Ein Kommentar von Claus Juergen Barteczko
14. Kneipen- und Kunstfestival „Hattingen Live“
Aus privaten Gründen hatte ich mich dazu entschlossen, das Kneipenfestival einmal ohne meine Filmkamera zu besuchen. Nach über zehn Filmbeiträgen in Folge, einfach mal als Gast Hattingen LIVE zu genießen.
Mit Broschüre und Informationen bewaffnet zog ich also los ins Getümmel. Dabei stellte ich schon im Vorfeld fest, dass viel weniger Kneipen als noch vor einigen Jahren, an Hattingens erstem “open Air” Wochenende des Jahres teilnahmen. Der frühlingshafte Abend machte Hoffnung, dass es ein schöner Abend werden sollte, zumindest vom Wetter her.
Einmal zahlen, Livebändchen ans Handgelenk und dann eintauchen…
Startete man zu Beginn des Kneipenfestivals mit einem Obolus von 5 Euro, so musste man schnell feststellen dass der Preis sich 2019 verdoppelt hatte. Denn natürlich, wenn ich nicht als Berichterstatter unterwegs bin, bezahle ich auch gerne den geforderten Eintritt. Irgendwie muss sich das Festival ja auch rechnen. Doch die mittlerweile 10 Euro pro Person für ein Bändchen, mit dem man doch nicht wirklich überall eintauchen kann, ist doch etwas happig. Die Grundidee, man pendelt von einer Kneipe zur anderen, geht leider immer weniger auf. Teilweise besetzen Gäste ihre Plätze schon sehr weit im Vorfeld, die sie natürlich auch nicht mehr hergeben wollen um eine andere Band irgendwo zu sehen, wo sie sich vor der nächsten Kneipe wieder anstellen müssen. Ergo – bleibt man hocken und genießt den Abend nur in einem Lokal, meist in seinem Lieblingslokal.
Musik lockte Gäste ins Freie
Aber das war nicht bei allen Besuchern so, wie Samstag auf dem Untermarkt zu sehen war. Dort wuchs eine Menschentraube vor dem Café Auflauf zusammen, weil, ziemlich pfiffig, die Kneipenmannschaft wegen des schönen Wetters die komplette Fensterfront öffnete. Dort präsentierten sich die Rock-Klassiker “MAC HO” wie auf einer Bühne, was vom Publikum auf dem Untermarkt sehr gut angenommen wurde. Dabei kamen Open Air Gefühle auf. Doch so schön wie es war, hilft das dem Veranstalter auch nicht finanziell auf die Sprünge, da die meisten Zuhörer natürlich keine gekauften Bändchen am Arm trugen.
Öffentliche Toiletten fehlten
Apropos Bändchen – großes Manko bei dieser Art von Veranstaltung in Hattingen war und ist: Es gibt keine Toiletten. Jedenfalls nicht für Gäste ohne Armband. Denn, sollte die Blase einmal drücken, so suchte man vergeblich ein stilles Örtchen um sich Erleichterung zu verschaffen. Ohne das teure Stauder-Livebändchen kam halt niemand an den Türstehern vorbei, um eine Toilette aufsuchen zu dürfen, zumindest bei den teilnehmenden Gastronomen. Da sollten die Veranstalter in Zukunft eine Lösung finden.
Speisen statt feiern?
Schade war auch, dass man das Gefühl hatte, einige Gastronomen würden gerne noch zusätzlich Kapital aus dieser doch recht schönen Kneipennacht schlagen. So waren zum Beispiel in einem der größten Veranstaltungsräume Tische aufgebaut, um dort á la Carté Speisen zu servieren, anstatt den Platz zu nutzen und seine Gäste dort tanzen zu lassen. Dichtes Gedränge, in dem man kaum sein Bierglas halten konnte ohne es zu verschütten, war das Resultat. Das dazugehörige “Wertmarkensystem” bei dem man für ein Glas Wasser 6 Euro zahlen musste, gehört einfach nicht zu Hattingen LIVE. Genauso fehl am Platz ist, dass nicht verbrauchte Wertmarken nicht mehr rückerstattet wurden. Obwohl man gerne noch ein – zwei Bier mehr getrunken hätte, um der Band “La Kawa Banda” zu lauschen, hätte man das Kaltgetränk nur bekommen.
