SORGE UM DIE SEELE

Pfarrer Dr. Udo Polenske (Foto: Pielorz)

Ein Gespräch mit Pfarrer Dr. Udo Polenske

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Hattingen- Seelsorge ist eine sehr persönliche Hilfe. Die Sorge um die Seele ist eine Art Psychotherapie, in der christlichen Kirche unter geistigen Gesichtspunkten. Seelsorge ist in Krisenzeiten gefragt – aber auch noch schwieriger als in Zeiten, wenn es eigentlich gut läuft. Ruhrkanal.NEWS hat mit Dr. Udo Polenske, seit über dreißig Jahren Pfarrer der Ev. St.-Georgs-Kirchengemeinde in Hattingen, gesprochen.

Treffpunkt ist – natürlich – die Kirche mitten in der Hattinger Innenstadt. Jeden Tag stehen ihre Türen zwischen 15 und 17 Uhr offen. „Wir mussten das neu organisieren, denn viele ehrenamtliche Helfer sind im Moment nicht im Dienst. Einige von ihnen gehören in der Corona-Pandemie gesundheitlich zur Risikogruppe, andere fallen aus anderen Gründen aus. Aber wir haben das hinbekommen. Die Kirche ist auch ohne Gottesdienste und andere Veranstaltungen offen.“ Und das ist gut so. Denn leer ist die Kirche nie. Menschen kommen einzeln oder als Paar, manchmal auch als Familie. „Der Ablauf ist fast immer gleich. Sie kommen herein, bleiben stehen, gehen nach vorne zum Altar, zünden eine Kerze an, schlagen ein Kreuz und halten inne. Viele beten. Die Zahl der Beter hat deutlich zugenommen“, so Polenske. Er weiß nicht, ob diese Krise eine neue Form der Spiritualität hervorbringen wird – es ist wohl zu früh für eine Bewertung. „Als Geißel Gottes wird die Pandemie nicht verstanden, aber die Menschen suchen schon Trost und Hoffnung. Ich habe viel Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft kennengelernt. Aber auch viel Angst und Unsicherheit. Zunächst die vor dem Virus, aber verstärkt jetzt auch jene vor der eigenen wirtschaftlichen Zukunft.“ 

Pfarrer Dr. Udo Polenske in St. Georg (Foto: Pielorz)

Sein eigener Alltag als Pfarrer, als Seelsorger, hat sich stark verändert. „Der früher normale Geschäftsbetrieb in einer Gemeinde ist quasi zum Erliegen gekommen. Wir führen unfassbar viele Telefonate, machen Videokonferenzen. Ich bin fitter geworden in den technischen Errungenschaften“, lächelt er. Kirche geht online – oft zu sehen auf Ruhrkanal.NEWS. „Das wird bleiben“, ist sich Polenske sicher. Denn: „Wir sehen, dass sich online auch andere Menschen angesprochen fühlen. Menschen, die physisch bisher nicht oder selten in die Kirche kamen oder kommen konnten – neben jenen, die gerne kommen würden, es aber derzeit nicht dürfen.“ Ostern war das Gotteshaus ein besonderer Ort. „St. Georg war die ganze Osternacht offen. Zu jeder vollen Stunde gab es eine Lesung. Beleuchtet war die Kirche nur von Kerzen. Ich habe hier geschlafen, im Schlafsack. Das war ein sehr besonderes und wunderbares Erlebnis. Nächstes Jahr zu Ostern wollen wir so etwas auf jeden Fall wieder machen.“ Alte Traditionen der Kirche verbinden sich mit neuen Ideen und moderner Technik. 

Keine Gottesdienste („Ich hoffe, wir können Mitte Mai wieder starten“), abgesagte Taufen und Trauungen – und, ja, weniger Bestattungen. „Hochzeiten wurden um ein Jahr verschoben. Taufen ebenso. Hier in Hattingen gab es kaum Sterbefälle durch die Corona-Pandemie. Selbstverständlich gibt es Bestattungen unter den überall beschriebenen Sicherheitsvorkehrungen, aber mein Eindruck ist einfach der, es ist ruhiger, stiller. Überall. Auch hier auf dem Kirchplatz. Hier fehlt die Gastronomie. Ich vermisse das – diese Leichtigkeit und Fröhlichkeit.“ Die Trauergespräche, die es gab, habe er oft in der Kirche stattfinden lassen. „Hier ist es möglich, physischen Abstand zu halten, aber sich doch gegenseitig nahe zu sein.“ Am Wochenende gibt es oft Orgelmusik. „Musik ist tröstend. Sie hilft immer. Ich glaube, Musik wird in den Abläufen der Gottesdienste später einen größeren Stellenwert einnehmen.“

Besonders belastend sei die Situation in den Altenheimen. „Auch für uns als Seelsorger ist der Zutritt nicht erlaubt. Ich habe bei Geburtstaganlässen mit meiner Drehorgel vor den Heimen gespielt und versucht, etwas Freude zu bringen. Am schlimmsten ist es für die Bewohner, keine Besuche von ihren Angehörigen zu bekommen. Sind die Bewohner dann noch dement, so verstehen sie nicht, warum auf einmal vertraute Gesichter nicht mehr da sind.“ Außerhalb der Heimat hat Telefonseelsorge Hochkonjunktur. Der Krankenhausseelsorger hat gut zu tun. 

Vertraut waren dem Pastor seine Strukturen und Planbarkeiten. Alles weg. „Wenn wir heute einen Ablauf abgesprochen haben, so gelten die Absprachen manchmal schon Stunden später nicht mehr, weil sich wieder irgendetwas verändert hat. Man fährt auf Sicht, nicht immer einfach.“

Wie wird es weitergehen? Der Seelsorger überlegt. Angst hat er nicht. Denn Angst isst ja die Seele auf. Schwierig wäre das wohl für einen Seelsorger. Aber neugierig sei er – vor allem auf den ersten Gottesdienst, wenn die Kirchen ihn wieder anbieten dürfen. Dass dann alles so wird wie vorher, daran glaubt er nicht.