MIT DEM KÖRPER HÖREN

Im Workshop tanzen gehörlose als auch schwerhörige Schüler (Foto: LWL)

Dortmund – Musik ist nicht nur das, was man mit den Ohren wahrnehmen kann: Das lernten Schülerinnen und Schüler in der Projektwoche an der Rheinisch-Westfälischen Realschule in Dortmund. Dort kam die ausgebildete Profitänzerin Kassandra Wedel, vielen bekannt aus der TV-Show „Deutschland tanzt“, mit Schülerinnen und Schülern der Förderschule des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zu einem HipHop-Workshop zusammen. Der Workshop war eine Kooperation mit dem Zentrum für Gehörlosenkultur aus Dortmund. In der LWL-Förderschule gab es in der Vergangenheit schon Workshops mit Tanzelementen aus dem Ballett, doch ein Workshop speziell mit Elementen des HipHops fand zum ersten Mal statt.

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Tänzerin Kassandra Wedel zu Gast in der Rheinisch-Westfälischen Realschule für Schüler mit Hörbehinderung

Kassandra Wedel ließ die Tanzbegeisterten der achten Klasse die Erfahrung machen, dass Tanzen auch ohne hörbare Musik möglich ist – es reichen die Vibrationen der Musikinstrumente, vor allem der Bässe des Subwoofers. Anstatt die Töne zu hören, fühle die Profitänzerin die Schwingungen der Töne, berichtet Wedel. Außerdem sorgten große Spiegel in der Turnhalle dafür, dass Wedel als Vortänzerin immer sichtbar blieb. Im Workshop beschäftigten sich die Schülerinnen mit ihrem eigenen Rhythmusgefühl und mit der Frage, was eigentlich Rhythmus bedeutet. Gleichzeitig lernten sie ein ganzes Repertoire an typischen Tanzbewegungen aus der HipHop-Szene kennen. Dabei probierten sie sich aus an roboterhaften Bewegungen, wilder Gestik, die an Bewegungen von Marionetten erinnern sowie an akrobatischen Drehungen verschiedener Körperpartien. Auch Improvisationstheater gehörte in der Woche mit zum Aufwärmprogramm. Am Ende hatten sich die Jugendlichen eine Choreografie erarbeitet, zu der sie auch eigene Tanz-Ideen lieferten.

Mitorganisator des Workshops Sebastian Tiedemann staunte über den Mut, den die Schüler beim Tanzen an den Tag legten. „Ich habe einige der Schüler zu Beginn des Workshops als sehr schüchtern kennengelernt und im Zuge des Projekts kam wirklich jeder immer mehr aus sich heraus“, sagt Tiedemann. „Das ist wirklich schön zu sehen, mit wieviel Spaß und Elan alle dabei sind und sich vor allem auf die anderen einlassen.“ Dies bestätigte auch die Profitänzerin, die während des Projekts viele verschiedene Charaktere kennenlernte. „Jeder hat viel Mut bewiesen, aus seiner Komfortzone herauszugehen“, lobt Wedel die Jugendlichen. Doch diese aus der Reserve zu locken, fiel Profitänzerin Wedel nicht schwer. „Frau Wedel war von Anfang an komplett auf die Schüler eingestellt, ihr war das Miteinander sehr wichtig“, sagt Sportlehrerin Lydia Wecker. Sie beobachtete, dass die Schüler sehr konzentriert und stets motiviert dabei waren und der bei den Jugendlichen sehr beliebten Profitänzerin regelrecht an den Lippen hingen. Ein Star zum Anfassen.

In dem Workshop tanzten sowohl gehörlose als auch schwerhörige Schüler mit, die Kommunikation funktionierte in Lautsprache, in Gebärdensprache, mit Gestik und Mimik – und manchmal einfach nur mit Händen und Füßen. Johanna Rempel war eine der Teilnehmerinnen des Workshops und sehr begeistert von dem Tanzstil. Bei den Übungen lernte sie ihren Körper und ihre Arme so zu bewegen, dass die Illusion entsteht, als flössen Wellen durch ihren Körper. „Das Tanzen mit Kassandra macht unglaublich viel Spaß, weil Kassandra gut erklären kann und ihre Mimik cool ist“, sagt die 14-Jährige. Aus dem Workshop nehmen sie und ihre Mitschüler mit, dass Musik nicht nur das ist, was man mit den Ohren wahrnehmen kann, sondern auch über Schwingungen zu erfühlen ist. Es kommt ganz auf die Wahrnehmung jedes Tänzers an, wie er mit dem Körper hört.

Hintergrund:
Die Rheinisch-Westfälische Realschule ist in der Trägerschaft des Landschaftsverbands Westfalen – Lippe (LWL). An der Schule werden aktuell 170 Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Hörschädigungen im Bildungsgang der Realschule unterrichtet. Da es die einzige Realschule für Hörgeschädigte in ganz Nordrhein-Westfalen ist, kommt die Schülerschaft aus dem ganzen Bundesland. Ungefähr ein Drittel wohnt aufgrund der Entfernung im LWL-Schülerinternat in Dortmund-Aplerbeck.
Darüber hinaus betreuen die Lehrkräfte der RWR derzeit 120 Schülerinnen und Schüler mit Hörschädigungen der Sekundarstufe I und Sek II an 62 Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen im westlichen Einzugsgebiet der Bezirksregierung Arnsberg.