KÜNSTLERN STEHT DAS WASSER BIS ZUM HALS

Den Künstlern steht das Wasser bist zum Hals - Annette Schulze Lohhof und Peter Nyman im RuhrkanalNEWS Interview (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen- Annette Schulze Lohoff und Peter Nyman haben am Kirchplatz 14 in Hattingen im Frühling 2016 ein ganz besonderes Domizil geschaffen. Sie nennen es einen profitfreien Ort der Begegnung. Der Schauraum im Wachszinshaus steht nationalen und internationalen, bekannten und unbekannten Künstlern offen. Dort können sie ihre Werke und deren Aussagen an Mann und Frau bringen. Nur: In Zeiten der Corona-Krise ist das unmöglich geworden. Die Betriebskosten für den ungewöhnlichsten Schauraum in der Stadt laufen allerdings weiter. 

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Kunst in einem Wachszinshaus – allein hinter diesem Begriff verbirgt sich aus heutiger Sicht Ungewöhnliches. Bezieht er sich doch auf eine Reihe der ältesten Häuser der Stadt. Ihre Bewohner zahlten damals keine Steuern, sondern leisteten ihre Abgaben in Form von Bienenwachs für die Herstellung der Kirchenkerzen. Je näher zu Gott im Leben und im Tod – desto teurer war das für die Lebenden. Lars Friedrich, Vorsitzender vom Hattinger Heimatverein, weiß, dass noch 1884 zwei Pfund Wachs jährlich am Martinitag zu bezahlen war. Er weiß auch, dass das Studio von Ruhrkanal.NEWS und ENTEtainmentfilm-Produktion am Kirchplatz 10 nach der Überlieferung damals nicht zu den Wachszinshäusern gehörte. Hier befand sich der Zugang zum Dominikanerhof. 

Das etwas andere Interview: Annette Schulze Lohoff und Peter Nyman vor der RuhrkanalNEWS Kamera (Foto: Pielorz)

Die Kunst hat also im Herzen der Hattinger Altstadt und im Schatten der St. Georgs-Kirche einen ungewöhnlichen Schauraum gefunden. Und mit Annette Schulze Lohoff, einer ehemaligen Lehrerin für Kunst, Pädagogik und Biologie, sowie dem Kunsttherapeuten Peter Nyman zwei besondere Förderer. Beide blicken auf ein „erstes Leben“ in angestellten Zeiten zurück. Dennoch haben beide früh in einem „zweiten Leben“ ihre Passion für die Kunst entdeckt und gelebt – als Performerin und als Maler. „Wir wissen aus unserer Erfahrung heraus, wie schwierig es für Künstler sein kann, mit dem, was sie erschaffen, auch Geld zu verdienen.“ 

Die Corona-Krise hat das Problem deutlich verschärft. „Das gilt für die Künstler selbst, aber es gilt natürlich auch für unser Objekt, den Schauraum. Wir können hier im Moment keine Begegnungen mehr stattfinden lassen. Die Vernissage zu Ausstellungen kann nicht stattfinden. Der Schauraum ist ein Herzensprojekt von uns, aber wissen nicht, wie lange wir das noch durchhalten“, sagen beide. Um die Notlage des Projektes und die der Künstler zu demonstrieren, haben sie sich etwas Besonderes einfallen lassen. Von Sanitär Höke ließen sich die beiden extra eine Badewanne auf den Kirchplatz vor den Schauraum liefern und setzten sich gemeinsam in die Wanne. Eine schwarze Ente auf dem Badewannenrand symbolisiert zusätzlich die Lage vieler Künstler. „Vielen von ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Das zeigen zahlreiche Gespräche, die wir mit ihnen geführt haben. Aber auch wir haben natürlich Probleme. Unser Schauraum-Projekt macht uns viel Spaß. Aber die Kosten und die Freude müssen sich die Waage halten und das ist im Moment leider nicht mehr der Fall. Wir sind keine klassische Galerie, wir sind Förderer und Liebhaber der Kunst. Wir wollen auch keinen Verein gründen, denn die damit verbundene Bürokratie ist nicht das, womit wir unsere Zeit füllen mögen. Unser Herz hängt an den Künstlern selbst, an deren Ideen und Umsetzungen. Wir lieben es, ein Eröffnungsfest zu machen für die Künstler. Aber das ist alles derzeit nicht umsetzbar. Denn wir haben keine Möglichkeit, im Schauraum ein Sicherheitskonzept umzusetzen. Das geht in den Räumen nicht.“ Andere Räumlichkeiten gibt es nicht. Spontan hat Annette Lohoff Schulze die Idee, Kontakt zur benachbarten Kirche aufzunehmen, die auf ihre Art ja auch ein Ort der Begegnung ist und möglicherweise unterstützen kann. 

Interview in der Badewanne

Abgesagte Ausstellungen bringen alle Künstler in Not. Denn durch Ausstellungen machen sie sich bekannt. „Wir selbst haben für uns keine finanziellen Hilfen von Land oder Bund beantragt. Aber wir kennen natürlich viele Künstler, die das gemacht haben – das funktioniert aber nicht ganz reibungslos. Inhaltlich sind Krisen für einen Künstler immer auch ein Ausdruck für Kreativität. Aber nicht jeder Künstler kann seine Kreativität in dieser Phase öffentlich machen. Ein Musiker kann online Konzerte geben. Ein Maler oder Performer braucht aber persönliches Publikum und direkten Kontakt für die Wirkung seiner Werke. Die digitale Wirkung ist in der Regel nicht möglich“, sagt Peter Nyman. 

Durchhalten heißt die Devise (Foto: Pielorz)

Und eigentlich ist sie auch nicht im Sinne der beiden Kunstliebhaber. „Der Sankt – Georgs-Kirchplatz hat internationales Flair. Hier in der guten Stube Hattingens, dem wohl am häufigsten fotografierten Ort der Stadt, treffen sich Menschen aus der ganzen Welt. Viele kommen als Touristen und sind von der wunderbaren Atmosphäre dieses Platzes fasziniert.“ So schreiben sie selbst auf der Homepage des Schauraums. Doch genau das ist derzeit eben nicht möglich. 

Was bleibt? „Wir müssen durchhalten. So lange es geht. Und darauf hoffen, dass das wieder geht, was wir zur Eröffnung des Schauraum Wachszinshaus formulierten: Kunst will gesehen und manchmal auch gehört werden.“