VOM VERSAGEN DER LOKALPOLITIKER

Hattingen- Die Aula der Realschule Grünstraße ist gefüllt. Bis auf den letzten Platz. Und darüber hinaus. Viele müssen stehen, da alle Stühle bereits besetzt sind. Dass so viele gekommen sind, hat einen einfachen Grund: Die Realschule Grünstraße wird es hier über kurz oder lang nicht mehr geben. Ohne die entscheidende Ratssitzung abzuwarten, kann man dieses Fazit wohl nach dem gestrigen Abend ziehen. Schüler, Eltern, Lehrer und Ehemalige wollen an diesem Abend vor allem Antwort auf wenige, entscheidende Fragen. Warum beschließt man diesen Schritt, ohne mit den Betroffenen vorher das Gespräch zu suchen? Was bringt es für Vorteile, wenn die Realschule ins Schulzentrum nach Holthausen umzieht, so wie es geplant ist? Schon die Antwort auf die Frage nach den Kosten bleibt die Politik schuldig. „Wir wissen es noch nicht, wenn wir den Beschluss zum Umzug der Realschule getroffen haben, werden wir die Verwaltung mit der Planung und Organisation beauftragen“ so die Antwort von Friedhelm Knippel (Linke).

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Um es kurz zu machen: Die Lokalpolitiker bleiben so ziemlich jede Antwort schuldig. In einer teilweise peinlichen Eierei reden sie um den heißen Brei und weichen Fragen aus, verstecken sich hinter Sprechblasen aus dem Baukasten politischer Non-Kommunikation. Und wenn sie gar nicht mehr weiter wissen, werden sie arrogant. Selbst einfachsten Fragen der Schüler begegnen sie auf diese Weise. Was einen Vater zum Zwischenruf „Was ist bitteschön so schwer daran die Frage eines Achtklässlers zu beantworten?“ treibt.

Chiara Weingarten, Schülersprecherin der Realschule bringt ihren Frust nach der Veranstaltung auf den Punkt: „Ich habe auch gewählt. Und ich frage mich warum?“ Denn in der Tat können die Politiker nicht begründen, warum die Realschule Grünstraße ins Schulzentrum Holthausen umziehen muss. Zum einen verweisen die Politiker der anwesenden Parteien auf das Schulgutachten, das ihnen angeblich keine andere Möglichkeit lässt, als Schulen zu schließen und zusammen zu legen. Zum anderen erklären sie, dass in den kommenden Jahren die Schülerzahlen wieder steigen werden und dass der Standort Grünstraße kein Erweiterungspotenzial bietet.

Der Einwand einer Mutter, dass ihre Tochter als Inklusionskind alleine mit dem Bus die Grünstraße erreichen könne, wegen des Zwangs zum Umsteigen die Fahrt zum Schulzentrum Holthausen aber nicht ohne Hilfe bewältigen kann, wird in der an diesem Abend leider üblichen arrogant-hilflosen Art beantwortet. „Ich hoffe, dass ihre Tochter älter wird und dabei auch das Umsteigen lernt“, lautet die Erwiderung von Dorothea Kiesewetter (SPD). Einmal mehr kochen die Emotionen im Saal daraufhin hoch. Andere Schüler, die auf die gute Erreichbarkeit der Grünstraße auch für Kinder aus Velbert hinweisen, werden mit einem knappen „Wir sind nur zuständig für Hattinger Schüler!“ von Marc Bartrina y Manns (FDP) abgekanzelt.

Selbst die Vertreterin der Grünen, Maria Schomacher, deren Partei sich für den Erhalt des Standortes Grünstraße ausspricht, bleibt im Ungefähren. Sie wird zwar mit Applaus begrüßt, kann aber die Entscheidung ihrer Partei auch nicht fachlich-sachlich begründen. Ihr mantraartig vorgetragenes „Wir wollten einen anderen Schulstandort schließen, denn hier wird gute Arbeit geleistet.“ ist nichts, was die Diskussion voranbringt.

Moderator Bodo Steinhauer überfordert

Moderator Bodo Steinhauer versucht geordnet durch den Abend zu moderieren. Leider bleibt es beim Versuch. Er lässt zu, dass Politiker ein ums andere mal niedergeschrien werden, wenn sie versuchen einen unliebsamen Gedanken und ein hier unpopuläres Argument zu bringen. Oft können auch deshalb Fragen nicht beantwortet werden, da mitten im Satz von Steinhauer das Thema gewechselt wird. Mit der Situation ist er offensichtlich überfordert.

