BEIM HAUSHALT ZERBRICHT DIE BÜRGERMEISTERKOALITION

Das Hattinger Rathaus (Foto: RuhrkanalNEWS)

Hattingen – Die letzte Stadtverordnetenversammlung des Jahres ist traditionell geprägt von den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden. Dabei geht es natürlich, wie der Name vermuten lässt, um den zu verabschiedenden Haushaltsentwurf, dessen Details aber meistens schon in den verschiedenen Ausschüssen abgestimmt und beschlussfähig gemacht wurden. Das spannende an den Reden ist die Zusammenfassung des politschen Jahres aus Sicht der Ratsparteien. Den Auftakt macht Achim Paas (SPD); als Vorsitzender der größten Fraktion hat er das Recht zu beginnen.

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Achim Paas, SPD (Foto: RuhrkanalNEWS)

Achim Paas, SPD (Foto: RuhrkanalNEWS)

Und seine Rede wird über weite Strecken eine harsche Kritik an den Verwaltungsspitzen. Die Sachbearbeiter nimmt er von dieser Kritik aus, er lobt ausdrücklich ihre Arbeitsleistung und ihr Engagement. An dieser Stelle unterscheidet sich seine Rede nicht von allen nachfolgenden. Besonderes Ziel seiner Kritik wird Bürgermeister Dirk Glaser. Er wirft ihm vor, dass er nach gut zwei Jahren Amtszeit keine Projekte, keine Perspektiven und keine Utopien entwickelt. „Nur Sitzungen zu moderieren und Aufgaben delegieren ist einfach zu wenig“, lautet seine Vorhaltung in Richtung Bürgermeister. „Und bisher sind Sie über Ankündigungen nicht hinausgekommen.“ Und diese Ansicht garniert er mit konkreten Beispielen. Das gemeinsame Rechnungsprüfungsamt ist demnach immer noch in weiter Ferne, die Fachbereiche schieben sich in den Ausschüssen, bei konkreten Fragen, die Verantwortung für Fehler gegenseitig zu und in unterschiedlichen Ausschüssen liefert die Verwaltung zu gleichen Fragestellungen unterschiedliche Antworten, die sich teilweise widersprechen, führt Paas im Laufe seiner Rede aus. Aber auch der Kämmerer kommt nicht ungeschoren davon. Ihm reibt der Hattinger SPD Chef unter die Nase, dass er recht kreativ dafür gesorgt hat, dass ein ausgeglichener Haushaltsentwurf vorliegt, der sogar einen Puffer enthält. „Ich möchte ausdrücklich nicht von einem „Trick“ sprechen. Aber dass sie nun zum zweitenmal eine Vorabausschüttung der Stadtwerke in die Planungen einfließen lassen, ist bedenklich“, so Pass und erinnert daran, dass dies im vergangenen Jahr eine einmalige Vorgehensweise bleiben sollte. „Nun machen Sie es das zweite Jahr in Folge. Das ist ein süßes Gift, denn es werden Gewinne ausgegeben, die die Stadtwerke erst noch erwirtschaften müssen.“

Gerd Nörenberg, CDU (Foto: RuhrkanalNEWS)

Gerd Nörenberg, CDU (Foto: RuhrkanalNEWS)

