FILM AB – EIN PROJEKT ÜBER HATTINGER FRAUEN

Teilnehmerinnen des Projektes mit Filmemacherin Tianlin Xu aus Hattingen (Foto: Pielorz)


Hattingen- Wie leben Frauen mit Migrationsgeschichte in Hattingen? Vor dem Hintergrund dieser Frage entsteht in Kooperation mit dem Internationalen Frauencafé und der Hattinger Filmregisseurin Tianlin Xu ein Filmprojekt. Ziel ist ein sechzigminütiger experimenteller Dokumentarfilm über die weiblichen Lebenswelten in Hattingen – von Frauen, die vor vierzig Jahren als „Gastarbeiterinnen“ kamen und blieben und von Frauen, die erst vor kurzem als junge Migrantinnen und Geflüchtete Hattingen kennenlernten.

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„Der Kontakt zu Tianlin Xu entstand zufällig“, berichtet Angelika Schlösser vom Frauencafé. „Sie kam mit einer Freundin, die kaum Deutsch sprach und erzählte dabei auch über sich und ihre Arbeit. So wurde relativ schnell die Idee von einem Filmprojekt aus der Taufe gehoben.“ Die gebürtige Chinesin, die selbst in Hattingen lebt, studierte in China Germanistik, gefolgt von einem Masterstudium in „International Media Studies“ an der Deutschen-Welle-Akademie in Kooperation mit der Uni Bonn. Die freiberufliche Journalistin und Filmemacherin hat 2015 den Dokumentarfilm „Coming and Going“ produziert – eine Geschichte über zwei Brüderpaare in China vor dem Hintergrund von Wanderarbeit, Landflucht, den Konsequenzen einer rasant wachsenden Wirtschaft und persönlichen Träumen und Hoffnungen. Chinesische Landarbeiter ziehen in die Stadt, lassen oft ihre Kinder im Dorf bei Verwandten zurück und versuchen, in der Stadt Geld zu verdienen und ihr Glück zu machen.

Teilnehmerinnen des Projektes mit Filmemacherin Tianlin Xu aus Hattingen. Foto: Pielorz

Um Träume und Wünsche wird es auch in ihrem neuen Filmprojekt, dem ersten medienpädagogischen Filmprojekt für Erwachsene, gehen. In fünf Workshops hat Tianlin Xu mit zehn bis 15 Frauen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund zunächst die Grundlagen der Filmentstehung erarbeitet. Bild, Ton, Schnitt, Montage, Storytelling, Interviewführung – für die Frauen zwischen 18 und 71 Jahren aus dem Irak, Syrien, Eritrea, Chile, Rumänien, Albanien, Ukraine und anderen Ländern eine völlig neue und spannende Erfahrung. Als Ergebnis aus diesen Workshops und zur Motivation für die weitere Arbeit im nächsten Jahr gibt es Zertifikate für die Teilnehmerinnen, die viel Spaß an dem Projekt haben und sich auf das Ergebnis freuen. Eine von ihnen ist Segen Tadese, den Hattingern auch schon durch das Awo und Zukunft plus Projekt „Gut integriert“ bekannt. Sie führt heute ein völlig anderes Leben im Vergleich zu ihrer Kindheit in Eritrea. Acht Jahre sei sie dort zur Schule gegangen, berichtet sie. Ohne einen in Deutschland anerkannten Abschluss kam sie hier in eine für sie völlig fremde Welt. Drei Stunden dauerte in Eritrea der Fußmarsch in die Schule. Danach stand für das Kind die Arbeit in der Landwirtschaft auf dem Stundenplan. Hilfe für die Eltern. Hier geht die junge Afrikanerin zur Schule und muss den schwierigen Weg in eine Ausbildung finden.


Wie genau der spätere Film aussehen wird, ist noch offen. Es gibt aber natürlich einen Rahmen. „Der experimentelle Dokumentarfilm ist eine Spielart des Dokumentarfilms. Wir wollen die Lebenssituation der Frauen in Hattingen zeigen, die vor vierzig Jahren beispielsweise aus Portugal, Spanien, Italien, Korea, Vietnam, Jugoslawien hierherkamen, aber auch die Sicht der jungen Migrantinnen und Geflüchteten der Neuzeit dokumentieren. Sie sollen in kleinen Gruppen Interviews mit fünf Protagonisten führen, die wir noch suchen werden. Eingebunden in den Film werden aber auch Archivmaterialien“, erklärt Tianlin Xu. Der Weg zum fertigen Produkt sei als Prozess zu verstehen, der noch keinem genauen Drehbuch folge. Entscheidend sei der Schnitt eines Films – die Mischung zwischen Gesprächen, Archivmaterial, der Wechsel in der Bildperspektive bei der Darstellung der FrauenLebensWelten – so der Arbeitstitel – aus den verschiedenen Generationen. Als weiteres Produkt aus dieser Projektarbeit, die von der Bundeszentrale für politische Bildung über die IFAK (Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit) finanziert wird, entsteht eine Fotoausstellung. Das Equipment für die Entstehung des Films kommt übrigens von dem Medienprojekt Wuppertal. Das Medienprojekt Wuppertal konzipiert und realisiert seit 1992 erfolgreich Modellprojekte aktiver Jugendvideoarbeit und entwickelte sich zur größten Jugendvideoproduktion in Deutschland. „Wir wollen nächstes Jahr im Herbst unseren Film fertig haben. Dann wird er seine Aufführung im LWL-Industriemuseum Henrichshütte erleben.“


Was danach mit dem Film geschieht, ist noch offen und hängt auch von dem Film selbst ab. „Wir werden sehen, wie sich der Film entwickelt und wie gut er wird“, zeigt sich Tianlin Xu optimistisch. Grund zum Optimismus hat die 33jährige auf jeden Fall. Immerhin wurde ihr Dokumentarfilm „Coming and Going“ für den First Step Award nominiert. Dreieinhalb Jahre Arbeit steckten insgesamt in dem Projekt. Der Dreh in drei Sprachen (Mandarin, Lisu und Yi) stellte sowohl das deutsche Kamera- und Schnitt-Team als auch die Regisseurin immer wieder vor neue Herausforderungen. Auch von China wird erzählt. Man erfährt zum Beispiel, dass die soeben gelockerte Ein-Kind-Politik Chinas auch vorher schon durch Strafzahlungen unterwandert und in ländlichen Gebieten gar nicht galt. Und dass es in China unterschiedliche Residenzpflichten für Land- und Stadtbewohner gibt, so dass die ursprünglichen Landbewohner schon aus formellen Gründen als Wanderarbeiter von Stadt zu Stadt ziehen müssen.

„Mit diesem Filmprojekt wollen wir die Erfahrungen der sogenannten Gastarbeiterinnen vor vierzig Jahren in Hattingen sichtbar und gleichzeitig die Wünsche und Träume der heutigen Migrantinnen für den Betrachter spürbar machen“, fasst Angélica Urrutia, die in die sozialpädagogische Begleitung des Projektes eingebunden ist und selbst einen Migrationshintergrund hat, das Ziel der Filmarbeit zusammen.