Thomas Rosenke, Vater eines Schülers und Klassenpflegschaftsvorsitzender, hält den anwesenden Politikern eine Standpauke. Warum offensichtlich mit anderen Schulen im Vorfeld gesprochen wurde, aber nicht mit der, die unter den Beschlüssen zu leiden habe, fragt er. Was es denn für ein Demokratieverständnis sei, fraktionsübergreifend unter Ausschluss der Öffentlichkeit derartige Entscheidungen zu fällen. Die Antwort ist wieder symptomatisch. Man spreche doch gerade mit den Betroffenen, so die Antwort vom Podium. Auch das trägt nicht dazu bei, die Stimmung im Saal zu beruhigen. Außerdem beschließe man bei der kommenden Ratssitzung über die Perspektiven bis 2020, so die Ratsvertreter. Ein Schließungs- bzw. Umzugsdatum für die Realschule Grünstraße lege man noch nicht fest.

Wenn nichts mehr hilft, „kommt der Sparkommissar!“

Wenn es gar nicht weitergeht, wird entweder die Bauvorschrift herangezogen, die eine weitere Entwicklung der Schule an der Grünstraße angeblich nicht zulässt oder der „Sparkommissar“ beschworen, der ebenfalls angeblich droht, falls man nicht mindestens einen Schulstandort schließe. Wo der Unterschied zwischen der Anordnung eines Sparkommissars und dem vorauseilenden, gleichlautenden Beschluss des Rates liegt, bleibt wieder unbeantwortet. Genau so wie die Frage, wo denn das Sparpotenzial liegt, wenn die Realschule im Schulzentrum Holthausen untergebracht ist. Schließlich sei der Umzug ja nicht zum Nulltarif zu haben.

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„In unsere Schule ist in den vergangenen Jahren viel investiert worden, Mensa, Erweiterung, technische Ausstattung. Warum hat man das gemacht, wenn jetzt alles aufgegeben wird?“ fragt ein Schüler. Die Antwort des FDP-Vertreters Marc Bartrina y Manns lautet „Wir müssen investieren und dennoch auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren. Andernfalls könnten wir gar nicht mehr investieren.“ Bei der Diskussion um die Schulstandorte während des Wahlkampfes war die FDP-Position noch eine andere. Seinerzeit hatte die FDP verlauten lassen, man habe so viel ins Gymnasium Waldstraße investiert, dass man „mit dem Klammerbeutel gepudert“ sei, wenn man den Standort nun schließe.

Verwaltung glänzt wieder durch Abwesenheit

Genau wie bei der Diskussion im Wahlkampf, ist auch dieses mal die Verwaltung abgetaucht. Selbst der Bürgermeister, der sich -seinerzeit noch als Kandidat- für den Erhalt aller Standort ausgesprochen hatte und das auch bei der RuhrkanalNEWS Podiumsdiskussion so sagte, glänzt durch Abwesenheit. (Update: Dirk Glaser befindet sich offensichtlich bei einem länger geplanten Termin auf der ITB, wir gehen aber davon aus, dass er nicht von der kompletten Stadtverwaltung begleitet wird) Auch das wirkt auf die anwesenden Schüler, Eltern und Lehrer nicht souverän. Aus den Reihen der Politiker ist, abseits des Podiums, außerdem harte Kritik an der zuständigen Schuldezernentin Beate Schiffer zu hören. „Sie schafft es seit einem Jahr nicht einen Vorschlag der Verwaltung zu präsentieren. Und wenn wir noch ein Jahr gewartet hätten, läge immer noch nichts vor. Also mussten wir handeln,“ sagt ein Politiker im RuhrkanalNEWS-Gespräch.

„Ich glaube nicht, dass wir noch was ändern können!“ So lautet das Fazit von Schülersprecherin Chiara Weingarten. Daran ändert auch das Angebot der anwesenden Politiker nichts, Vorschläge schriftlich einzureichen, man werde sich dann damit befassen. Höhnische Lacher sind die spontanen Reaktionen aus dem Publikum. Nach gut zwei Stunden Diskussion wird die Veranstaltung beendet. Gebracht hat sie unter dem Strich nichts, auch wenn zum Schluss noch deutlich mehr als 3000 Unterschriften für den Erhalt der Realschule Grünstraße übergeben werden.

RuhrkanalNEWS-Kommentar