Essen/Hattingen – Selten waren die Unterschiede zwischen dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und dem Urteilsspruch der Richter so unterschiedlich wie zuletzt beim Landgericht Essen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft unserer Redaktion auf Nachfrage bestätigt, dass sie gegen das Urteil der 16. Großen Strafkammer Revision beim Bundesgerichtshof einlegen wird.
Die Richter der 16. Großen Strafkammer beim Landgericht Essen folgten am 06. November dem Plädoyer von Strafverteidiger Tim Salewski aus Hattingen und verurteilten unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Fakten eine 42-jährige Tankstellenräuberin zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe. Danach muss sie nicht ins Gefängnis, bleibt in Freiheit und kann ihre neue Arbeitsstelle antreten.
Die Verurteilte hatte Mitte Mai 2025 die Tankstelle im Ortsteil Niederbonsfeld überfallen und dabei 1.240 Euro Beute gemacht. Der Tankstellen-Mitarbeiter wurde dabei von der 42-Jährigen mit einem Messer bedroht und zur Herausgabe des Bargeldes gezwungen.
Staatsanwältin: 6 Jahre und 6 Monate Gefängnis – sofortige Verhaftung da Fluchtgefahr
Als Staatsanwältin Kaufmann ihr Plädoyer hielt, zuckte die Angeklagte Anfang November zusammen. 6 Jahre und 6 Monate sollte diese ins Gefängnis und noch im Gerichtssaal verhaftet werden, so das Plädoyer der Staatsanwältin.
Neben dem Raub auf die Tankstelle war ja auch noch die Erpressung der eigenen Tochter der Angeklagten Gegenstand der Hauptverhandlung sowie eine Betrugshandlung ebenfalls zum Nachteil der Tochter der 42-Jährigen. Dieses beurteilte Staatsanwältin Kaufmann als besonders verwerflich – Straftaten gegen die eigene Tochter. Rechtsanwalt Salewski betonte in seinem Plädoyer, dass auch zu berücksichtigen sei, dass seine Mandantin bei der Erpressung ihrer Tochter kein Messer mitgeführt habe. Das planvolle Vorgehen vor und nach der Tat des Tankstellen-Raubes kreidete die Staatsanwaltschaft der Angeklagten aber auch negativ an. Die Richter der Strafkammer stellten dagegen fest, dass das „Nachtatverhalten“ der Angeklagten von der Staatsanwaltschaft gar nicht mit angeklagt wurde.

Tankstellenüberfall: Mit diesem Messer mit 12 cm Klingenlänge wurde der Tankstellen-Mitarbeiter bedroht. (Foto: Höffken)
So kamen die Richter mit dem verkündeten Urteilsspruch „Im Namen des Volkes“ zu einem anderen Ergebnis wie die Staatsanwaltschaft. Das Messer war „nur“ Drohmittel und wurde nicht eingesetzt, der Überfall wurde als „minderschwerer“ Fall bewertet, bei den Betrugstaten gegen die eigene Tochter verneinten die Richter eine Gewerbsmäßigkeit, da diese erst ab drei Taten zur Anwendung kommt.
Somit kam eine „Strafrahmenverschiebung“ zur Anwendung und es gab statt sofortiger Verhaftung und über sechs Jahren „Knast“ eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Drei Jahre lang muss sich die Verurteilte danach straffrei führen. Außerdem muss die 42-Jährige ihrer Tochter in monatlichen Raten das erpresste Geld zurückzahlen. Nur wenn sie diese Auflagen nicht einhalten sollte, könnte die Bewährung widerrufen und sie eine Ladung zum dann zweijährigen Haftantritt erhalten.
Sobald jetzt die Urteilsbegründung der Großen Strafkammer vorliegt, kann die Staatsanwaltschaft dem Bundesgerichtshof (BGH) begründen, warum sie hinsichtlich des Strafmaßes anderer Ansicht ist. Folgt der BGH den Fakten der Staatsanwaltschaft, ist es möglich, dass das Verfahren an eine andere Kammer beim Landgericht Essen zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wird.






























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