GLÜCKWUNSCH – 100 JAHRE STABI

Thomas Weiß und Bernd Jeucken in der StaBi (Foto: Pielorz)

Die Stadtbibliothek feiert Geburtstag

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Hattingen- Die Hattinger Stadtbibliothek feiert am 12. April 2020 ihren 100. Geburtstag. Ein Blick in die Geschichte der Bibliothek ist auch eine Historie vom Bildungsbürgertum und dem Buch für wenige Menschen bis hin zum gewollten Lesestoff für alle. Heute ist die Hattinger Stadtbibliothek (Stabi) ein Kulturtempel – der sogenannte „dritte Ort“ neben dem Zuhause und der Arbeit. Ein Team von einem Dutzend Mitarbeitern unter der Leitung von Stabi-Chef Bernd Jeucken sorgt dafür, dass das so bleibt und sich noch weiterentwickelt. Gemeinsam mit ihm und Stadtarchivar Thomas Weiß blicken wir in die wechselvolle Geschichte der Bücher zum Ausleihen. 

„In Hattingen hat sich schon der Pfarrer Hermann Merker um 1630 seine Pacht unter anderem mit Büchern oder Bibeln bezahlen lassen“, sagt Stadtarchivar Thomas Weiß. 1837 gründete Carl Hundt eine Buchbinderwerkstatt in Hattingen, gefolgt von einer eigenen Druckerei und einer Buchhandlung. „Das Thema Bücher wurde immer größer, weil Bildung und Weiterbildung für immer mehr Menschen einen Wert erhielt.“ Im November 1900 wurde in Hattingen ein Volksbibliotheksverein gegründet. Den Vorsitz hatte ein Dr. Michels, Verwalter war Hugo Overbeck. Beide Herren sowie die ersten Mitglieder gehörten zum Bildungsbürgertum und besaßen selbst viele Bücher. Ziel dieser neuen privaten Bibliothek war es, immer mehr Menschen mit Büchern vertraut zu machen und sie zum Lesen zu ermutigen. Dabei handelte es sich um eine Thekenbibliothek. Das bedeutet, die Menschen konnten nicht einfach in den Raum gehen und in den Büchern stöbern, sondern sie mussten sich in Katalogen ein Buch aussuchen und dies wurde ihnen dann übergeben. Ort des Geschehens war das Schreibwarengeschäft von Hugo Overbeck am Gelinde. Heute ist dort übrigens der Betrieb von Alfred Schulte-Stade untergebracht. 1902 gab es 185 Mitglieder, 730 Bücher und 4200 Ausleihen. 

Bernd Jeucken gratuliert der Stadtbibliothek

1912 beschloss der Magistratsausschuss den Umzug der Bibliothek in einen Raum im Rathaus. Zum ersten Mal tritt die Stadt in Erscheinung, die auch finanzielle Unterstützung anbietet. Bis dahin wurden neue Bücher in der Regel über Mitgliedsbeiträge und Eintritte von Veranstaltungen angeschafft. Zunächst gab es einmalige Beihilfen, ab 1918 eine jährliche Unterstützung von 150 Mark. Dafür konnte man damals etwa 150 Bücher anschaffen. Die Bibliothek war erstmals als fester Kostenpunkt in den städtischen Haushalt aufgenommen. Offensichtlich auf Wunsch des Volksbibliothek-Vereines begannen Verhandlungen mit der Stadt, die Bibliothek zu übernehmen. Diese Verhandlungen wurden am 12. April 1920 zu Ende gebracht und die Stadt war Eigentümer der Bibliothek. Die Räumlichkeiten erinnerten eher an Omas Wohnzimmer. Sie sollten atmosphärisch sein, zum Lesen einladen. Aber schon 1925 gab es erste Gespräche über Kosten und Steigerung der Nutzerfreundlichkeit. Auch Kundenwünsche galt es zunehmend zu berücksichtigen. 

