STAHLHARTER FILMDREH

Foto Warner

Hattingen- Die ProSieben-Show „Renn zur Million, wenn du kannst“ wurde auf der Henrichshütte in Hattingen gedreht. Die Show mit den Moderatoren Daniel Aminati und Rebecca Mir war aufwändig. Allein die spektakuläre Beleuchtung soll über 100.000 Euro gekostet haben. Museumsleiter Robert Laube zieht beim Public Viewing der ersten Show ein positives Fazit: Auch für das Museum hat sich die Zusammenarbeit mit der Filmgesellschaft Warner Bros. gelohnt. Eine fünfstellige Summe hat das LWL dafür kassiert, dass es die Erlaubnis zum Dreh gab – und dafür Beeinträchtigungen im laufenden Museumsbetrieb in Kauf nahm. Und das finden nicht alle gut.

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Foto Warner

Robert Laube ist zufrieden – und sehr erfreut über das Ergebnis, das in der Gebläsehalle über die große Leinwand flimmert. Immer wieder werden spektakuläre Bilder der Henrichshütte gezeigt und auch die Namen „Hattingen“ und „Henrichshütte“ finden reichlich Erwähnung. Moderator Daniel Aminati, der in den vergangenen Wochen in der Show „The Masked Singer“ als Kudu auftrat, und Rebecca Mir, die ihre Karriere als Kandidatin der ProSieben-Show „Germanys Next Topmodel“ begann, begleiten den Zuschauer durch die Sendung. Die Kandidaten, vom Altenpfleger über die Versicherungsfachfrau bis zum Sportstudenten, müssen schnellstmöglich Hindernisse überwinden und sich dabei nicht von einem Verfolger fangen lassen. Nach jeder genommenen Hürde müssen sich die Läufer entscheiden: Höre ich auf und sichere meinen bisherigen Gewinn oder setze ich auf volles Risiko, renne weiter und schaffe es vielleicht bis zur Million.  Als Verfolger dabei sind unter anderem Carina Bungard, Team-Europameisterin im Obstacle Course Racing, Lukas Storath, Polizist und amtierender Worldchampion of Fitness und Triathlon-Profi Roman Deisenhofer. Kommentiert werden die Läufe von Elmar Paulke. Klar ist: Holt der Verfolger den Kandidaten ein, war es das mit dem Gewinn.

Und die Hindernisse mit den Namen „Stahl-Bohrer“, „Walz-Werk“ oder „Mauer-Werk“ und „Siede-Becken“ haben es wahrlich in sich. Zum Schluss geht es in die Höhe – mit einem Seil am Hochofen auf über vierzig Meter. Da, wo früher das stählerne Herz der Hütte schlug, sprühen nun sportliche Funken, immer wieder eingetaucht in eine spektakuläre Lichtshow. 

Museumschef Laube verrät noch etwas: „Auch im nächsten Jahr wird das Museumsgelände Ort des Geschehens für einen Filmdreh sein. Mehr darf ich noch nicht verraten. Aber wir sind in der Welt des Filmsets angekommen.“ Gedreht wurde übrigens immer nachts – das Publikum, nur selten im Bild, stets mit Jacken und Decken ausgerüstet. So lief das normale Tagesgeschäft vom Museum weiter – nur eben, es war nicht normal. Denn die Außenanlagen, auf denen die gigantischen Hindernisse aufgebaut waren, durften nicht betreten werden. Nicht von den Mitarbeitern des Museums und erst recht nicht von Besuchern des Museums. Rund um die Uhr wurden Hausmeister eingesetzt. Kritiker sagen: Der Museumsbetrieb hat durch die Dreharbeiten deutlich gelitten. 

