BETREUERIN MISSHANDELTE IHREN BEHINDERTEN BRUDER

Amtsgericht Hattingen: Sitzordnung im großen Sitzungssaal. (Foto: Höffken)

Hattingen/Sprockhövel – Eine 68-Jährige hatte sich heute (17. September 2025) vor dem Hattinger Schöffengericht zu verantworten. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, in diesem Fall handelte es sich um ihren behinderten Stief-Bruder, und gefährliche Körperverletzung waren die Vorwürfe aus der Anklageschrift.

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Und die hatten bedeutende Gewichtung bei den sieben Handlungen, die Staatsanwalt Kocherscheidt beim Verlesen der Anklageschrift der Angeklagten vorwarf.

Die heutige Hauptverhandlung dauerte 6 ½ Stunden, bis Richter Kimmeskamp im Namen der drei Richterinnen und Richter des Schöffengerichtes sein Urteil verkündete.

Aber von vorn. Die 68-jährige Angeklagte war nach dem Tod der gemeinsamen Eltern vom Gericht als Betreuerin für ihren mit dem Down-Syndrom geborenen und in Sprockhövel wohnenden Stief-Bruder eingesetzt. Und bei dieser Betreuung soll es einige Wochen lang zu Misshandlungen gegenüber dem Behinderten gekommen sein.

Im Jahre 2022, so das Ergebnis der mehrstündigen Vernehmung einer als Zeugin geladenen slowakischen examinierten Pflegerin, will diese deutliche Missstände bei der Pflege des 54-jährigen Behinderten durch die Angeklagte festgestellt haben. Diese Zeugin erbrachte tageweise haushaltsnahe Dienstleistungen und teilte sich mit der Angeklagten die Betreuung und Versorgung des am Down-Syndrom Erkrankten in dem Wohnhaus in Sprockhövel.

Angeklagte überfordert

Ein Biss ins Gesicht des Behinderten, Boxschläge in dessen Bauch, Schläge mit einem Reißverschluss-Pullover auf das unbekleidete Gesäß und den körperlich und geistig Behinderten auf den unteren drei Stufen einer Treppe zu Fall zu bringen, zeugten laut der Richter von einer im Tatzeitraum festgestellten Überforderung der Angeklagten bei der Betreuung ihres Bruders, aber auch von gefühllosem Verhalten und von Quälerei und Erniedrigung diesem gegenüber. Auch die beauftragte examinierten Pflegerin will, so ihre Aussage vor den Richtern, von der Angeklagten mit dem Reißverschluss-Pullover geschlagen worden sein.

Nachdem die slowakische Zeugin wegen der festgestellten Missstände in einer Apotheke eine Mitarbeiterin um Hilfe bat, schaltete diese unverzüglich die Polizei ein. Die Polizei stellte dann später in dem Wohnhaus auch noch mit Holzbalken verriegelte Türen fest, die dafür sorgten, dass die als Pflegerin eingestellte Frau sich in dem Haus nicht mehr frei bewegen konnte, um nach dem Behinderten zu sehen. Der Behinderte kam noch am Tag des Polizeieinsatzes in ein Krankenhaus, anschließend in eine Pflegeeinrichtung und verstarb einige Monate später.

Die Angeklagte machte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, ihr Verteidiger sah die Anklagevorwürfe nicht unbedingt bestätigt, zumal auch die Polizei später keine Verletzungen bei dem Behinderten feststellen konnte. Während Staatsanwalt und Richter die mehrstündige Aussage der Zeugin als uneingeschränkt glaubwürdig bewerteten, sah der Verteidiger dieses nicht so und vermutete Problemstellungen zwischen der Zeugin und seiner Mandantin. Der Verteidiger befragte die Zeugin immer wieder recht offensiv zu ihren Aussagen, Feststellungen und Behauptungen.

Am Ende der mehrstündigen Beweisaufnahme plädierte Staatsanwalt Kocherscheidt in seinem Plädoyer an die Richter, wegen der Übergriffe der Angeklagten gegenüber ihrem behinderten Bruder gegen diese eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten zu verhängen. Mit „großem Bedenken“ plädierte der Staatsanwalt, diese Strafe für drei Jahre zur Bewährung auszusetzen. Neben der Bewährungsstrafe beantragte er, der Angeklagten eine Geldstrafe von 500 Euro für eine soziale Einrichtung aufzuerlegen.

Urteil „Im Namen des Volkes“

Der Verteidiger der Angeklagten plädierte am Ende seines 30-minütigen Vortrages auf Freispruch für seine Mandantin. Er zeigte kritisch auf, dass die Belastungszeugin ihren Vorgesetzten nicht zeitnah über die von ihr angeblich festgestellten bedeutenden Missstände informiert hatte und dass keine weiteren objektiven Beweise für die angeklagten Vorwürfe vorlägen.

Nach längerer Beratung verkündete der Vorsitzende Richter des Schöffengerichtes, Richter Kimmeskamp, dann das Urteil des Schöffengerichtes „Im Namen des Volkes“. Wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung wurde die bisher nicht vorbestrafte 68-jährige Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, diese Strafe sodann für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Als Geldauflage wurde der Angeklagten aufgegeben, 3.000 Euro an ein Kinderhospiz zu zahlen.

Gegen das heutige Urteil ist die Einlegung von Rechtsmitteln noch möglich.

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