HATTINGER AUTOHÄNDLER NOCH IM GERICHT VERHAFTET

Anlegen von Handfesseln bei einer Festnahme (Archiv-Foto: Höffken)

Hattingen – Nach vier Verhandlungstagen verurteilten heute (12. Januar 2022) die Richter:innen des Hattinger Schöffengerichtes einen 31-jährigen Hattinger Autohändler wegen gewerbsmäßigen Betruges, Beleidigung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Ein Betrag von 14.415 Euro soll darüberhinaus beim Angeklagten zur Schadenswiedergutmachung eingezogen werden. Der erstaunte Angeklagte wurde noch im Gerichtssaal verhaftet und der Arrestzelle zugeführt.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Der Hattinger hatte sich seit 1. Dezember 2021 vor den Richtern:innen des Hattinger Schöffengerichtes zu verantworten. Urkundenfälschung, versuchte Nötigung, Beleidigung und Betrug warf die Staatsanwaltschaft dem früheren Geschäftsführer vor.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beinhaltete 28 einzelne Fälle. Inhaltlich drehte sich alles rund um den Verkauf von Gebrauchtwagen, der nach Meinung der Staatsanwaltschaft bei den aufgezeigten Verkäufen nicht ordnungsgemäß erfolgt sein soll. Insbesondere soll die Anzeige der Tacho-Kilometerstände in den Fahrzeugen, die oftmals aus den Niederlanden importiert wurden, zu niedrig und nicht der bereits gefahrenen Laufleistung entsprochen haben.

Staatsanwalt: Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten

Nach der Anhörung zahlreicher Zeugen aus ganz Deutschland bewertete heute (12. Januar 2022) am vierten Verhandlungstag ein KFZ-Sachverständiger die finanziellen Auswirkungen der oftmals zu niedrigen Tacho-Kilometerstände bei den Import-Fahrzeugen mit den gefahrenen Kilometern hinsichtlich der einzelnen Verkaufsfälle. In seinem 90-minütigen technisch geprägten Vortrag erläuterte der Sachverständige das Auto-Kennzeichen-Verfahren in den Niederlanden, die Möglichkeiten und wie in den Fachwerkstätten Kilometerstände ausgelesen und beim Autohersteller anhand der FIN (Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer) gespeichert werden.

Am Ende der Beweisaufnahme war der Vertreter der Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass der Angeklagte, der bis Ende 2019 in Hattingen ein Gewerbe unterhielt, Gebrauchtwagen mit manipulierten Kilometerständen verkauft hatte. „Er hat gewusst, dass die Kilometerstände nicht stimmten“, sagte der Staatsanwalt und bejahte Vorsatz und die Gewerbsmäßigkeit des Betruges. Von allen angeklagten Fällen wurden einige Verfahren vorläufig eingestellt, sodass der Staatsanwalt für die restlichen Anklagepunkte mit einem Gesamtschaden von über 18.000 Euro eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Einziehung eines Betrages von 18.410 Euro beim Angeklagten und seine sofortige Festnahme beantragte.

Strafverteidiger: Freispruch

Das sah Rechtsanwalt Pindur in seinem Plädoyer vollkommen anders. Es gab seiner Meinung nach auch am vierten Verhandlungstag keine objektiven Beweismittel dafür, dass sein Mandant bei der Menge der 200 bis 250 von ihm initiierten Gebrauchtwagenverkäufe im Jahre 2020 bei den einzelnen angeklagten Fällen hinsichtlich der unrichtigen Kilometerangaben bewusst betrogen hatte. Am Ende seines Plädoyers plädierte er auf Freispruch für den Angeklagten.  

Der große Sitzungssaal im Amtsgericht Hattingen (Foto: Höffken)

Nach längerer Beratung des Schöffengerichtes verkündete dann der Vorsitzende Richter Kimmeskamp das Urteil „Im Namen des Volkes“: Der bereits vorbestrafte 31-jährige Hattinger Autohändler wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges in sechs Fällen sowie wegen Beleidigung und versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. „Er hat die Kunden nach Strich und Faden betrogen“, sagte Richter Kimmeskamp in seiner Urteilsbegründung und ergänzte, dass jemand, der professionell Autos verkauft, merkt, wenn Kilometerstände manipuliert sind.

Hektik im Gerichtssaal

Als dann zwei Justizwachtmeister noch während der Urteilsbegründung den Gerichtssaal betraten, wurde der ansonsten regungslos auf der Anklagebank sitzende Angeklagte nervös, denn Richter Kimmeskamp sah am Ende der Urteilsbegründung eine gestiegene Fluchtgefahr beim Angeklagten und verkündete diesem den Haftbefehl.

Daraufhin beantragte Rechtsanwalt Pindur einen sofortigen Haftprüfungstermin und bot nach kurzer Beratung mit seinem Mandanten dem Gericht die Abgabe beider Reisepässe des Angeklagten an. Außerdem könne dieser sofort eine Kaution von 10.000 Euro hinterlegen. Das war wiederum dem Staatsanwalt zu wenig, zumal bei Rechtskraft des Urteils der Angeklagte mit einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten rechnen muss, die aus einer Bewährungsverurteilung des Amtsgerichtes Bochum dann rechtskräftig würde.

Nachdem der Staatsanwalt die Höhe einer Kaution von 25.000 erwähnte, diese der Strafverteidiger als zu hoch empfand, beendete Richter Kimmeskamp dieses „Prozedere“, ließ den Autohändler in die Arrestzelle bringen und setzte einen ersten Haftprüfungstermin für kommenden Montag an. Der Angeklagte konnte dann noch einmal seine Familie anrufen, musste dann sein Smartphone ausschalten, an die Justizwachtmeister abgeben und wurde der Arrestzelle zugeführt.