Mit Kritik in Richtung Verwaltungsspitze würzt auch Gerd Nörenberg (CDU) seine Rede. Allerdings ist er dabei deutlich weniger konfrontativ, als sein Vorredner. Dennoch mahnt er deutlich an, dass ihm die Ausweisung von Baugebieten zu langsam vonstatten geht, dass die vereinbarten Service-Versprechen für die Bürger nicht oder nur unvollständig umgesetzt wurden, dass bei allen Erfolgen des Projektes „Stadtumbau“ die Neugestaltung des Markt- und Rathausplatzes nicht vorankommt, stört den CDU-Mann offensichtlich sehr. Doch etwas anderes brennt ihm mehr unter den Nägeln. „Es gibt viele notwendige Konzepte für unsere Stadt, für die Bürgerinnen und Bürger. Dass es keine Konzepte gegen die Armutsbekämpfung und gegen die Kinderarmut in unserer Stadt gibt, ist inakzeptabel“, so Nörenberg. „Eine Auflistung einzelner Maßnahmen reicht nicht. Ich bitte die Verwaltung schlüssige Konzepte zu erstellen und vorzulegen, die Nachhaltigkeit und Controlling enthalten.“ Er wollte, so wie alle Redner, aber die wirklich positive Information nicht ungewürdigt lassen. Im Jahr 2016 gab es zum ersten mal seit mehr als 20 Jahren einen ausgeglichen Haushalt, der sogar gut 900.000 Euro Überschuss aufwies. Und auch die Tatsache, dass durch die Haushaltssperre in 2017 überhaupt erst die Haushaltspakt-Mittel überwiesen wurden, wertet der CDU-Fraktionsvorsitzende als Erfolg. Er sieht im Gegensatz zu Achim Paas auch das angestrebte gemeinsame Rechnungsprüfungsamt auf einem guten Weg. Doch an einem Punkt widerspricht der CDU-Mann seinen Kollegen von SPD und FDP. Während diese sowohl die abgewählte rot grüne, wie die frisch angetretene schwarz-gelbe kritisieren, da sie die Kommunen nicht mit den nötigen Finanzmitteln ausstatten, lobte Nörenberg die aktuelle Landesregierung. Er reklamiert 3 Millionen Euro, die zusätzlich nach Hattingen fließen, als Einlösung eines Wahlversprechens. Ob diese Summe tatsächlich fließt, darüber werden sich die Parteienvertreter in ihren Reden nicht einig. [Wir hatten in einer früheren Version fälschlicherweise berichtet, dass auch die CDU die aktuelle Landesregierung kritisiert hat. Das war nicht korrekt, die Kritik kam ausschließlich von SPD und FDP]

Fraktionsübergreifende Kritik an Verwaltung und Bürgermeister

Frank Staacken B90 Grüne (Foto: RuhrkanalNEWS)

Frank Staacken (B90/Grüne) (Foto: RuhrkanalNEWS)

In dieses Horn stößt auch Grünen-Chef Frank Staacken. Er stellt fest, dass bei aller Freude über ein Haushaltsjahr mit schwarzen Zahlen, die grundlegende Problematik unverändert ist. „Wir werden es niemals schaffen aus eigener Kraft unsere Schulden abzubauen“, sagt er „Die Firma `Stadt Hattingen´ überlebt mit einer Art permanenter Insolvenzverschleppung.“ Immerhin hat sich Hattingen als „DIE Altstadt des Ruhrgebietes“ etabliert und kann auf entsprechend viele Touristen und Tagesausflügler blicken. Aber gleichzeitig gibt es zu wenig Steuereinnahmen. „Die Stadt profitiert nicht von der guten Konjunktur.“ Gleichzeitig werden der Stadt von außen zu viele Kosten aufgebürdet, auch wenn die Kreisumlage erfreulicherweise wohl in 2018 sinken wird. Staacken stellt in seiner Rede, ebenso wie seine Vorredner, fest, dass das Ziel des 100-Stellen-Abbaus in der Stadtverwaltung überdacht werden muss. „Der Personalabbau belastet die verbliebenen Mitarbeiter“, sagt Staacken. „ Schleppende Genehmigungen sind oft Ergebnis von zu wenig Personal.“ Und auch er kritisiert, wie die Redner von SPD, CDU und FDP, die geplante Neugestaltung der Dezernate . Dadurch würden Zuständigkeiten auseinandergerissen, die Verwaltung werde insgesamt ineffizenter.