Dann brach mit dem Nationalsozialismus eine neue Ära an. Während das Buch auf der einen Seite als „Schwert des Geistes“ gesehen und gefördert wurde, ging es auf der anderen Seite nicht mehr um Bildung, sondern um Propaganda. Extreme Förderung und unermessliche Zensur lagen eng beieinander. 1938 zog die Bibliothek um. Ihre neue Heimat befand sich am Untermarkt und wurde um einen Lesesaal erweitert. Selbst Ahnentafeln von Größen des Nationalsozialismus gab es zum Studieren, etwa die Ahnentafeln vom Führer oder von Göring. 1945 wurden durch Bombentreffer große Teile der Bibliothek zerstört. Neu aufgebaut wurde sie ein Jahr später in der Bahnhofstraße, erst in der Hausnummer 20, dann in Nummer 31, dem heutigen Haus der Jugend. 1978 zog sie um an die den Hattingern noch bekannte Adresse der Bredenscheider Straße und wurde eine „City-Bücherei.“ Zehn Jahre später wurde Bernd Jeucken Leiter der Einrichtung. „Damals“, so erinnert er sich, „träumte man in der Politik von einem Kulturhaus, angebaut am heutigen Rathaus. Dort sollte die kulturellen Einrichtungen Bücherei, VHS, Musikschule und Stadtarchiv unter einem Dach verbunden werden.“ Die Idee wurde allerdings durch das Aus der Henrichshütte gleich mitbegraben. Das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. 

Doch unter einem Kulturbürgermeister wächst und blüht der Gedanke eines repräsentativen und vor allem größeren Bau einer Bibliothek. Die Chance bot sich mit den Planungen vom Reschop Carré. Zentral gelegen, eingebunden in die Mitte der Stadt und Platz für einen Lesetempel erster Güte – so geschah es auch. Im Mai 2009 folgte der Umzug in das Reschop-Carré und die damit verbundene Flächenerweiterung von 700 auf 1600 Quadratmeter. Seit ihrem Umzug in das Reschop Carré hat sich die Stadtbibliothek jährlich am bundesweiten Bibliotheksranking BIX beteiligt, um ihre Arbeit mit anderen Medienhäusern zu vergleichen. Bereits 2012 und 2013 erzielte sie mit 3,5 Sternen hervorragende Ergebnisse. 2014 konnte sie mit vier Sternen erstmals die Höchstbewertung erreichen und sich zum Landes-Champion küren lassen. Bundesweit zählt sie zu den besten sechs deutschen kommunalen Medienhäusern ihrer Größenordnung. Auch überregional hat sich die Hattinger Stadtbibliothek einen Namen gemacht. 2019 durfte sie die Verleihung des Kinderbuchpreises NRW ausrichten. NRW-Kultusministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen würdigte die Hattinger Stadtbibliothek als „seit langem sehr engagiert bei der Förderung der Lese- und Schreibkompetenz“. 40.000 analoge Medien plus 15.000 Medien aus der Onleihe Ruhr, neun Stellen mit zwölf Mitarbeitern und ein Etat von rund 72.000 Euro gehören heute genauso zum Erscheinungsbild wie Lesungen mit bekannten Autoren, ein Stabi-Café, Workshops und pädagogische Projekte im großen Kinder- und Jugendbereich oder in der Integration von Flüchtlingen. 

Die Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement damals und heute, beispielsweise seit 16 Jahren in der Form vom Freundeskreis der Stadtbibliothek, ist nicht zu unterschätzen. Er unterstützt die Arbeit des Bibliothekteams seit vielen Jahren und bei zahlreichen Veranstaltungen. „Eigentlich wollten den 100. Geburtstag natürlich groß feiern. Das geht jetzt aktuell leider nicht. Aber wir werden ein großes Lesefest im Herbst veranstalten. Wir haben viele bekannte Gesichter zu Lesungen eingeladen und freuen uns darauf schon heute“, sagt Bibliotheksleiter Bernd Jeucken. Zum Anbeißen findet er die Bibliothek mit ihrem Angebot in jedem Fall – und präsentiert eine süße Hattinger Köstlichkeit aus der Confiserie Harmonie. 

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