Hattingen – Eine seltsame Podiumsdiskussion erleben die Teilnehmer vor und auf der Bühne am Gymnasium Waldstraße, als über die Schulstandorte in der Stadt gesprochen werden soll. In der Hauptsache geht es um die Existenz der beiden Hattinger Gymnasien. Auf dem übervollen Podium haben neben den Parteienvertetern die beiden Bürgermeisterkandidaten Platz genommen, der Vertreter der Linken/Linken Piraten wird zunächst nicht erwartet und muss, als er doch erscheint, neben dem Podium sitzen. Pfarrer Bodo Steinhauer übernimmt die Rolle des Moderators.
Zunächst lässt sich das Ergebnis der fast zweistündigen Veranstaltung kurz zusammenfassen: Keiner kennt die genauen Fakten auf deren Grundlage der Stadtrat später den Schulentwicklungsplan erstellen und beschließen soll, aber alle machen deutlich, dass beide Gymnasien erhalten bleiben.
Ein großer Teil der Wortbeiträge der eingeladenen Parteienvertreter dreht sich in peinlichem Geplänkel darum, ob es bereits ein Gutachten gibt, wer wann welche Zahlen unter welchen
Voraussetzungen bekommen hat und ob die verschiedenen Ideen, die offensichtlich interfraktionell besprochen wurden, ernsthafte Vorschläge oder schnell verworfene Gedankenspielereien im Rahmen eines Brainstormings waren. Als völlige Fremdkörper in der Runde wirken die beiden Bürgermeisterkandidaten. Sie können zur Sache eigentlich nichts beitragen, da sie weder in den Sitzungen dabei waren, in denen es um die schulpolitischen Entscheidungen ging oder einen weitergehenden Einblick in die Zahlen des Gutachtens haben. Außer einem allgemein gehaltenen
Versprechen, sich unter den gegebenen Voraussetzungen für den Erhalt beider Gymnasien auszusprechen, könnten sie während Diskussion nichts sagen.
Dieses Bekenntnis kommt, mehr der weniger deutlich, von allen Parteienvertretern. Immer versehen mit dem Hinweis, eine endgültige Entscheidung erst treffen zu können, wenn das von der Stadt beauftragte Gutachten vorliegt. Das ist auch der Grund, weshalb kein Vertreter der Stadtverwaltung anwesend ist. Bürgermeisterin Dagmar Goch hat bereits Tage vorher ausrichten lassen, vor der Vorstellung des ominösen Gutachtens im Stadtrat werde es durch die Stadt keine Stellungnahme zum Thema geben.
Eltern bemängeln fehlende Transparenz
Rund um das Gutachten, von dem bei der Diskussion niemand sagen kann, ob es schon fertig ist, entzündet sich ein Streit über die Qualifikation der beauftragten Firma <<biregio>> aus Bonn. Auf dem Podium fällt der Satz “Die haben von Menden bis Trier nur Chaos verursacht.” was zu einmütigem, zustimmendem Nicken der anderen Diskutanten führt. Ein Vorwurf der offensichtlich nicht zum ersten Mal geäußert wird. Denn auf der Homepage des Unternehmens, das sich auf mehr als 400 Kunden beruft, steht wohl nicht grundlos der Satz “Wir hinterlassen niemals einen Scherbenhaufen.” (Update März 2016: Verlinkte Seite inzwischen geändert). Aus dem Publikum wird die Kompetenz der Gutachter jedenfalls durchgängig angezweifelt. Die kolportierten rund 30.000 Euro für das Gutachten halten viele für rausgeschmissenes Geld.
Bodo Steinhauer verlässt immer wieder das Podium, um das Publikum mit in die Diskussion einzubeziehen. Mit dem Ort wechselt er auch seine Rolle, er macht sich zum Fürsprecher der Gymnasien, der Eltern und Schüler. Die fordern massiv mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung der Bürger und vor allem wollen sie, dass das Gutachten noch vor der Wahl öffentlich gemacht wird. Immer wieder ist zu merken, dass sie den unverbindlichen Aussagen von der Bühne, dass beiden Gymnasien eigenständig, am bisherigen Standort erhalten bleiben, nicht trauen.
Von einigen Parteienvertretern wird daraufhin behauptet, dass der Stadtrat bereits im Juni über das Gutachten diskutieren sollte. Das legt nahe, dass es schon seit mehrere Wochen fertig vorliegt. Doch “über Nacht” sei dieser Punkt von der Tagesordnung genommen worden. Als einzige Person, die die Macht habe etwas derartiges zu veranlassen, wird die Bürgermeisterin genannt. Ein Vorgang der das Vertrauen in die Politik, die gemachten Versprechen und die Bekenntnisse zur Schulvielfalt im Publikum nicht stärkt. Es wird der Verdacht geäußert, dass man erst nach der Wahl unangenehme Mitteilungen für Eltern, Lehrer und Schüler verkünden will. Doch damit wollen sich die Anwesenden nicht abfinden und verlangen, dass die Zahlen, auf deren Grundlage das Gutachten erstellt wird/wurde, gesammelt sofort auf den Homepages der Parteien veröffentlicht werden.
Zu einem Eklat kommt es, als sich, als letzte Person aus dem Publikum, der FDP-Fraktionsvorsitzende Gilbert Gratzel zu Wort meldet. Er erinnert daran, dass die Stadt in den vergangenen Jahren rund 5 Millionen Euro in das Gymnasium Waldstraße investiert hat. Geld das bei einer Schließung verschwendet wäre. Er nutzt die Gelegenheit, um doch noch Wahlkampf zu machen und greift den SPD-Kandidaten persönlich an. Er unterstellt ihm, er sei “unglaubwürdig”, wenn er sich für den Erhalt beider Gymnasien ausspreche. Ein Äußerung auf die Manfred Lehmann spontan reagiert und sich eine derartige Bezeichnung verbittet. Auch nach Beendigung der Veranstaltung setzen sich beide noch sichtlich erregt über die Bezeichnung “unglaubwürdig” auseinander.
Dass Gutachten (oder Berater/Consultants) gerne eingesetzt und bezahlt werden, damit der Auftraggeber unangenehme Entscheidungen nicht selbst vertreten muss (Nach dem Motto: Wir würden ja gerne anders entscheiden, aber die Fakten lassen uns leider keine Wahl!), ist vielfach geübte Praxis. In diesem Zusammenhang nicht ganz uninteressant:
http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/38806234/2/data.pdf
Die echte Person!
Die echte Person!
Völlig korrekt und leider eine gängige Praxis.