Kneipen- und Kunstfestival
Aber zurück zur Kunst, denn Hattingen LIVE heißt ja: Musik & Kunst. Was vor Jahren noch Kunstbegeisterte in die Altstadt lockte, lässt heute nur noch an ein Überbleibsel von missglücktem Wichteln erinnern. Richtige lebendige Kunst, und damit Menschen in die Stadt zu locken, geht anders. Auch wenn man das Pseudonym Handwerk an die Sub-Headline Kunst anhängt, Patchwork-Arbeiten und handgesponnene Garne sind einfach keine Kunst im Sinne des Betrachters.
Gute Stimmung und schönes Wetter
Wie dem auch sei, es kam trotzdem Stimmung auf. Ob es nun am Programm lag oder am schönen Wetter, oder einfach daran das die Besucher den ersten schönen Abend im Jahr draußen erleben wollten. Von überall her klang die Musik aus den Kneipen und die meisten Besucher genossen diesen Samstagabend. Es gab viel schönes aber auch einiges zu bemängeln. Ich möchte nicht sagen “besser” zu machen, denn meines Erachtens stößt diese, von Olaf Scherf damals ins Leben gerufenen Idee, mittlerweile an ihre Grenzen. Wer erinnert sich denn noch an den Start von Hattingen LIVE, als es noch tolle Akt’s gab und Headliner in den Kneipen. Nicht zu vergessen die fantastische Lasershow am Treidelbrunnen. Was hat man sich damals alles einfallen lassen. Heute ist es eben nur Live-Musik in Gaststätten von teilweise guten und manchmal nicht so guten Musikern. Nicht nur immer weniger Kneipen nehmen an der Musiknacht teil, auch richtige Headliner gibt es leider nicht mehr.
Klasse Musik trotz Fernsehfußball
Doch es gab auch Ausnahmen. Im Coffea zum Beispiel überzeugte eine kleine Besetzung. Es machte riesigen Spass der Coverband “2nd Hand” zuzuhören. Zwei Gitarren und zwei grandiose Stimmen – was will man mehr. Herausragend war auch das TRIO ohne Namen: Lea Bergen, Merlin Schreiber und Peter Brand. Nur das im Programmheft beschriebene “gemütliche Ambiente” war eine Farce. Für mich waren die drei das eigentliche Highlight des Abends. Dass man als musikbegeisterter zahlender Besucher dichtgedrängt vor den Musikern steht, ist der Lokalität geschuldet und auch völlig O.K.. Aber Freunde, mal ehrlich – kann man nicht vor der Mukke etwas essen gehen? Muss man sich große Portionen reinstopfen, so dass das Saxophon mit jeder seiner Bewegung aufpassen muss, nicht den Teller abzuräumen? Muss dabei das Fernsehen über Großbild laufen und uns eine Fußballübertragung zeigen? Muss man denn direkt vor der Bühne, eineinhalb Meter von der Sängerin entfernt, sich lautstark über Gott und die Welt unterhalten, während die Musiker ihr Bestes geben? Ich finde nicht nur die Gastronomen der Veranstaltungsorte, auch viele Gäste sollten den Musikschaffenden ein bisschen mehr Respekt zollen, und einfach mal zuhören was da geboten wird. Es war doch kein normaler Kneipen Abend wie jeden Samstag, es war Hattingen LIVE.
Fazit
Alles in allem, war es aber ein gelungener Abend der auch durch seine Besucher zu dem geworden ist was es letztendlich war: Ein schönes Treffen mit Freunden und Bekannten bei Live-Musik in der Altstadt. Ich habe von 11 Locations nur sieben besuchen können. Deshalb sollte man mein Fazit nicht überbewerten. Fest steht, alle Musiker, Sängerinnen und Sänger, hatten ihren Spaß und der Funke sprang auch auf das Publikum über. Zumindest denen die zugehört haben. Vom Musikgenre gab es auch eine volle Bandbreite. Fehlende Headliner hin oder her, der ein oder andere Gig war sehens- und höhrenswert. Auch ist es löblich Newcomern eine Chance zu geben vor großem Publikum aufzutreten, doch sollte man diese Kneipennacht einmal neu überdenken, sonst haben wir bald Hattingen LIVE 15 (Euro).
Fotostrecke von Holger Grosz
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