Der Kommentar von Anja Pielorz

„Henrichs Hütte“ – der hochadelige Gründer gab ihr seinen Namen – hat es wieder einmal geschafft und ist aller Munde. Dafür sorgt der spektakuläre Filmdreh von Warner Bros. für einen Privatsender. Ende der achtziger Jahre schien es vorbei zu sein mit dem stählernen Herz – 10.000 Arbeitsplätze waren weg und Hattingen drohte ein steiler Abstieg. Sechzig Jahre nach der Ruhrverlegung für die Hütte, mehr als dreißig Jahre nach dem letzten Abstich am Hochofen, blicken wir heute auf einen boomenden Gewerbe- und Landschaftspark und ein Museumsgelände der Vielfältigkeit. Bunte Feste in der Gebläsehalle, Veranstaltungen auf dem Außengelände und jetzt noch Filmlocation – manche Kritiker sehen bereits einen Niedergang des musealen Bildungsauftrages. Gewiss, es ist ein schmaler Grat zwischen krachender Film-Action und Museumsarbeit. Aber machen wir uns nichts vor: Unsere Gesellschaft will den Spaß und die Action. Es kommen tausende von Menschen zu Veranstaltungen wie „Schöne Sterne“, Harley-Meeting“, „Autoparty“. Hunderte genießen Oktoberfeste und Karnevalsveranstaltungen – da sind die Teilnehmer der Museumsarbeit pur vergleichsweise bescheiden. Um nicht missverstanden zu werden: Diese Museumsarbeit ist wichtig, sehr sogar. Aber sie allein lockt keinen mehr hinter dem Hochofen hervor. Ja, die Beeinträchtigungen im Museumsbetrieb gab es. Und manche Museen in Nachbarstädten wollen diesen Weg nicht gehen – weil zu kommerziell. Vielleicht auch deshalb, weil der eigene Anspruch der Hirn belebenden Kultur durch solche Events nicht gegeben scheint – aber Spaß ist das Salz in der Lebenssuppe. Wer die Suppe ohne Würze auslöffeln will, darf sich nicht über eine fade Brühe wundern, die irgendwann niemand mehr essen will. 

2 Kommentare zu "STAHLHARTER FILMDREH"

  1. Robert Laube | 11. September 2019 um 15:09 |

    Alles richtig. Allerdings fehlt mir der Aspekt, dass das Museum durch kommerzielle Veranstaltungen tatsächlich die Qualität seines „Kerngeschäftes“ verbessern kann und auch bei Menschen zu einer „Adresse“ wird, die vom LWL-Industriemuseum bislang noch nie gehört haben. Und noch eine kleine Korrektur: Der Museumsbetrieb war in den Gebäuden und auch auf dem Gelände durchgehend gewährleistet, so auch die „ExtraSchicht“ mitten drin im Filmprojekt. Das war möglich durch die sehr empathische Zusammenarbeit zwischen Warner Bros. und Industriemuseum. Lediglich in der „Abbau-Woche“ war mir zu viel Schwerlastverkehr auf dem Gelände, so dass wir uns entschlossen hatten, das Außengelände für ein paar Tage zu schließen. Gebläsehalle samt Ausstellung „BOOM!“ waren jederzeit und an den besagten Tagen mit freiem Eintritt und Gratis-Führungen zu besichtigen. Und: „klassische“ Museumsarbeit interessiert durchaus jedes Jahr zehntausende Menschen. Wenn wir nichts zu bieten hätten, wären wir auch als Filmset uninteressant. Wir brauchen beide Beine, um laufen zu können. Wie hieß ein Fachbuch-Titel so richtig: Event zieht – Inhalt bindet.

  2. Dr. Anja Pielorz | 12. September 2019 um 10:07 |

    Herr Laube, ich bin da ganz bei Ihnen! Es ist sehr notwendig, unser LWL-Museum auch für DIE Menschen zu einer Adresse werden zu lassen, die vielleicht noch nicht vor Ort waren. Tatsache ist ja auch, dass diejenigen, die auf der Hütte gearbeitet und eine persönlich-emotionale Beziehung zu dem Gelände haben älter werden und irgendwann nicht mehr als Zeitzeugen zur Verfügung stehen. Ausstellungen wie „Hüttenleben“ werden so nicht mehr möglich sein. Deshalb ist es gut und richtig, sich neue Besuchergruppen zu erschließen. Diesen Weg beschreitet das Museum ja auch – und nutzt dafür auch neue personelle Kräfte, die diese neuen Zielgruppen erschließen soll.
    Selbstverständlich interessiert die klassische Museumsarbeit – das habe ich nie bestritten. Trotzdem wissen nicht nur wir beide, dass es manchmal ein schwieriges Geschäft ist – das zeigt sich auch immer wieder an dem hochkomplexen Prozess, Jugendliche – auch über die Schule – zu interessieren.
    Für mich hat das Thema „LWL als Filmset“ noch einen anderen Aspekt – nämlich die touristische Sicht. Schon jetzt informieren wir über Hattingen Marketing zahlreiche Touristen per Flyer über die Arbeit des LWL und verweisen begeisterte Touristen auf den Museumsbesuch. Durch solche Filmprojekte entdecken noch mehr Menschen, dass Hattingen noch mehr zu bieten hat als eine wunderschöne Altstadt.

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