Knippel

Friedhelm Knippel, Linke (Foto: RuhrkanalNEWS)

In diese Kerbe schlägt auch Friedhelm Knippel (Linke). Statt eines neuen Dezernenten solle lieber in weitere Sachbearbeiter investiert werden, so seine Forderung. Er bemängelt außerdem, dass im Jahr 2017 von Investoren nur eine Quote von 25% Sozialwohnungen gefordert wurde. Das sei deutlich zu wenig. Er fordert außerdem mehr Unterstützung für die Flüchtlinge in der Stadt. „Die Hilfe muss mit der vergleichbar sein, die früher auch DDR-Flüchtlinge bekamen“ sagt Knippel. Danach wird seine Rede etwas verworren, es ist für die anwesenden Stadtverordneten nur zu erahnen, welche Kritik er übt und was für Schlüsse er daraus zieht.

Gunnar Hartmann, Linke Piraten (Foto: RuhrkanalNEWS)

Gunnar Hartmann, Linke Piraten (Foto: RuhrkanalNEWS)

Gunnar Hartmann von den Linken-Piraten kritisierte den Bürgermeister, der zunächst eine öffentliche Diskussion über die Nutzung des Grundstücks der alten Feuerwache verhinderte, um anschließend zuzulassen, dass die Pressestelle der Stadt eine ausführliche Pressemitteilung mit Interna aus dem nichtöffentlichen Teil des Haupt- und Finanzausschusses online stellte. „Besonders amüsant ist auch der Umgang der Verwaltung mit der Kontrolle am Wettbüro Krämersdorf. Es wurde, nach unseren wiederholten Nachfragen in diesem Jahr, folgender Sachstandsbericht im vergangenen Haupt- und Finanzausschuss bekanntgegeben: `Es wird kontrolliert und die nächste Kontrolle ist am 3.12.2017´. Das ist schon Comedy pur“, führt Hartmann aus. Und als Beleg dafür, dass das Wettbüro auch zu Zeiten geöffnet hat, an denen es nicht erlaubt ist, reicht er gleich einen Wettschein an den Bürgermeister durch. Darauf ist die Zeit vermerkt, wann er abgegeben wurde. Außerdem kritisiert er den Umgang mit den freiwilligen Feuerwehrleuten bei der Suche nach einem neuen Standort für die Wache. Diese werden nach seinen Erkenntnissen nicht in die Planungen einbezogen, ihre Ideen werden nicht berücksichtigt. Er wirft Feuerwehrchef Stahnke ziemlich unverblümt vor, nur den von ihm favorisierten Standort ernsthaft zu prüfen und in die Planungen der Verwaltung einzubringen.

Gilbert Gratzel, FDP (Foto: RuhrkanalNEWS)

Gilbert Gratzel, FDP (Foto: RuhrkanalNEWS)

Traditionell hält Gilbert Gratzel (FDP) die letzte Haushaltsrede. Und er stimmt gleich zu Beginn vielen Aussagen und Forderungen der SPD zu. Und dann beißt er sich an der Digitalisierung der Verwaltung fest. Dass kurz vorher das Online-Verwaltungsportal freigeschaltet wurde, mit dem auch in Hattingen erste Anträge bequem vom zuhause aus gestellt werden können, ficht Gratzel dabei nicht an. Die Digitaliserung geht ihm schlicht und ergreifend zu langsam voran. „Wenn sie den Winterdienst mit digitaler Hilfe verbessern wollen, dann machen Sie es endlich“, fordert er in Richtung Verwaltung und Bürgermeister. Es gebe schließlich Apps, die „für 50 Euro alles bieten, was wir benötigen. Die kann man einfach runterladen.“ Dass die Digitalisierung des Rathauses sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken soll, ist den bekennenden analogen Menschen zu langsam. „Ich stehe hier mit einem Redezettel aus Papier. Wenn ich im Rathaus arbeiten würde, müssten Sie mich im Rahmen der Digitalisierung zu einer Fortbildung schicken“, bekennt der FDP-Mann selbstironisch, um dann ganz ernsthaft zu werden. „Aber Fortbildungen für die Mitarbeiter gehören zur geforderten Modernisierung der Verwaltung dazu.“ Das dürfe bei den Kosten des Projektes nicht vergessen werden. Dass der Weg zum digitalen Rathaus so langsam beschritten wird, ist für Gratzel Zeichen eines mangelnden Service-Willens der Verwaltungsspitze. Das macht er auch an der geplanten Park-App für Hattingen fest. Damit können Parkscheine mit dem Mobiltelefon über die Telefonrechnung bezahlt werden. „In andere Städten vergehen von der Beschlussfassung bis zur Umsetzung acht Wochen. Schließlich gibt es mehrere ausgereifte Apps,“ erklärt Gratzel. „In Hattingen ist die Verwaltung jetzt schon ein dreiviertel Jahr am Thema und eine Umsetzung ist noch nicht in Sicht.“

