Essen/Hattingen – Selten waren die Unterschiede zwischen dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, dem Plädoyer des Strafverteidigers und dem Urteilsspruch der Richter so unterschiedlich wie am heutigen Tag.
Am Ende dürfte Strafverteidiger Rechtsanwalt Salewski zufrieden sein. Die Richter der 16. Großen Strafkammer beim Landgericht Essen folgten seinem Plädoyer und die 42-jährige Tankstellenräuberin muss nicht ins Gefängnis.

Tankstellenüberfall: Strafverteidiger Rechtsanwalt Tim Salewski neben der angeklagten 42-Jährigen im Landgericht Essen. (Foto: Höffken)
Diese hatte Mitte Mai 2025 die Tankstelle im Ortsteil Niederbonsfeld überfallen und dabei 1.240 Euro Beute gemacht. Der Tankstellen-Mitarbeiter wurde dabei von der 42-Jährigen mit einem Messer bedroht und zur Herausgabe des Bargeldes gezwungen.
Staatsanwältin: 6 Jahre und 6 Monate Gefängnis – sofortige Verhaftung da Fluchtgefahr
Als Staatsanwältin Kaufmann ihr Plädoyer hielt, zuckte die Angeklagte zusammen. 6 Jahre und 6 Monate sollte diese ins Gefängnis und noch im Gerichtssaal verhaftet werden, so das Plädoyer der Staatsanwältin.
Neben dem Raub auf die Tankstelle war ja auch noch die Erpressung der eigenen Tochter der Angeklagten Gegenstand der Hauptverhandlung sowie eine Betrugshandlung ebenfalls zum Nachteil der Tochter der 42-Jährigen. Dieses beurteilte Staatsanwältin Kaufmann als besonders verwerflich – Straftaten gegen die eigene Tochter. Auch das planvolle Vorgehen vor und nach der Tat des Tankstellen-Raubes kreidete die Staatsanwaltschaft der Angeklagten an.
Aber mit dem Urteilsspruch „Im Namen des Volkes“ kamen die Richter zu einem anderen Ergebnis. Das Messer war „nur“ Drohmittel und wurde nicht eingesetzt, der Überfall wurde als „minderschwerer“ Fall bewertet, bei den Betrugstaten gegen die eigene Tochter verneinten die Richter eine Gewerbsmäßigkeit, da diese erst ab drei Taten zur Anwendung kommt.
Somit gab es statt sofortiger Verhaftung und über sechs Jahren „Knast“ eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren, in der sich die Verurteilte drei Jahre lang straffrei führen muss. Außerdem muss die 42-Jährige ihrer Tochter in monatlichen Raten das erpresste Geld zurückzahlen.
Allerdings ist das Urteil nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft bereits angekündigt hat, gegen den Urteilsspruch Revision einzulegen.






























Vorausgesetzt, der Tenor wurde hier richtig wiedergegeben, wird das Urteil in der Revision vor dem BGH voraussichtlich keinen Bestand haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt ein „Verwenden“ eines gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) bereits dann vor, wenn der Täter ein Messer sichtbar als Drohmittel einsetzt und das Opfer dadurch eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben wahrnimmt.
Da die Angeklagte das Messer mit der Spitze auf den Kassierer richtete und dieser die Situation als bedrohlich empfand, spricht vieles dafür, dass die Qualifikation des besonders schweren Raubes erfüllt ist und demnach eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren zu verhängen wäre.
Die Bewertung des Gerichts, das Messer sei lediglich ein „Drohmittel“, wirkt widersprüchlich und dürfte dieser Rechtsprechung kaum standhalten.