ABSCHIED NEHMEN IM KLEINSTFORMAT

Kapelle Sprockhövel (Foto: Pielorz)

Hattingen– Corona hat unser Leben fest im Griff. Doch das Virus beeinflusst nicht nur den Freizeitbereich der Menschen, sondern auch sehr sensible und einzigartige Situationen. Dazu gehört die Bestattungskultur. Denn Trauerfeiern mit vielen Menschen wurden untersagt – wenn sie überhaupt stattfinden dürfen. Auch am Grab selbst darf nur noch im engsten Familienkreis Abschied genommen werden.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Die evangelische Landeskirche hat die Frage nach dem Stattfinden einer kirchlichen Trauerfeier klar beantwortet: Sie soll als Grundangebot erhalten bleiben, aber. „Dabei soll deutlich und konsequent auf die von den Behörden empfohlenen Schutzmaßnahmen hingewiesen werden (Verzicht auf Begrüßung durch Handschlag bzw. bei der Beileidsbekundung am Grab, Abstand zu anderen, Vorkehrungen persönlicher Hygiene etc.). Personen mit Symptomen von Erkältung oder grippalen Infekten oder mit Kontakt zu Träger des Corona-Virus sollen durch öffentliche Mitteilung im Vorfeld gebeten werden, auf eine Teilnahme zu verzichten. Alle Hinweise und Einschränkungen sind mit den Angehörigen anlässlich des Trauergesprächs zu erörtern. Ebenso sind die üblicherweise auf dem Friedhof tätigen Bestattungsunternehmen darüber zu informieren. Sollte im Anschluss an die Trauerfeier üblicherweise ein gemeinsames Kaffeetrinken in den Räumlichkeiten der Friedhofsträgerin stattfinden, ist in Absprache mit den Angehörigen darauf hinzuwirken, dass dieses gemeinsame Essen und Trinken nicht stattfindet.“ So steht es in einem Hinweis an die Bestatter. Diesen obliegt die Aufgabe der Umsetzung.

Auch die katholische Kirche hat Handlungsstrategien an die Bestatter gegeben. Aus dem Bischofshaus gilt die Verlautbarung: keine Beerdigungsämter, nur Beisetzungen im kleinen Kreis.
Allerdings: so richtig einig ist man sich auch nicht. Vor allem die zugelassene Personenzahl sorgt für Unruhe und wird in den Städten unterschiedlich gehändelt. Die Stadt Hattingen hat zunächst deutlich gemacht: Trauerhallen sind nur nutzbar für Bestatter mit Trägern, Redner sowie unmittelbare Nutzungsberechtige, also die Personen, die die Bestattung in Auftrag gegeben haben. Nutzungsberechtige mit einer Gehbehinderung dürfen eine Begleitperson mitnehmen. Der Mindestabstand von 2 m muss eingehalten werden.

Trauerfeiern/Verabschiedungen am Grab, die den oben genannten Personenkreis übersteigen, sind nicht zulässig. Auch hier muss der Mindestabstand eingehalten werden. Nachgelegt wurde kurz danach: Mit mehr als fünf Personen darf keine Trauerfeier mehr stattfinden. Die Kirchen in Hattingen haben sich im Hinblick auf die Personenzahl der Stadt angeschlossen. Die Stadt Sprockhövel schließt die Kapelle komplett. Am Grab darf nur die Familie stehen bis maximal 15 Personen. Die evangelische Kapelle in Sprockhövel hat geöffnet, lässt aber die Trauerfeier nur im engsten Familienkreis zu. Allerdings gibt es keine konkrete Personenzahl.

Roman Vosskühler, Bestattungen Vosskühler, beerdigt in Hattingen und Sprockhövel. „Ich muss mich mit allen Kunden in Verbindung setzen, die mich bereits für eine Beerdigung beauftragt haben. Die sind in der Regel mit größerer Personenzahl angesetzt. Das muss jetzt alles neu organisiert werden.“ Nicht immer stößt der Bestatter dabei auf Verständnis, denn das Verabschieden von einem lieben Menschen ist nun einmal eine sehr besondere Situation, die nicht nur einmalig, sondern vor allem auch nicht aufschiebbar ist.

Kapelle Sprockhövel Schild (Foto: Pielorz)

Kommentar von Dr. Anja Pielorz:


Kurz vor Weihnachten ist mein Vater verstorben. Er war ein geselliger Mensch und hat viele Jahre bei einem Hattinger Unternehmen gearbeitet. Schon lange war er in Rente, wurde aber immer noch regelmäßig zum Grillabend der Firma eingeladen. Deshalb war es eine große Beerdigung. Rund achtzig Menschen kamen, um sich von ihm zu verabschieden. Sie kamen zur Trauerhalle, gingen mit zum Grab und die meisten von ihnen kamen auch mit ins Restaurant. Es wäre nicht nur in seinem Sinn gewesen, es tat vor allem mir/uns als Angehörige(r) gut. Obwohl er viele Jahre krank war, kam sein Tod überraschend. Jetzt frage ich mich, wie die Beerdigung wohl heute abgelaufen wäre. In der Trauerhalle hätten wir maximal mit einer Handvoll Menschen gesessen. Am Grab hätten wir fast allein gestanden. Einen Restaurantbesuch hätte es gar nicht gegeben. Für mich ist ein solcher Gedanke unerträglich. In der Trauerbewältigung gehört das Teilen der Trauer mit vertrauten Menschen unbedingt dazu. Ich möchte über den Verstorbenen sprechen mit Menschen, die ihm nah waren und die ihn kannten. Menschen, die mit ihm gearbeitet haben. Die sich an ihn erinnern, die mit ihm gelacht haben. Ich kann verstehen, dass in diesen Tagen Vorsicht geboten ist. Ich kann verstehen, dass auf Umarmungen und Händeschütteln verzichtet werden soll. Ich finde Desinfektion und Mindestabstand in Ordnung. Ich kann nicht begreifen, dass es für diesen einen besonderen Anlass keine Ausnahmeregeln gibt. Auf eine Freizeitveranstaltung verzichten – in Ordnung. Selbst eine geplante Hochzeit kann man – mit schwerem Herzen – verschieben. Eine Beerdigung aber ist nicht aufschiebbar. Hier solche Regeln zu erlassen, die Angehörigen diesen gemeinsamen Trost nehmen, geht über jedes Maß und Mitte hinaus. Was hätte ich getan? Vermutlich hätte ich den Abschied privat zuhause stattfinden lassen. Darauf zu Verzichten hätte ich weder gekonnt noch gewollt.