Hundekotbeutel, Kita-Beiträge, verkaufsoffene Sonntage und der Knackpunkt Stellenplan

In allen Reden wird über die geplante Schaffung des Dezernates drei gesprochen. Wofür das Dezernat im Detail zuständig sein soll, ist bisher noch nicht klar, das sollen die Stadtverordneten in der ersten Versammlung 2018 beschließen. Er geht dem Kämmerer in seinem Entwurf erst mal nur darum, dass er die Kosten für einen Dezernenten einpreisen kann. Außerdem soll die geplante Gehaltsstufe für den neuen Posten nicht mehr maximal nach A14, sondern, etwas höher, nach maximal A16 bezahlt werden dürfen. Daran scheiden sich die Geister. Während die einen der Argumentation des Kämmerers folgen, nach der damit noch nichts beschlossen sei, vertreten andere den Standpunkt, damit würden Fakten und eine Stelle geschaffen, bevor überhaupt über Inhalte gesprochen worden sei. Ganz abgesehen davon sei noch gar nicht absehbar, ob dieses neue Dezernat wirklich sinnvoll sei. Da der Haushalt gemeinsam mit dem Stellenplan abgestimmt werden muss, kommt es zu einer erstaunlichen Situation. Grüne und FDP, die den Bürgermeister im Wahlkampf unterstützt hatten, stimmen mit den Linken gegen den Haushaltsentwurf. Die CDU, die den Bürgermeister ebenfalls im Wahlkampf unterstützte, stimmt gemeinsam mit der SPD für den Haushaltsentwurf. Die Fraktion LinkePiraten enthält sich.

Mit der Verabschiedung des Haushaltes sind einige weitere Beschlüsse gefasst:

  • Die Anschaffung von Hundekotbeuteln und besonderen Abfallbehältern für deren Entsorgung scheitert knapp mit 22Ja zu 23 Nein-Stimmen, bei zwei Enthaltungen.
  • Es werden 3000 Euro zur Verfügung gestellt, um beispielsweise Formulare und Ratsbeschlüsse in leichte Sprache übersetzen zu lassen.
  • Es wird ein Telematik-System angeschafft, damit beispielsweise der Winterdienst effektiver wird.
  • Es wird eine halbe Stelle für das Quartiermanagement geschaffen, außerdem eine ganze Stelle für eine pädagogische Kita-Kraft.
  • Die Elternbeiträge für die Kita werden um 1,5% erhöht, bis 25.000€ Familien-Jahreseinkommen bleibt die Kita aber kostenlos.
  • Die Laubkörbe bleiben.
  • 25.000 Euro fließen in ein Gutachten für ein neues Verkehrskonzept rund um die geplante neue Polizeiwache.
  • Nur drei verkaufsoffene Sonn- und Feiertage wurden für 2018 beschlossen. Der Fronleichnams-Donnerstag am 31.05.2018, im Rahmen des kulinarischen Altstadtmarktes, wurde knapp abgelehnt. An folgenden Terminen sind die Geschäfte geöffnet: 15.4.2018; 30.9.2018; 16.12.2018. Es sei denn, verdi klagt wieder erfolgreich gegen einen oder mehrere Termine (das dann wahrscheinlich wieder möglichst knapp).

Übersicht der Kita-Gebühren in den Nachbarstädten (einfach auf die Fotos klicken):

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