vom Gesetzgeber festgelegten Situationen Mund und Nase. Aber eben nur dort und das mit einer textilen Bedeckung aus meinem Kleiderschrank. Wie ziemlich viele Frauen habe ich Tücher und Schals in Hülle und Fülle. 

Wer immer noch glaubt, nur weil Geschäfte wieder öffnen dürften, allein die Chance auf Einkauf sei Freiheits- und Lebensgefühl, dem empfehle ich einen Gang durch verschiedene Innenstädte. Die Angst ist spürbar. Angst isst Seele auf und macht mir keineswegs Appetit auf einen Einkaufsbummel. Und um auch hier einem Missverständnis vorzubeugen: Viele Menschen erzählen mir, für sie sei nicht die Angst vor dem Virus der Grund für die Zurückhaltung, sondern die Angst um die eigene wirtschaftliche Zukunft und – schlicht gesagt – der fehlende Spaß am eben nicht entspannten Bummeln durch die Innenstädte. 

2 Kommentare zu "AUF ZUM „MASKENBALL“"

  1. Hierzu kommt dann aber noch, dass man filtrierende Halbmasken nur 75 Minuten tragen darf. Danach eine Pause von 30 Minuten, bei 3 Einsätzen pro Arbeitsschicht. Das besagt das Arbeitsschutzgesetz.
    Dann braucht ein Arbeitnehmer nur 6 Stunden arbeiten.

  2. Dr. Anja Pielorz | 27. April 2020 um 19:52 |

    Mal kurz ein paar aktuelle Zahlen für Interessierte: Der Ifo-Geschäftsklimaindex geht um 11,6 Punkte auf 74,3 Punkte zurück. Ist übrigens ein historischer Tiefstand. Der Einkaufsmanagerindex liegt bei minus 11 Punkten in der Industrie und bei minus 15,8 Punkten im Dienstleistungsbereich. Bedeutet Kollabieren der Binnen- und Exportnachfrage. 718.000 Betriebe haben bereits Kurzarbeit angemeldet, so die Regierungsstatistik. Ähnlich düster die Kommentierung des Konsumklimas, das die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg erhebt. Auch hier entsprechen die Zahlen einem „historischen Tiefstand“. Für die Beschäftigung bedeutet das nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB) Arbeitslosenzahlen von über drei Millionen in den nächsten Monaten. Würde die Wirtschaftstätigkeit sich jetzt wieder normalisieren, fiele die Beschäftigtenzahl dennoch um 470.000 Personen niedriger aus als 2019. Bei einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 8,4 Prozent, wovon das IAB ausgeht, steigt die Zahl der Kurzarbeiter auf 2,5 Millionen. Wen es richtig schlimm trifft, sind Gastronomie und Tourismus, aber auch Kulturschaffende jeder Art. Diese Branchen gehen nicht mit Sicherheitsabstand und Masken.

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